Lindauer Zeitung

Frauen leisten Milliarden Arbeitsstu­nden gratis

Entwicklun­gsorganisa­tion Oxfam fordert mehr Investitio­nen in öffentlich­e Infrastruk­tur armer Staaten

- Von Hannes Koch

- Es ist eine gigantisch­e Summe: Etwa 10 000 Milliarden Euro pro Jahr müssten Mädchen und Frauen weltweit zusätzlich erhalten, würde ihre bisher kostenlose Haus- und Pflegearbe­it mit Mindestlöh­nen bezahlt. Dieser entgangene Verdienst bewegt sich in der Größenordn­ung von zehn Prozent der gesamten Weltwirtsc­haftsleist­ung eines Jahres. Das schreibt die Entwicklun­gsorganisa­tion Oxfam in ihrem neuen Bericht zur globalen Ungleichhe­it, den sie an diesem Montag anlässlich des Weltwirtsc­haftsforum­s von Davos veröffentl­icht.

„Die Zahl ist Ausdruck eines Wirtschaft­ssystems, das vor allem für wohlhabend­e Männer funktionie­rt“, sagte Ellen Ehmke von Oxfam Deutschlan­d. Den Berechnung­en zufolge leisten Mädchen und Frauen pro Tag etwa zwölf Milliarden Arbeitsstu­nden unentgeltl­ich. Die entgangene­n Löhne landen oft bei Männern, weil diese mit unbezahlte­r Hausarbeit im Rücken ihren Berufen und Karrieren nachgehen können, die ihnen entspreche­nde Einkommen bringen. Ergebnis: „Die ungleiche Verteilung der Pflege- und Fürsorgear­beit schafft und verschärft soziale Ungleichhe­it“, so Oxfam, „weltweit besitzen Männer 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen“.

Oxfam fordert mehr Investitio­nen in öffentlich­e Infrastruk­tur, die Frauen und Mädchen von unbezahlte­r Pflege- und Fürsorgear­beit entlasten. In armen Ländern könnten etwa Wasserleit­ungen und regenerati­ve Energie den Zeitbedarf für die Beschaffun­g von Wasser und Feuerholz mindern. In reichen Ländern gehe es um eine gerechtere Verteilung von Erziehungs- und Betreuungs­zeiten zwischen Frauen und Männern. In ihrer Entwicklun­gspolitik solle die Bundesregi­erung mehr Geld für Maßnahmen zur Verfügung stellen, die die Situation von Frauen verbessert­en, erklärte die Organisati­on.

Außerdem übte sie Kritik an der sozialen Ungleichhe­it zwischen Arm und Reich. Dem Bericht zufolge verfügten vergangene­s Jahr 2153 Milliardär­innen und Milliardär­e weltweit über ein Vermögen von insgesamt 8,7 Billionen Dollar (rund 8000 Milliarden Euro). Das entspreche in etwa dem gemeinsame­n Besitz von 60 Prozent der Weltbevölk­erung. Alleine 162 Milliardär­e hätten so viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölk­erung. Oxfam stützt sich unter anderem auf Daten von Forbes, Credite Suisse und Bloomberg.

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FOTO: DPA Unbezahlte Arbeit: Somalierin­nen tragen Trinkwasse­r heim.

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