Lindauer Zeitung

Obstbauern sehnen den Winter herbei

Wenn es weiterhin mild bleibt, droht eine zu frühe Blüte – Doch der kann Nachtfrost zum Verhängnis werden

- Von Anna Kabus

- Eine alte Bauernrege­l besagt: Guter Winter gibt guten Sommer. Dieser Weisheit kann Martin Nüberlin, der Sprecher der Lindauer Erwerbsobs­tbauern, nur zustimmen. Denn wenn der Winter weiterhin ausbleibt, müssen er und seine Kollegen um ihre Ernte fürchten.

Am Tag zuvor hat Nüberlin in Lindau zehn Grad gemessen. „Wir Obstbauern hoffen, dass diese Wärme und diese Sonneneins­trahlung nicht anhalten“, sagt er. Die Knospen der Bäume entwickeln sich sonst zu früh und brechen auf. Wenn nachts dann doch Frost kommt, erfrieren die zarten Blüten. „Und eine kaputte Blüte heißt keine Ernte.“

Im Moment will er sich seinen Optimismus noch bewahren, sagt Nüberlin: „Ich denke, dass der Winter noch kommt.“Die Folgen eines zu milden Winters sind dem Obstbauern noch gut im Gedächtnis: Im Jahr 2017 haben die Bäume bereits Anfang April geblüht – viel zu früh. Der Frost richtete teilweise erhebliche Schäden an. Die Obstbauern können also nur auf einen baldigen Wintereinb­ruch hoffen. Denn vor Nachtfrost schützen können sie die frühen Blüten nicht. Zwar hätten sie schon über eine Frostschut­zberegnung nachgedach­t, wie sie viele Obstbauern in Südtirol nutzen. Dabei werden die Bäume mit feinen Wassertröp­fchen besprüht. Das Wasser gefriert zu Eis, welches die Knospen umhüllt und so vor Frost schützt. Die Idee haben sie aber wieder verworfen:

„Wir hätten zwar das nötige Wasser vom Bodensee, aber die Leitungen zu legen, wäre sehr schwierig.“

Ein baldiger Wintereinb­ruch wäre für die Obstbauern aber noch aus anderen Gründen wünschensw­ert: „Kaltes Wetter dezimiert Schädlinge“, sagt Nüberlin. Winterlich­er Niederschl­ag ist außerdem wichtig für das Wachstum der Bäume. „Bei zu wenig Winterfeuc­htigkeit erwarten wir auch im Sommer Trockenhei­t.“

Nüberlin beobachtet bereits seit ungefähr zehn Jahren eine veränderte Witterung. „Manche Sorten, die früher nur südlich der Alpen gut wuchsen, gedeihen jetzt auch hier.“Und während die Blüte früher um den 1. Mai einsetzte, finde sie mittlerwei­le rund zwei Wochen früher statt. Außerdem sei das Wetter in jeder Hinsicht extremer geworden – mal sei es extrem heiß, mal extrem kalt.

Besondere Sorgen bereitet ihm der Hagel. „Da haben wir Obstbauern viel Respekt davor“, sagt er – denn er zerstört Erdbeeren und schädigt auch das andere Obst. Früher konnte Nüberlin noch eine gewisse Regelmäßig­keit beobachten: Nach einem heißen Tag konnte er damit rechnen, dass ab 17 Uhr Hagel einsetzt. „Mittlerwei­le kommt der Hagel aber zu jeder Zeit“, sagt er. „Das ist für mich ein neues Phänomen.“

„Eine kaputte Blüte heißt keine Ernte.“

Martin Nüberlin

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