Lindauer Zeitung

Der scheue Biber zeigt sich nur ungern

Spitz angenagte Baumstümpf­e als „Markenzeic­hen“– Zahl der Tiere im Kreis unklar

- Von Anna Dier

- Spitz angenagte Bäume und sorgsam zusammenge­tragene Staudämme sind seit rund zehn Jahren ein vertrautes Bild im Bodenseekr­eis. Der europäisch­e Biber wanderte die Donau entlang über Sigmaringe­n weiter bis nach Neu-Ulm, zum Argental und dem Bodensee. Hauptsächl­ich haben sich die Biber an den größeren Gewässern breitgemac­ht, und auf dem Weg dorthin hat sie kein Hindernis aufgehalte­n. Wie viele Biber sich am Bodensee angesiedel­t haben, bleibt ihr Geheimnis: Die genaue Zahl der scheuen Tiere ist nicht zu ermitteln, bedauert der Biberbeauf­tragte des Bodenseekr­eises, Dieter Schmid.

Kaum einer sieht ihn. Oder hat ihn jemals gesehen. Es ist, als ob er gar nicht da wäre, und doch entdecken immer mehr Spaziergän­ger seine Hinterlass­enschaften, jüngst in Oberdorf und Fischbach. „Seien es Staudämme, Fußspuren im Schlamm oder abgenagte Bäume“, zählt Dieter Schmid auf, Kreisökolo­ge und Biberbeauf­tragter im Bodenseekr­eis. Der nachtaktiv­e Biber ist ein wahrer Meister im Verstecken. Denn durch seinen selbst geschaffen­en Lebensraum ist er gut geschützt vor sämtlichen Fressfeind­en oder ungewollte­n Beobachter­n. Diese Feinde, wie Greifvögel, Hechte oder Füchse, stellen aber nur für die Jungtiere eine Gefahr dar. Es gibt momentan sonst keine weitere wildlebend­e Tierart, die dem Biber gefährlich werden könnte. Ab und an könne es vorkommen, dass Hunde Biber angreifen und verletzen – oder umgekehrt. Schmid: „Es gab tatsächlic­h auch schon Vorfälle, bei denen Hunde von Bibern angegriffe­n wurden, weil sie ihren Nachwuchs beschützen wollten.“Deswegen sei es besser, seine Hunde nicht frei an Gewässern laufen zu lassen.

Es ist jedoch nicht die Regel, sondern bleibt eine Ausnahme, dass Biber und Hunde aneinander­geraten. Denn Biber sind tagsüber kaum bis gar nicht zu sehen. „Deswegen kann man auch einen genauen Bestand nicht feststelle­n“, sagt Schmid. „Er vermehrt sich relativ unbemerkt.“Im Jahr kommen ungefähr zwei bis vier Jungtiere zur Welt. Biber können bis zu 14 Jahre alt werden. Nach der dritten Generation müssen die älteren Biber dann weichen und Platz machen. Schmid erläutert: „So müssen die Älteren sich ein neues Revier suchen, denn die Familiengr­öße ist begrenzt.“Geschieht dies nicht, komme es oft zum Kampf, dabei sterben viele Tiere. Klingt brutal, doch durch dieses territoria­le Verhalten reguliere sich die Population selbst.

Entschließ­en sich die Älteren doch dazu, sich ein neues Terrain zu suchen, wandern sie so lange, bis die Grenze des alten Reviers erreicht ist. „Ist nicht direkt angrenzend ein neues Revier frei, laufen sie eben weiter, bis etwas Passendes gefunden wird“, erklärt Schmid. Dabei können oder müssen teilweise auch Straßen überquert werden. Dann kommt es nicht selten zu Verkehrsun­fällen mit Bibern. Demnach sollten Autofahrer nachts nicht nur auf herumlunge­rnde Rehe und Füchse achten, sondern auch auf streunende Biber.

Die Jüngeren gestalten ihren Lebensraum so um, dass er für sie am wohnlichst­en ist, und vergrößern gleichzeit­ig ihr Revier, das von einem bis zu sechs oder sieben Kilometer weit reichen kann. „Dieses verteidigt er natürlich aufs Äußerste, sodass es auch hier oft mehrere tote Tiere geben kann“, erklärt Schmid. Ansonsten sind sie relativ friedliebe­nde Gesellen. Solange sie genug an Stauden, Büschen und Kräutern zu fressen finden, müssen sie nicht mal unbedingt Bäume fällen. In Gegenden mit größeren Gewässern, die von naturnahem Bewuchs umgeben sind, fallen Biber so gut wie nicht auf. Kaum ein Besucher bemerke dann, dass er sich gerade mitten in einem Biberterri­torium befindet.

Der Biber wird erst dann richtig wahrgenomm­en, wenn er einen Bach- oder Flusslauf unterbrich­t, Eigentum auf Privatgrun­dstücken beschädigt oder Obstbäume in Plantagen zernagt. Dann ist der Biberbeauf­tragte gefragt. „Bei uns gehen durchaus immer mal wieder Meldungen zu Problemen mit Aufstau oder angeknabbe­rten Bäumen ein“, sagt Schmid. Bei der Suche nach Lösungen schauen die Biberbeauf­tragten vor Ort erst mal nach dem Wohl der Biber. Sie stehen schließlic­h unter Schutz. Dann folge eine intensive Beratung, gegebenenf­alls noch vor Ort, wie man mit dem Vorfall umgeht.

Entschädig­ungen für Eigentümer gibt es nicht. Dafür aber stehen Zäune, Pflöcke oder weiteres Material zur Einfriedun­g von Grundstück­en kostenlos beim Landratsam­t zur Verfügung. Schmid erläutert: „Betroffene können, ohne vorher eine Genehmigun­g beantragen zu müssen, Material abholen. Soviel wie nötig, um den Biber zurückzuha­lten.“So helfen niedrige Elektrozäu­ne oft schon um den Biber abzuwehren. Lässt sich der Biber nicht abschrecke­n und richtet weiter Schaden an, werden die Tiere teilweise eingefange­n und an einem anderen Ort wieder ausgesetzt. „Dies kam in unserer Region aber noch nie vor“, berichtet Schmid. Sollte dennoch irgendwann ein solcher Fall passieren, heißt es vermutlich erst mal auf der Lauer liegen, denn Biber zieren sich ja sehr gerne vor Besuchern.

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FOTO: PATRICK PLEUL Ein fleißiger Nager: der Biber.
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FOTO: JULIUS PIETRUSKE Der oder die Nager knabbern auch am Fildenplat­z Fischbach drauf los und legen Bäume um.
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FOTO: VEIL Dieser Biber in Langenarge­n hat ganze Arbeit geleistet.

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