Der scheue Biber zeigt sich nur ungern
Spitz angenagte Baumstümpfe als „Markenzeichen“– Zahl der Tiere im Kreis unklar
- Spitz angenagte Bäume und sorgsam zusammengetragene Staudämme sind seit rund zehn Jahren ein vertrautes Bild im Bodenseekreis. Der europäische Biber wanderte die Donau entlang über Sigmaringen weiter bis nach Neu-Ulm, zum Argental und dem Bodensee. Hauptsächlich haben sich die Biber an den größeren Gewässern breitgemacht, und auf dem Weg dorthin hat sie kein Hindernis aufgehalten. Wie viele Biber sich am Bodensee angesiedelt haben, bleibt ihr Geheimnis: Die genaue Zahl der scheuen Tiere ist nicht zu ermitteln, bedauert der Biberbeauftragte des Bodenseekreises, Dieter Schmid.
Kaum einer sieht ihn. Oder hat ihn jemals gesehen. Es ist, als ob er gar nicht da wäre, und doch entdecken immer mehr Spaziergänger seine Hinterlassenschaften, jüngst in Oberdorf und Fischbach. „Seien es Staudämme, Fußspuren im Schlamm oder abgenagte Bäume“, zählt Dieter Schmid auf, Kreisökologe und Biberbeauftragter im Bodenseekreis. Der nachtaktive Biber ist ein wahrer Meister im Verstecken. Denn durch seinen selbst geschaffenen Lebensraum ist er gut geschützt vor sämtlichen Fressfeinden oder ungewollten Beobachtern. Diese Feinde, wie Greifvögel, Hechte oder Füchse, stellen aber nur für die Jungtiere eine Gefahr dar. Es gibt momentan sonst keine weitere wildlebende Tierart, die dem Biber gefährlich werden könnte. Ab und an könne es vorkommen, dass Hunde Biber angreifen und verletzen – oder umgekehrt. Schmid: „Es gab tatsächlich auch schon Vorfälle, bei denen Hunde von Bibern angegriffen wurden, weil sie ihren Nachwuchs beschützen wollten.“Deswegen sei es besser, seine Hunde nicht frei an Gewässern laufen zu lassen.
Es ist jedoch nicht die Regel, sondern bleibt eine Ausnahme, dass Biber und Hunde aneinandergeraten. Denn Biber sind tagsüber kaum bis gar nicht zu sehen. „Deswegen kann man auch einen genauen Bestand nicht feststellen“, sagt Schmid. „Er vermehrt sich relativ unbemerkt.“Im Jahr kommen ungefähr zwei bis vier Jungtiere zur Welt. Biber können bis zu 14 Jahre alt werden. Nach der dritten Generation müssen die älteren Biber dann weichen und Platz machen. Schmid erläutert: „So müssen die Älteren sich ein neues Revier suchen, denn die Familiengröße ist begrenzt.“Geschieht dies nicht, komme es oft zum Kampf, dabei sterben viele Tiere. Klingt brutal, doch durch dieses territoriale Verhalten reguliere sich die Population selbst.
Entschließen sich die Älteren doch dazu, sich ein neues Terrain zu suchen, wandern sie so lange, bis die Grenze des alten Reviers erreicht ist. „Ist nicht direkt angrenzend ein neues Revier frei, laufen sie eben weiter, bis etwas Passendes gefunden wird“, erklärt Schmid. Dabei können oder müssen teilweise auch Straßen überquert werden. Dann kommt es nicht selten zu Verkehrsunfällen mit Bibern. Demnach sollten Autofahrer nachts nicht nur auf herumlungernde Rehe und Füchse achten, sondern auch auf streunende Biber.
Die Jüngeren gestalten ihren Lebensraum so um, dass er für sie am wohnlichsten ist, und vergrößern gleichzeitig ihr Revier, das von einem bis zu sechs oder sieben Kilometer weit reichen kann. „Dieses verteidigt er natürlich aufs Äußerste, sodass es auch hier oft mehrere tote Tiere geben kann“, erklärt Schmid. Ansonsten sind sie relativ friedliebende Gesellen. Solange sie genug an Stauden, Büschen und Kräutern zu fressen finden, müssen sie nicht mal unbedingt Bäume fällen. In Gegenden mit größeren Gewässern, die von naturnahem Bewuchs umgeben sind, fallen Biber so gut wie nicht auf. Kaum ein Besucher bemerke dann, dass er sich gerade mitten in einem Biberterritorium befindet.
Der Biber wird erst dann richtig wahrgenommen, wenn er einen Bach- oder Flusslauf unterbricht, Eigentum auf Privatgrundstücken beschädigt oder Obstbäume in Plantagen zernagt. Dann ist der Biberbeauftragte gefragt. „Bei uns gehen durchaus immer mal wieder Meldungen zu Problemen mit Aufstau oder angeknabberten Bäumen ein“, sagt Schmid. Bei der Suche nach Lösungen schauen die Biberbeauftragten vor Ort erst mal nach dem Wohl der Biber. Sie stehen schließlich unter Schutz. Dann folge eine intensive Beratung, gegebenenfalls noch vor Ort, wie man mit dem Vorfall umgeht.
Entschädigungen für Eigentümer gibt es nicht. Dafür aber stehen Zäune, Pflöcke oder weiteres Material zur Einfriedung von Grundstücken kostenlos beim Landratsamt zur Verfügung. Schmid erläutert: „Betroffene können, ohne vorher eine Genehmigung beantragen zu müssen, Material abholen. Soviel wie nötig, um den Biber zurückzuhalten.“So helfen niedrige Elektrozäune oft schon um den Biber abzuwehren. Lässt sich der Biber nicht abschrecken und richtet weiter Schaden an, werden die Tiere teilweise eingefangen und an einem anderen Ort wieder ausgesetzt. „Dies kam in unserer Region aber noch nie vor“, berichtet Schmid. Sollte dennoch irgendwann ein solcher Fall passieren, heißt es vermutlich erst mal auf der Lauer liegen, denn Biber zieren sich ja sehr gerne vor Besuchern.