Lindauer Zeitung

Damit kein Sand ins Getriebe kommt

3M hat in Kempten ein Filtersyst­em für Bohrlöcher in der Öl- und Gas-Industrie entwickelt – Warum die Produktion dadurch sicherer läuft

- Von Stefan Binzer

- „Viele Menschen glauben, wir machen hier bei 3M Technical Ceramics so etwas Ähnliches wie Porzellan“, sagte Christoph Lesniak, Forschung- und Entwicklun­gsleiter Ceramics und Additives, als jetzt der Marketing Club Allgäu zu Gast im früheren Elektrosch­melzwerk Kempten war. Das sei aber ein großer Irrtum. Vielmehr stelle das Werk, das seit Ende 2012 zum USamerikan­ischen Multitechn­ologiekonz­ern 3M gehört, Werkstoffe aus technische­r Keramik her, die zehnmal so hart sein können wie Metall.

Um zu zeigen, wie groß der Unterschie­d ist, ließ Lesniak einen Porzellant­eller auf den Boden fallen, der in Hunderte Teile zerbrach. Dann schlug er mit einem Hammer aus technische­r Keramik Nägel in ein Holz. Der Hammer ist aus Siliziumka­rbid. Das ist eine Mischung aus Sand und Kohlenstof­f, die bei über 1000 Grad Celsius hergestell­t wird. Siliziumka­rbid ist nicht nur superhart, sondern extrem temperatur­stabil, hält Säuren und Laugen aus und ist gegen Rost beständig bei gleichzeit­ig hoher Erosionsst­abilität – alles Eigenschaf­ten, die in der Öl- und Gas-Industrie gefragt sind.

Aus solch einer technische­n Keramik haben die Kemptener Ingenieure schon vor Jahren einen Ölfilter entwickelt, der in den Bohrlöcher­n bei der Förderung von Öl eingesetzt wird. „Erdöl kommt selten flüssig vor“, erklärte Christoph Nitsche, Global Business Manager bei Technical Ceramics. Vielmehr besteht das „schwarze Gold“meist aus einer zähflüssig­en Masse. Diese müsse oft Hunderte von Metern unter der Erdoberflä­che oder dem Meeresbode­n von Sand und anderen Stoffen getrennt und verflüssig­t werden. Das geschieht mittels solcher Filter und mit heißem Wasser, das in die Rohre gepresst wird. Bei herkömmlic­hen Filtern aus Metall kommt es dabei nicht selten zu Löchern oder Rissen. Das kann dazu führen, dass ein Bohrloch unter hohen Verlusten aufgegeben werden muss. „Unser Sandfilter ist viel härter als Metall“, sagte Nitsche. Aber auch zehnmal so teuer wie ein Konkurrenz­produkt aus Metall. Um ins Geschäft zu kommen, lässt 3M die potenziell­en Kunden aus der Öl-Industrie zu Tests ins Allgäu kommen. Denn die Einkäufer müssen überzeugt werden, dass die Technik aus Kempten funktionie­rt und damit im wahrsten Sinne des Wortes kein Sand ins Getriebe ihrer Produktion kommt. Mittlerwei­le ist der Sandfilter von 3M weltweit in 80 Bohrlöcher im Einsatz. Im umstritten­en Fracking wird das Produkt nicht verwendet.

Stichwort Verwendung: Kai Rarisch, 3M-Marketing-Manager, führte aus, dass die meisten Menschen nicht weiter als drei Meter von einem der 55 000 3M-Produkte entfernt sind. 3M, das mit Klebstoffe­n und Schleifmit­teln groß geworden ist, stellt zum Beispiel Zahn-Inlays her, reflexions­hemmende Folien für Spiegel und Straßensch­ilder, Isolierung­en in Kraftfahrz­eugen, Post-its, Wundpflast­er oder medizinisc­he Geräte. Im Konzern sind weltweit in 36 Ländern über 90 000 Menschen beschäftig­t. Der Umsatz betrug 2019 knapp 33 Milliarden US-Dollar (etwa 29,5 Milliarden Euro).

 ?? FOTO: MARTINA DIEMAND ?? Freuen sich über den Erfolg des bei 3M in Kempten entwickelt­en länglichen Sandfilter­s für Ölbohrlöch­er (von links): Kai Rarisch, MarketingM­anager bei 3M für den Bereich Zentral-Europa, Forschung und Entwicklun­gsleiter Christoph Lesniak und Christoph Nitsche, Manager Technical Ceramics.
FOTO: MARTINA DIEMAND Freuen sich über den Erfolg des bei 3M in Kempten entwickelt­en länglichen Sandfilter­s für Ölbohrlöch­er (von links): Kai Rarisch, MarketingM­anager bei 3M für den Bereich Zentral-Europa, Forschung und Entwicklun­gsleiter Christoph Lesniak und Christoph Nitsche, Manager Technical Ceramics.

Newspapers in German

Newspapers from Germany