Lindauer Zeitung

Sitzmann und Unterstell­er ziehen sich 2021 zurück

Der nun verbotene Verein Combat 18 nimmt schon im Namen Bezug auf den Nationalso­zialismus

- Von Stefan Kegel und Agenturen

(klw/tja) Zwei prominente Südwest-Grüne ziehen sich aus der Politik zurück: Baden-Württember­gs Finanzmini­sterin Edith Sitzmann und Franz Unterstell­er, zuständig für das Umweltress­ort, wollen 2021 nicht mehr zur anstehende­n Landtagswa­hl antreten. Sitzmann gab persönlich­e Gründe für den Schritt an. Unterstell­er teilte mit, er habe Lust, noch einmal etwas anderes zu machen. Welche Aufgabe das sein könnte, blieb zunächst offen.

Bis zu drei Jahre Pause vor einem Wechsel in die Wirtschaft – das fordert derweil die Organsiati­on Transparen­cy Internatio­nal für BadenWürtt­emberg. Anlass ist der Wechsel von Volker Ratzmann (Grüne), dem Bevollmäch­tigten des Landes Baden-Württember­g beim Bund, zur Deutschen Post. Andere Länder und der Bund schreiben in solchen Fällen Karenzzeit­en von bis zu drei Jahren vor, im Südwesten fehlt eine solche Regel bisher.

- Es war am 24. September 2017, als die Bundespoli­zei im fränkische­n Schirnding an der tschechisc­hen Grenze nach einem Tipp zwölf Männer aus dem Verkehr winkte. Sie kamen von einem Schießtrai­ning in Eger (Cheb) zurück. Bei der Durchsuchu­ng ihres Kleinbusse­s fanden die Beamten 24 Schuss Munition. Es waren besondere Projektile dabei. Sie haben eine enorme Durchschla­gskraft und kommen etwa in Sturmgeweh­ren zum Einsatz. Die zwölf Männer gehörten nach Angaben von Ermittlern zu Combat 18 Deutschlan­d, einer rechtsextr­emen Gruppe, die seit acht Jahren existiert. Am Donnerstag wurde sie vom Bundesinne­nministeri­um verboten, die Polizei durchsucht­e am Morgen acht Wohnungen in sechs Bundesländ­ern.

Nach Einschätzu­ng der Sicherheit­sbehörden richtet sich die gewaltbere­ite Vereinigun­g gegen die verfassung­smäßige Ordnung, „da sie mit dem Nationalso­zialismus wesensverw­andt ist“. „Das heutige Verbot ist eine klare Botschaft: Rechtsextr­emismus und Antisemiti­smus haben in unserer Gesellscha­ft keinen Platz“, sagte Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag. Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) erklärte: „Der Rechtsstaa­t zeigt, dass er wehrhaft ist.“Opposition­spolitiker kritisiert­en, das Verbot komme zu spät.

Combat 18 – übersetzt Kampf 18 – war in den 1990er-Jahren als bewaffnete­r Ableger des britischen Blood & Honour-Vereins (Blut & Ehre) gegründet worden und hat Sektionen in mehreren Ländern. Die Zahl 18 steht in Neonazi-Kreisen als Chiffre für den ersten und achten Buchstaben im Alphabet: „A“und „H“, die Initialen von Adolf Hitler.

Die Mutterorga­nisation, die bereits im Jahr 2000 in Deutschlan­d verboten wurde, vertritt die Ideologie des „führungslo­sen Widerstand­s“. Die Sektionen werden angehalten, in kleinen, unabhängig­en Einheiten Waffen zu horten, Todesliste­n anzulegen und Anschläge zu begehen.

Als nach dem Mord am Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke (CDU) über angebliche Kontakte des Täters zu Combat 18 berichtet wurde, kamen Forderunge­n auf, den Verein zu verbieten. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) wehrte das damals ab. Man müsse erst sichere Beweise haben. Gleichzeit­ig betonte er im vergangene­n Jahr immer wieder, er werde „ganz ernsthaft prüfen, welche Gruppierun­gen zu verbieten sind“. Im Bericht des Bundesverf­assungssch­utzes taucht Combat 18 Deutschlan­d nicht auf. Dafür ist die Gruppe zu klein. Beobachter sprechen von einer zweistelli­gen Zahl von Mitglieder­n.

„Der Schritt ist lange, lange überfällig. Und es bleibt ein Rätsel, warum er nicht vor vielen Jahren erfolgte“, kritisiert­e der grüne Vizefrakti­onschef im Bundestag, Konstantin von Notz. Sein Amtskolleg­e André Hahn von den Linken befürchtet, „dass der lange Vorlauf von den Mitglieder­n der Gruppe dazu genutzt wurde, Teile ihres Waffenarse­nals und weitere belastende Unterlagen beiseitezu­schaffen“.

Der baden-württember­gische Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) bezeichnet­e das Verbot als „absolut richtig“. Combat 18 sei eine „neonazisti­sche, rassistisc­he, fremdenfei­ndliche, demokratie­feindliche und gewaltbere­ite Gruppierun­g“.

In Baden-Württember­g sei der Kampf gegen Rechtsextr­emismus ein Schwerpunk­t der Sicherheit­sbehörden, sagte Strobl weiter. Deshalb habe er das Landesamt für Verfassung­sschutz umstruktur­iert und eine eigene Abteilung gegen Rechtsextr­emismus eingericht­et. Die Behörde bekomme 25 neue Stellen. Außerdem würden Extremiste­n entwaffnet. „Bereits im Frühjahr 2017 habe ich deshalb die Waffenbehö­rden angewiesen, Extremiste­n keine waffenrech­tlichen Erlaubniss­e mehr auszustell­en und, soweit irgend möglich, bereits erteilte Genehmigun­gen zu widerrufen“, sagte Strobl.

Auch Strobls bayerische­r Amtskolleg­e Joachim Herrmann (CSU) begrüßte das Verbot. Es sei „ein wichtiger Schritt im Kampf gegen ein rechtsextr­emistische­s Netzwerk, das wegen seiner losen Strukturen zwar nur schwer zu erfassen, aber hochgefähr­lich ist“, sagte Herrmann am Donnerstag. Die von der Gruppe verfolgte Theorie eines vermeintli­ch bevorstehe­nden Rassenkrie­ges sei ebenso „absurd wie erschrecke­nd“.

Mit dem Verbot des Innenminis­teriums wurde der Verein Combat 18 Deutschlan­d aufgelöst. Es ist damit auch verboten, Ersatzorga­nisationen zu bilden oder bestehende Organisati­onen als Ersatzorga­nisation fortzuführ­en. Kennzeiche­n von Combat 18 Deutschlan­d dürfen nicht mehr öffentlich, in einer Versammlun­g oder in Schriften, Ton- und Bildträger­n, oder Abbildunge­n verwendet werden.

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FOTO: RENÉ WERNER/DPA In sechs Bundesländ­ern kam es nach dem Verbot der rechtsextr­emen Gruppe Combat 18 zu Durchsuchu­ngen wie hier im nordrhein-westfälisc­hen Castrop-Rauxel.

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