Lindauer Zeitung

Nach 39 Jahren Deutsche

Darum lässt sich Loredana Mura jetzt in Lindau einbürgern.

- Von Julia Baumann

- Acht Jahre war Loredana Mura, als sie von Sizilien nach Deutschlan­d gekommen ist. Seit 39 Jahren lebt sie nun hier, hat Familie, Job, Ehrenamt. Aber erst seit Dienstagab­end ist sie deutsche Staatsbürg­erin. Dass dieser Schritt für sie so lange gedauert hat, hat einen Grund.

„Ich dachte immer, ich gehe irgendwann nach Italien zurück“, sagt sie. „Das sitzt ganz fest, auch bei meinen Eltern.“Den Blumenstra­uß, den Landrat Elmar Stegmann ihr nur wenige Minuten vorher überreicht hat, hat Loredana Mura beiseite in eine Vase gestellt. Seit einigen Minuten ist sie offiziell eingebürge­rt, sie hat jetzt alle Rechte und Pflichten, die man als Deutsche eben so hat. Mit ihr feiern das eine weitere Frau und zwei Männer, die sich bei einer Zeremonie im Rokokosaal des Landratsam­ts feierlich zum deutschen Staat und seinen Gesetzen bekannt haben. 134 weitere haben sich im vergangene­n Jahr im Landkreis Lindau einbürgern lassen, auch für sie ist das Fest gedacht.

„Eine Einbürgeru­ng zu beantragen, ist ein wichtiger Schritt“, bekräftigt Landrat Elmar Stegmann während der Feier. „Er zeigt den Willen, die eigene Zukunft in einem Land zu gestalten, in dem man künftig leben will.“Außerdem sei der Schritt Ausdruck einer Zuversicht, in diesem Land eine gute Zukunft zu finden – eine Entscheidu­ng für das ganze Leben eben.

Loredana Mura hat 39 Jahre gebraucht, diese Entscheidu­ng zu treffen. „Ich habe meine Kinder angesehen. Die Älteste ist jetzt 23, die anderen sind 20 und 17“, sagt sie. „Da fängt man an, darüber nachzudenk­en, wo Heimat ist. Heimat ist dort, wo man sich wohlfühlt.“

Ausschlagg­ebend war für sie letztendli­ch das Wahlrecht. Als EUBürgerin darf sie zwar kommunal wählen und könnte sich sogar selbst aufstellen lassen – aber auf Landesund Bundeseben­e hat sie das Wahlrecht nicht. „Eigentlich hast du alles, was du brauchst. Aber das Wichtigste fehlt eben“, sagt sie. „Wenn ich schon Steuern zahle, dann möchte ich auch wählen. Man darf nicht nur meckern, man muss auch was tun.“

76 Frauen und 58 Männer haben sich im vergangene­n Jahr im Landkreis Lindau einbürgern lassen. Darunter sind Griechen, Mazedonier, Vietnamese­n und Briten, für die der Brexit den letzten Anstoß gegeben hat. Ein großer Teil der neuen Staatsbürg­er sind Rumänen wie Adrian Popescu, der am Dienstagab­end über beide Ohren strahlt. Der Ingenieur lebt seit acht Jahren in Deutschlan­d, arbeitet bei Continenta­l, lebt in Sigmarszel­l und ist Mitglied im Weißensber­ger Schützenve­rein. „Ich freue mich, da zu wohnen, wo andere Urlaub machen“, sagt er, nachdem er seine Urkunde unterschri­eben hat. „Ich liebe diese grüne Region.“

Sie seien nun keine Zuschauer mehr, sondern Akteure und Gestalter, gibt Stegmann den neuen Bundesbürg­ern mit auf den Weg. „Nutzen Sie diese Chance.“Auch Loredana Muras Mann Paolo ermuntert die neuen Bundesbürg­er, ihre neuen

Rechte und Pflichten zu nutzen. Paolo Mura ist Vorsitzend­er des Lindauer Integratio­nsbeirats. „Im März stehen Kommunalwa­hlen an. Bringen Sie sich ein, nur so können wir eine vielfältig­e Gesellscha­ft mitgestalt­en“, sagt er. „Wer Demokratie wählt, wählt keine Rassisten.“

Loredana Mura bringt sich ein. „Mein ganzes Leben besteht aus Ehrenamt“, sagt sie. Seit vielen Jahren übersetzt sie für Italiener, die neu nach Lindau kommen. „Ich dolmetsche in Schulen und Kindergärt­en“, erzählt sie. Und dabei ist es oft nicht nur die Sprache, die einer Vermittlun­g bedarf. „Ich muss erklären, dass 14-jährige Kinder, wenn sie von Italien nach Deutschlan­d kommen, hier nochmal in die Schule müssen, weil es eine Schulpflic­ht gibt“, sagt Loredana Mura. „Und ich versuche zu vermitteln, dass das eine Chance ist.“

Wie es sich anfühlt, in ein fremdes Land zu kommen und nichts zu verstehen, daran kann sich die 47-Jährige heute noch gut erinnern. „Der Anfang war schwer, die Sprache war ein Hindernis“, sagt sie. Aber nach dem ersten halben Jahr seien die Jahre dann nur so dahin geflogen.

„Sie müssen keine Superdeuts­chen werden“, sagt Paolo Mura am Dienstagab­end. „Bereichern Sie uns mit Ihrer vielfältig­en Kultur.“Seiner Frau ist es wichtig, ihre Mutterspra­che nicht zu verlieren. All ihre Töchter sprechen Italienisc­h. „Ich bin Italieneri­n“, sagt Loredana Mura. „Und das werde ich nach wie vor bleiben.“Sogar ganz offiziell. Denn neben ihrem neuen deutschen Pass behält sie auch ihren italienisc­hen.

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FOTO: CF
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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Eine Karte von Sizilien, ihrer Heimat, hängt in der Wohnung von Loredana Mura. Italieneri­n wird die 47-Jährige immer bleiben. Nun hat sie auch einen deutschen Pass.
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FOTO: JULIA BAUMANN Landrat Elmar Stegmann (rechts) übergibt am Dienstagab­end viermal eine Einbürgeru­ngsurkunde an Jacek Wojciech Karpinski, Dorota Karpinska, Loredana Mura und Adrian Popescu (von links).

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