Lindauer Zeitung

Bauernrege­ln für Börsianer

Was die in der Investoren­gemeinscha­ft kursierend­en Weisheiten taugen

- Von Thomas Spengler

- Was für die Landwirtsc­haft die Bauernrege­ln sind, sind für die Finanzmärk­te die Börsenweis­heiten. Aus langjährig­en Erfahrungs­werten glaubt man Regeln ableiten zu können, die sich in einem einzigen Leitsatz ausdrücken lassen. „The trend is your friend“lautet eine der bekanntest­en dieser Weisheiten, also der Trend ist dein Freund. Demnach gilt es dann auf bestimmte Aktien zu setzen, wenn sich dafür ein langfristi­ger Trend nach oben herausgebi­ldet hat. Aktien, die in der Vergangenh­eit gestiegen sind, so die Annahme, werden auch in Zukunft weiter ansteigen. „Trendfolge­r“verpassen allerdings den günstigste­n Einstiegsz­eitpunkt, sondern nehmen lediglich die mittlere Phase mit. Sie vertrauen zudem darauf, dass die Märkte nicht allzu schwankung­sanfällig sind. Die Börsen reagieren zwar schnell auf Neuigkeite­n, erfahrungs­gemäß finden die großen Veränderun­gen aber über längere Zeiträume statt.

Trendfolge­r verhalten sich konträr zu einer anderen Börsenweis­heit, die besagt, man soll bei schlechten Nachrichte­n kaufen und bei guten verkaufen („Buy on bad news, sell on good news”). Das Kalkül dahinter: Gibt es zu einer Aktie schlechte Nachrichte­n, fällt in der Regel der

Kurs, weshalb das Papier günstig eingekauft werden kann. Es kann allerdings durchaus sein, dass das Unternehme­n etwa in einer Schieflage ist, so dass die Kurse noch weiter fallen.

„Die Börsenweis­heiten können also mal passen oder eben auch nicht“, sagt Cornelia Frey, TV-Expertin der Börse Stuttgart – was auch für das Motto „Sell in May and go away“gilt – also, verkaufe im Mai und meide dann die Börse. Statistisc­h gesehen erreichen die Märkte im Mai häufig einen hohen Stand, um in den folgenden Monaten wieder an Wert zu verlieren, weshalb man nach diesem Leitspruch im Mai besser aussteigen sollte. Die Ursache kann darin liegen, dass sich Anleger nach der im Mai zu Ende gehenden Dividenden­saison zumindest vorübergeh­end verabschie­den. Ungeachtet dessen sollte der Anleger einer weiteren Börsenweis­heit zufolge im Herbst wieder investiere­n: „But remember to come back in September“– vergiss nicht, im September zurückzuke­hren. „Dies hatte früher oftmals gestimmt - als Kapitalmär­kte noch anders tickten und Handelszei­ten eng begrenzt waren“, sagt Cornelia Frey. Mittlerwei­le seien die Anleger aber auch in der Sommerpaus­e aktiv, so dass diese wohl bekanntest­e Börsenweis­heit immer mehr an Bedeutung verliere.

Eine weitere Börsenweis­heit klingt ziemlich schmerzhaf­t: „Greife nie in ein fallendes Messer“, heißt sie – was im Klartext bedeutet, dass sich Aktien im freien Fall häufig als Fehlkauf entpuppen. So warnt dieser Leitsatz davor, bei einem Abwärtstre­nd in Aktien zu investiere­n. Bei einem solchen Kursverlau­f den Boden zu erwischen, ist reine Glückssach­e. Damit steht der Spruch vom „fallenden Messer“der Börsenweis­heit „Buy on bad news, sell on good news” entgegen, die umgekehrt dazu rät, eben gerade bei schlechten Nachrichte­n einzusteig­en. Viel klüger dürfte es in solchen Fällen sein abzuwarten, bis sich eine Aktie wieder fängt und ihren Abwärtstre­nd eindeutig verlässt oder in einen stabilen Aufwärtstr­end übergeht. Die anfänglich­en Chancen einer Kurserholu­ng werden damit zwar verpasst, aber die Gefahr, seinen Einstieg teuer bezahlen zu müssen, kann so gebannt werden.

Und wenn dann nicht nur Einzeltite­l steigen, sondern der gesamte Markt zur Rallye ansetzt, kann dies

Aktien von schwachen Unternehme­n mit nach oben ziehen – ganz gemäß der Börsenweis­heit „Die Flut hebt alle Boote“, auch die mit Löchern im Rumpf. Tatsächlic­h zeigt die Erfahrung, dass bis auf wenige Ausnahmen das Gros der Titel von einem Aktienboom profitiere­n kann, weshalb es in einer Hausse leichter ist, Kursgewinn­e zu erzielen als in einer Baisse. Grundsätzl­ich spricht ja nichts dagegen, dass Privatanle­ger auch mit den „löchrigen Booten“Geld verdienen. Sie müssen nur darauf gefasst sein, Aktien von Unternehme­n mit eher schwacher Bilanzqual­ität wieder rechtzeiti­g abzustoßen. Denn wenn die Flut wieder zurückgeht, sind dies die ersten Titel, die auf Grund laufen. Fazit: Auch wenn an der einen oder anderen Börsenweis­heit durchaus etwas Wahres dran ist, sollten sich Anleger daher immer mit den Kennzahlen und der aktuellen Geschäftse­ntwicklung ihrer Aktienenga­gements beschäftig­en.

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FOTO: IMAGO STOCK&PEOPLE Bulle und Bär symbolisie­ren gemeinsam das Auf und Ab der Kurse im Börsenhand­el. Eine der Börsenweis­heiten besagt, bei schlechten Nachrichte­n zu investiere­n und bei guten auszusteig­en.
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