Bauernregeln für Börsianer
Was die in der Investorengemeinschaft kursierenden Weisheiten taugen
- Was für die Landwirtschaft die Bauernregeln sind, sind für die Finanzmärkte die Börsenweisheiten. Aus langjährigen Erfahrungswerten glaubt man Regeln ableiten zu können, die sich in einem einzigen Leitsatz ausdrücken lassen. „The trend is your friend“lautet eine der bekanntesten dieser Weisheiten, also der Trend ist dein Freund. Demnach gilt es dann auf bestimmte Aktien zu setzen, wenn sich dafür ein langfristiger Trend nach oben herausgebildet hat. Aktien, die in der Vergangenheit gestiegen sind, so die Annahme, werden auch in Zukunft weiter ansteigen. „Trendfolger“verpassen allerdings den günstigsten Einstiegszeitpunkt, sondern nehmen lediglich die mittlere Phase mit. Sie vertrauen zudem darauf, dass die Märkte nicht allzu schwankungsanfällig sind. Die Börsen reagieren zwar schnell auf Neuigkeiten, erfahrungsgemäß finden die großen Veränderungen aber über längere Zeiträume statt.
Trendfolger verhalten sich konträr zu einer anderen Börsenweisheit, die besagt, man soll bei schlechten Nachrichten kaufen und bei guten verkaufen („Buy on bad news, sell on good news”). Das Kalkül dahinter: Gibt es zu einer Aktie schlechte Nachrichten, fällt in der Regel der
Kurs, weshalb das Papier günstig eingekauft werden kann. Es kann allerdings durchaus sein, dass das Unternehmen etwa in einer Schieflage ist, so dass die Kurse noch weiter fallen.
„Die Börsenweisheiten können also mal passen oder eben auch nicht“, sagt Cornelia Frey, TV-Expertin der Börse Stuttgart – was auch für das Motto „Sell in May and go away“gilt – also, verkaufe im Mai und meide dann die Börse. Statistisch gesehen erreichen die Märkte im Mai häufig einen hohen Stand, um in den folgenden Monaten wieder an Wert zu verlieren, weshalb man nach diesem Leitspruch im Mai besser aussteigen sollte. Die Ursache kann darin liegen, dass sich Anleger nach der im Mai zu Ende gehenden Dividendensaison zumindest vorübergehend verabschieden. Ungeachtet dessen sollte der Anleger einer weiteren Börsenweisheit zufolge im Herbst wieder investieren: „But remember to come back in September“– vergiss nicht, im September zurückzukehren. „Dies hatte früher oftmals gestimmt - als Kapitalmärkte noch anders tickten und Handelszeiten eng begrenzt waren“, sagt Cornelia Frey. Mittlerweile seien die Anleger aber auch in der Sommerpause aktiv, so dass diese wohl bekannteste Börsenweisheit immer mehr an Bedeutung verliere.
Eine weitere Börsenweisheit klingt ziemlich schmerzhaft: „Greife nie in ein fallendes Messer“, heißt sie – was im Klartext bedeutet, dass sich Aktien im freien Fall häufig als Fehlkauf entpuppen. So warnt dieser Leitsatz davor, bei einem Abwärtstrend in Aktien zu investieren. Bei einem solchen Kursverlauf den Boden zu erwischen, ist reine Glückssache. Damit steht der Spruch vom „fallenden Messer“der Börsenweisheit „Buy on bad news, sell on good news” entgegen, die umgekehrt dazu rät, eben gerade bei schlechten Nachrichten einzusteigen. Viel klüger dürfte es in solchen Fällen sein abzuwarten, bis sich eine Aktie wieder fängt und ihren Abwärtstrend eindeutig verlässt oder in einen stabilen Aufwärtstrend übergeht. Die anfänglichen Chancen einer Kurserholung werden damit zwar verpasst, aber die Gefahr, seinen Einstieg teuer bezahlen zu müssen, kann so gebannt werden.
Und wenn dann nicht nur Einzeltitel steigen, sondern der gesamte Markt zur Rallye ansetzt, kann dies
Aktien von schwachen Unternehmen mit nach oben ziehen – ganz gemäß der Börsenweisheit „Die Flut hebt alle Boote“, auch die mit Löchern im Rumpf. Tatsächlich zeigt die Erfahrung, dass bis auf wenige Ausnahmen das Gros der Titel von einem Aktienboom profitieren kann, weshalb es in einer Hausse leichter ist, Kursgewinne zu erzielen als in einer Baisse. Grundsätzlich spricht ja nichts dagegen, dass Privatanleger auch mit den „löchrigen Booten“Geld verdienen. Sie müssen nur darauf gefasst sein, Aktien von Unternehmen mit eher schwacher Bilanzqualität wieder rechtzeitig abzustoßen. Denn wenn die Flut wieder zurückgeht, sind dies die ersten Titel, die auf Grund laufen. Fazit: Auch wenn an der einen oder anderen Börsenweisheit durchaus etwas Wahres dran ist, sollten sich Anleger daher immer mit den Kennzahlen und der aktuellen Geschäftsentwicklung ihrer Aktienengagements beschäftigen.