Damit kein Sand ins Getriebe kommt
3M hat in Kempten ein Filtersystem für Bohrlöcher in der Öl- und Gas-Industrie entwickelt – Warum die Produktion dadurch sicherer läuft
- „Viele Menschen glauben, wir machen hier bei 3M Technical Ceramics so etwas Ähnliches wie Porzellan“, sagte Christoph Lesniak, Forschung- und Entwicklungsleiter Ceramics und Additives, als jetzt der Marketing Club Allgäu zu Gast im früheren Elektroschmelzwerk Kempten war. Das sei aber ein großer Irrtum. Vielmehr stelle das Werk, das seit Ende 2012 zum USamerikanischen Multitechnologiekonzern 3M gehört, Werkstoffe aus technischer Keramik her, die zehnmal so hart sein können wie Metall.
Um zu zeigen, wie groß der Unterschied ist, ließ Lesniak einen Porzellanteller auf den Boden fallen, der in Hunderte Teile zerbrach. Dann schlug er mit einem Hammer aus technischer Keramik Nägel in ein Holz. Der Hammer ist aus Siliziumkarbid. Das ist eine Mischung aus Sand und Kohlenstoff, die bei über 1000 Grad Celsius hergestellt wird. Siliziumkarbid ist nicht nur superhart, sondern extrem temperaturstabil, hält Säuren und Laugen aus und ist gegen Rost beständig bei gleichzeitig hoher Erosionsstabilität – alles Eigenschaften, die in der Öl- und Gas-Industrie gefragt sind.
Aus solch einer technischen Keramik haben die Kemptener Ingenieure schon vor Jahren einen Ölfilter entwickelt, der in den Bohrlöchern bei der Förderung von Öl eingesetzt wird. „Erdöl kommt selten flüssig vor“, erklärte Christoph Nitsche, Global Business Manager bei Technical Ceramics. Vielmehr besteht das „schwarze Gold“meist aus einer zähflüssigen Masse. Diese müsse oft Hunderte von Metern unter der Erdoberfläche oder dem Meeresboden von Sand und anderen Stoffen getrennt und verflüssigt werden. Das geschieht mittels solcher Filter und mit heißem Wasser, das in die Rohre gepresst wird. Bei herkömmlichen Filtern aus Metall kommt es dabei nicht selten zu Löchern oder Rissen. Das kann dazu führen, dass ein Bohrloch unter hohen Verlusten aufgegeben werden muss. „Unser Sandfilter ist viel härter als Metall“, sagte Nitsche. Aber auch zehnmal so teuer wie ein Konkurrenzprodukt aus Metall. Um ins Geschäft zu kommen, lässt 3M die potenziellen Kunden aus der Öl-Industrie zu Tests ins Allgäu kommen. Denn die Einkäufer müssen überzeugt werden, dass die Technik aus Kempten funktioniert und damit im wahrsten Sinne des Wortes kein Sand ins Getriebe ihrer Produktion kommt. Mittlerweile ist der Sandfilter von 3M weltweit in 80 Bohrlöcher im Einsatz. Im umstrittenen Fracking wird das Produkt nicht verwendet.
Stichwort Verwendung: Kai Rarisch, 3M-Marketing-Manager, führte aus, dass die meisten Menschen nicht weiter als drei Meter von einem der 55 000 3M-Produkte entfernt sind. 3M, das mit Klebstoffen und Schleifmitteln groß geworden ist, stellt zum Beispiel Zahn-Inlays her, reflexionshemmende Folien für Spiegel und Straßenschilder, Isolierungen in Kraftfahrzeugen, Post-its, Wundpflaster oder medizinische Geräte. Im Konzern sind weltweit in 36 Ländern über 90 000 Menschen beschäftigt. Der Umsatz betrug 2019 knapp 33 Milliarden US-Dollar (etwa 29,5 Milliarden Euro).