„Man kann sich schon fragen, was die Behörden in den letzten Jahren getan haben“
Combat 18 hätte schon viel früher verboten werden müssen, sagt Benjamin Strasser (Foto: Daniel Drescher), Innenpolitik-Experte der FDP-Bundestagsfraktion aus Berg bei Ravensburg. Die Rechtsextremen hätten es nun schwerer, sich zu organisieren. Da die Szene europaweit vernetzt sei, brauche es einen europäischen Ansatz für die Bekämpfung des Rechtsextremismus, so Strasser im Gespräch mit Ulrich Mendelin.
Kommt das Verbot von Combat 18 zu spät? Die Betroffenen dürften ja nach der längeren Debatte darüber vorgewarnt sein.
Der Schritt war überfällig. Die Hauptorganisation von Combat 18 – „Blood & Honour“– ist schon seit 2000 in Deutschland verboten. Nur Combat 18 als bewaffneter Arm war es bisher nicht. Da kann man sich schon fragen, was die Behörden in den letzten Jahren getan haben. Im Deutschen Bundestag haben wir mehrfach gefragt, was die Bundesregierung mit Blick auf Combat 18 plant, oder wie sie diese Netzwerke bewertet. Bis vor kurzem hieß es dazu noch aus dem Innenministerium: Combat 18 als verbotsfähige Struktur gibt es nicht in Deutschland. Dabei gab es Mitgliederrichtlinien mit ganz klaren Regeln! Und es gab eine Struktur in Kassel, die vermutlich auch Beziehungen zum NSU pflegte. Offensichtlich hat erst der schreckliche Mord an Walter Lübcke das Bundesinnenministerium wachgerüttelt.
Was ist daraus für die Zukunft zu lernen?
Es gilt, was Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang selber über seine Behörde sagt: Die Analysefähigkeit muss mit Blick auf die extrem vielfältige rechtsextreme Szene gestärkt werden. Mit der Prepperszene, dem Thema Nordkreuz und dem Fall Franco A. liegen noch weitere problematische Themen auf dem Tisch. Mir ist es wichtig, rechtsextreme Strukturen konsequent trockenzulegen. Inzwischen gibt es erste richtige Schritte, anders als unter Haldenwangs Vorgänger
Hans-Georg Maaßen. Damals war es für den Verfassungsschutz schon schwierig, das Problem überhaupt als solches zu erkennen – und dann auch konsequent dagegen vorzugehen. Selbst nach den wahnsinnigen Taten des rechtsterroristischen NSU hat man nicht alle notwendigen Konsequenzen gezogen. Wir müssen unsere föderale Sicherheitsarchitektur neu organisieren. Wir müssen überlegen, ob wir das System der V-Leute neu aufstellen müssen. Und wir müssen die Kontrolle der Nachrichtendienste dringend verbessern. Nach dem Mord an Walter Lübcke und dem Anschlag von Halle hat man von einer Zäsur gesprochen. Ich finde nicht, dass das eine Zäsur war – angesichts von 170 Menschen, die seit 1990 von Rechtsextremen getötet wurden. Nur hat es zuvor Obdachlose und Menschen mit Migrationshintergrund getroffen und in Walter Lübcke nun erstmals einen Vertreter staatlicher Institutionen. Wer hier erst von Zäsuren spricht, relativiert ein lange bestehendes Problem.
Stört das Verbot einer Gruppe überhaupt die Menschen, die sich in diesen Netzwerken zusammenfinden?
Es zerschlägt zumindest die Strukturen, von denen Rechtsextremisten profitieren. Aber es führt natürlich nicht dazu, dass die Menschen nicht mehr da sind und das gefährliche Gedankengut verschwindet. Nach dem Verbot wird die Vernetzung, die Organisation für die Leute nun schwieriger werden. Man darf jetzt aber nicht die Hände in den Schoß legen. Die Arbeit im Untergrund läuft nämlich weiter und die Leute sind auch europaweit vernetzt. Obwohl in Deutschland seit 2000 verboten ist, kann „Blood & Honour“in Ungarn Konzerte organisieren, die deutschen Mitglieder von Combat 18 fielen durch Schießtrainings in Tschechien und wohl auch den Niederlanden auf. Hier wäre es Zeit für einen europäischen Ansatz bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Der fehlt bis heute. Manche Länder bestreiten, dass es überhaupt ein Problem gäbe. Wenn es Horst Seehofer ernst mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus meint, muss er die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in diesem Jahr nutzen.