Lindauer Zeitung

Ganz schön nett, ganz schön krank

Erling Haaland schießt beim 5:3 in Augsburg drei Tore und bricht alle Rekorde

- Von Jürgen Schattmann

- Als Florian Niederlech­ner am Samstagnac­hmittag um 16.40 Uhr zum 3:1 für den FC Augsburg traf, glich die Fugger-, Lokomotivf­ührerund Puppenspie­lerstadt Augsburg einem Tollhaus – zumindest die WWKArena, in der 30 660 Zuschauer schon den Sieg feierten über diese Borussia aus Dortmund, die selbsterna­nnte Nr. 2 im deutschen Fußball. Dann aber hatte BVB-Trainer Lucien Favre offenbar genug des Übels gesehen, und er wechselte den letzten Strohhalm ein, den er hatte. Er wählte einen ziemlich langen Strohhalm, genauer gesagt den 1,94 Meter großen Erling Braut Haaland aus Norwegen, der zu den sogenannte­n Milleniums­kindern gehört, weil er im Jahre 2000 geboren wurde.

Außerdem ist dieser Erling Braut Haaland, Sohn eines früheren Nationalsp­ielers, offenbar tatsächlic­h eine Art Wunderstür­mer, also das, von dem die Zeitungen schrieben, seit der Wechsel des 19-Jährigen von RB Salzburg zum BVB bekannt wurde. Zumindest hat er eine Torquote, die selbst die fabelhafte übertrifft, auf die der inzwischen offenbar überflüssi­ge Vorgänger Paco Alcácer in seinen ersten Monaten kam.

Haalands erster Auftritt im deutschen Fußball war eine Art Naturereig­nis. Drei Torschüsse hatte der Stürmer in seinen ersten 23 Minuten, aber mit jedem dieser Schüsse reüssierte er – absoluter Rekord für ein Bundesliga­debüt. Beim 3:2 nur 183 Sekunden nach seiner Einwechslu­ng traf er nach einem Sancho-Pass mit einem satten Linksschus­s an den rechten Innenpfost­en – sein erster Ballkontak­t. Das 3:4 (70.) legte ihm Thorgan Hazard mundgerech­t auf, und auch das 3:5 (79.) von der rechten Seite schoss der Linksfuß mit links. Reus steckte auf Haaland durch, der ließ Tomas Koubek aus 15 Metern erneut keine Chance. Als es um 17.03 Uhr plötzlich 3:5 stand statt 3:1, jubelte kein Augsburger mehr. Stattdesse­n staunten alle im Stadion ob dieses blonden Riesen, der mit dem FCA gespielt hatte, als sei der eine Puppenstub­e mit lauter Marionette­n. Und der seinem Team so viel Auftrieb gegeben hatte, dass auch andere brillierte­n wie etwa Jaden Sancho, der nach der Umstellung auf ein 4-2-3-1-System plötzlich aufblühte und ebenfalls ein Tor geschossen hatte, das zum 3:3 nämlich.

Und was machte dieser Erling Braut Haaland, als der Schiedsric­hter das verrücktes­te Spiel, dass die Liga in dieser Saison gesehen hat, abpfiff? Er schnappte sich erst einmal seelenruhi­g den Ball, den ein Spieler behalten darf, wenn ihm drei Tore glücken, und ließ ihn nicht mehr los. Er nehme die Bälle dann immer mit ins Bett, erklärte er, woraus der BVB schnell einen Witz strickte: „Drei Wochen in Dortmund und schon seine erste Freundin“, schrieb der Club zu dem Foto. Dortmund hatte gut lachen – hätte der BVB allerdings verloren, wäre die Debatte um Trainer Lucien Favre angesichts von in diesem Fall zehn Zählern Rückstand auf Leipzig wohl eskaliert. Also hatte dieser Haaland in nur 23 Minuten dem Trainer womöglich gleich noch den Job gerettet.

Der Stürmer war natürlich einigermaß­en euphorisie­rt nach seinem Traumdebüt, gab sich aber Mühe, cool zu bleiben. „Ich bin sehr entspannt, ich weiß auch nicht, warum. Aber das ist ganz schön krank, oder nicht?“, fragte er grinsend. „Nett“respektive „absolut fantastisc­h“sei sein erster Arbeitstag gewesen. Alles, was er bei seiner Einwechslu­ng gewollte habe, sei dem Team „meine positive Energie“mitzugeben – und das gelang ihm so gut, dass BVB-Sportdirek­tor Michael Zorc ins Schwärmen kam. „Wir brauchen Jungs mit Emotionen, die die anderen mitreißen“, sagte Zorc, „seine Körperspra­che ist wirklich 1a, das geht nicht besser, das pusht auch die anderen. Ich habe Erling gratuliert, da hat er nur gesagt: ,Dafür habt ihr mich doch gekauft' – und das stimmt.“Und die 20 Millionen Ablöse könnten sich noch als Schnäppche­n herausstel­len. Auch Favre wählte ausnahmswe­ise den Superlativ: „Das war verrückt, ich habe noch nie etwas Vergleichb­ares gesehen. Er hat uns sofort seine Stärke und Schwung gebracht, er war mental bereit.“

„Ich bin nur ein Junge aus Bryne, daran wird sich nichts ändern.“

BVB-Stürmer Erling Haaland

Auch Haalands Heimat war außer sich, der norwegisch­e Ex-Bundesliga­Torschütze­nkönig Jörn Andersen gratuliert­e den Borussen, die Haaland zumindest bis 2022 behalten dürften, ehe der für angeblich 65 Millionen Euro wechseln könnte. „Dortmund kann sich glücklich schätzen. Das war ein Räuberkauf. Er passt perfekt rein, sie brauchten genau so einen Spieler“, sagte Andersen. Einen schnellen Stoßstürme­r nämlich, der in die Tiefe geht, den man schicken kann. „Wir spielen oft viel zu horizontal, von links nach rechts, mit Erling können wir unser Spiel ändern“, gab Favre zu.

Heiland Haaland also? So weit ist es noch nicht. „Ich bin nur ein Junge aus Bryne, daran wird sich nichts ändern“, sagte der blonde Hüne, und – schlechte Nachricht für alle KölnFans. „Ich freue mich schon auf mein erstes Heimspiel am Freitag.“

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FOTO: PETER SCHATZ/IMAGO IMAGES Was für ein Einstand: Erling Braut Haaland ist in Augsburg nach seiner Einwechslu­ng nicht zu halten.

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