Neonazi-Gruppe Combat 18 verboten
Razzien in sechs Bundesländern – Für Opposition kommt die Maßnahme zu spät
(dpa/ume) Seit Monaten wurde sein Ministerium dazu gedrängt, am Donnerstag verkündete Bundesinnenminister Horst Seehofer das Verbot der Neonazi-Gruppe Combat 18. „Das heutige Verbot ist eine klare Botschaft: Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz“, sagte der CSU-Politiker. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte: „Der Rechtsstaat zeigt, dass er wehrhaft ist.“
210 Polizisten hatten zuvor am Donnerstagmorgen bei Razzien acht Wohnungen in sechs Bundesländern durchsucht: in Thüringen, Osthessen, Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Nach Einschätzung der Behörden richtet sich die gewaltbereite Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung, „da sie mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt ist“. Die rechtsextreme Organisation gilt als gewaltaffiner Ableger des in Deutschland verbotenen, aus Großbritannien stammenden Neonazi-Netzwerks Blood & Honour (Blut und Ehre).
Oppositionspolitiker kritisierten, das Verbot komme zu spät. „Der Schritt war überfällig“, sagte FDPInnenexperte Benjamin Strasser der „Schwäbischen Zeitung“. Da Blood & Honour seit 2000 verboten sei, könne man sich schon fragen, „was die Behörden in den letzten Jahren getan haben“.
- Die Organisation „Transparency International“(TI) fordert eine Karenzzeit für baden-württembergische Politiker, die in die Wirtschaft wechseln. Anlass ist der Abschied des Grünen-Politikers Volker Ratzmann. Der 59-jährige bisherige Repräsentant des Landes beim Bund scheidet überraschend Ende des Monats aus der grün-schwarzen Landesregierung aus und wird im Mai Lobbyist bei der Deutschen Post DHL. Das hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am vergangenen Dienstag mitgeteilt.
Für Wolfgang Jäckle, Leiter der Arbeitsgruppe Politiker bei TI, ist dieser Wechsel zu einfach. Jäckle fordert eine Auszeit für Regierungsmitglieder, wie sie im Bund und anderen Bundesländern bereits gesetzlich geregelt ist. Die Begründung für die dort festgeschriebenen mitunter bis zu drei Jahre langen Karenzzeiten: In dieser Zeit sollen Netzwerke und Verflechtungen abkühlen, um mögliche Interessenskonflikte zwischen altem und neuem Job zu minimieren. „Baden-Württemberg hängt da wirklich hintendran“, kritisiert Jäckle.
Auf Bundesebene gilt seit 2015 eine Karenzzeit, nachdem spektakuläre Wechsel wie die von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) zur Nord Stream AG oder Kanzleramtsminister Ronald Pofalla zur Deutschen Bahn heftige Kritik ausgelöst hatten. Der Vorwurf: Die Wirtschaft kaufe sich mit viel Geld gute Kontakte in die Politik.
Mehrere Länder fordern Auszeit
Auch mehrere Bundesländer, unter anderem Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Hamburg haben mittlerweile ähnliche Regelungen eingeführt. Zuletzt hat vor wenigen Wochen Niedersachsen ein Karenzgesetz eingeführt, nachdem der dortige Energieminister Olaf Lies (SPD) mit einem Wechsel zum mächtigen Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) geliebäugelt hatte.
„Es tut sich was“, lobt auch Jäckle. Allerdings eben nicht im Süden der
Republik. Zwar flackert das Thema in Stuttgart immer wieder mal auf – doch ein Gesetz wurde nicht draus.
Dabei sind mögliche Interessenkonflikte zwischen Politik und Lobbyisten nicht von der Hand zu weisen, wie Ratzmann selber einräumt: Die „Südwestpresse“(SWP) zitiert aus einer internen E-Mail des scheidenden Statthalters an seine Berliner Mitarbeiter, in der er den Abschied sogar unter anderem damit begründet. Denn Ratzmanns Ehefrau ist seit kurzem bereits eine einflussreiche Lobbyistin in Berlin: Die frühere Freiburger Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae ist seit November BDEWHauptgeschäftsführerin, nachdem der Niedersachse Lies seine Kandidatur zuvor zurückgezogen hatte.
Es gebe „gerade derzeit, aber absehbar auch in der Zukunft – viele Berührungspunkte in der Energiepolitik“, schrieb der Noch-Landesvertreter Ratzmann laut SWP an seine baldigen Ex-Mitarbeiter. Er wolle dem Vorwurf und Diskussionen vorbeugen, dass es hier zu „Verquickungen“von Interessen komme.
Der BDEW gilt mit seinen etwa 1900 Mitgliedern und angesichts der holpernden Energiewende als einer der Wichtigsten im politischen Berlin. Damit stehen der 51-jährigen gebürtigen Schrambergerin Andreae die Türen zum Energieministerium und dem Kanzleramt offen. Zudem wird der Posten üppig vergütet: Zwar hüllt sich der BDEW über die Höhe der Bezüge in Schweigen, doch Beobachter gehen von einem mittleren sechsstelligen Jahresgehalt aus.
Sollen Abgeordnete aussetzen?
Für Jäckle wäre eine Karenzzeit auch beim Wechsel von Parlamentariern wie im Fall von Kerstin Andreae wünschenswert. Doch die bisherigen Karenzgesetze schließen das ausdrücklich nicht mit ein. Immerhin ist ja gewünscht, dass die Abgeordneten vor und nach ihrer Zeit im Parlament anderen Berufen nachgehen.
Je nach Ausgestaltung einer etwaigen baden-württembergischen Regelung könnte Ratzmann übrigens auch danach problemlos wechseln: Denn viele Gesetzesregelungen beziehen sich ausdrücklich nur auf Minister und Parlamentarische Staatssekretäre. Demnach hätte ein politischer Beamter mit der Bezeichnung Staatssekretär wie Ratzmann keine Auflagen zu befürchten.