Ist diese Zahnbürsten-Werbung sexistisch?
Die Aktion eines Start-ups aus dem Kreis Biberach sorgt für Irritationen – Die jungen Firmengründer fühlen sich falsch verstanden
- Mit einer diskutablen Werbung macht das junge Startup Zahnheld aus dem Landkreis Biberach deutschlandweit auf sich aufmerksam. Es geht um eine elektrische Zahnbürste und den Vorwurf des Sexismus. Wie weit darf Werbung gehen? Eine „Spiegel“-Kolumnistin hat dazu eine eindeutige Meinung. Die Firmengründer reagieren überrascht, auch weil die Werbung schon mindestens ein Jahr alt ist.
„Vielleicht nicht so hübsch wie Deine Alte. Putzt aber besser: Gero“– Dieser Slogan, kombiniert mit einer Frau, die eine elektrische Zahnbürste in der Hand hält, spricht eine klare Sprache. Das ist zumindest die Meinung der Autorin Margarete Stokowski. Sie schreibt am Mittwochabend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Erfrischend wenn man denkt man hat schon alles gesehen und dann kommen 3 Start-upDudes und sagen, nein sexistische
Werbung für Zahnbürsten hast du noch nicht gesehen.“
Margarete Stokowski beschäftigt sich in ihren Büchern und Texten, darunter auch in einer wöchentlichen Kolumne für „Spiegel Online“, insbesondere mit Geschlechterdiskriminierung. Dafür erhielt sie im vergangenen Jahr den Kurt-Tucholsky-Preis. Das heißt: Was die Autorin auch über ihr Twitter-Konto mit mehr als 90 000 Followern veröffentlicht, bekommt Aufmerksamkeit. So reagierten bis Donnerstagnachmittag mehr als 4000 Menschen auf den Tweet. Die meisten Kommentare geben der Autorin recht, einige wenige relativieren die sexistische Deutung. Diese Deutung sei jedoch falsch, betont die Warthauser Firma Zahnheld, die die Werbung verantwortet.
Den Sexismus-Vorwurf weisen die Gründer entschieden zurück. Der Sinn des Wortspiels erschließe sich im Kontext der damaligen Werbeaktion. „Mit dem besagten Post haben wir eine Aktion zur Rücknahme von alten elektrischen Zahnbürsten gestartet, wenn diese nicht mehr brauchbar waren – alt oder kaputt gegen neu“, teilt einer der Geschäftsführer, Fabian Bentz, auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit. Das sei der Grund für das Wortspiel: „Wir wollten mit der Aktion einen aktiven Beitrag zur richtigen Entsorgung von Altbatterien leisten.“Ihnen liege der Umweltschutz am Herzen. „Da wir wussten, dass eine solche Aktion für viele eher unwichtig wirkt, unterstrichen wir sie mit dem besagten Spruch“, erläutert Bentz. Es sei nicht ihre Absicht gewesen, eine als sexistisch zu verstehende Aussage zu treffen: „Die uns angehängte Auslegung des Posts ist mit unseren Werten auf keinen Fall vereinbar.“Der Beitrag sei aus dem Kontext gerissen worden. „Wir sind ein junges Team und befinden uns alle in langjährigen Partnerschaften, in denen Gleichwertigkeit und ein respektvoller Umgang miteinander wichtig sind“, erläutert der Chef. Diese Art von Äußerung sei eine einmalige Aktion gewesen: „Viel eher ist auf unserem Instagram-Kanal zu erkennen, dass wir freundliche junge Menschen sind, die etwas bewirken wollen und Spaß an ihrer Arbeit haben, ja sogar für sie leben.“
Beim Deutschen Werberat sind bisher keine Beschwerden über diese Werbung eingegangen, wie eine Sprecherin mitteilt. Daher wolle man die Werbung auch nicht öffentlich beurteilen. Grundsätzlich sei eine Kampagne aus Sicht des Rats sexistisch, wenn in ihr eine Person (meistens Frauen) als potenzielles Objekt sexueller Bedürfnisse, sexueller Verfügbarkeit oder Käuflichkeit mit Motiv und/oder Text vorgeführt wird. Heißt: Sobald Brüste oder das Gesäß besonders hervorgehoben werden, wird es kritisch. 2018 habe der Werberat über 261 Fälle im Bereich Geschlechterdiskriminierung entschieden, etwa ein Drittel wurde beanstandet. Im Vergleich zu 2017 seien die Fallzahlen rückläufig, so die Sprecherin.
Große Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken hat das junge Start-up aus Warthausen jedenfalls erfahren. In Sachen Verkaufszahlen macht sich der Tweet offenbar weder in die eine noch in die andere Richtung bemerkbar. „Die WebseiteAufrufe sind konstant, die Verkäufe ebenso“, erläutert Fabian Bentz. Nach einer internen Besprechung sei das besagte Bild entfernt worden, um den teilweise heftigen Anfeindungen und Androhungen keinen Raum zu bieten.