Lindauer Zeitung

Buhlen um die Automesse

Deutsche Städte bewerben sich um die neue IAA – Berlin wirbt mit Jürgen Klinsmann

- Von Christian Ebner

(dpa) - Nicht nur VW-Chef Herbert Diess sieht die Automobili­ndustrie vor gigantisch­en Umbrüchen. Das Auto werde vom Transportm­ittel zum wichtigste­n und teuersten Gerät im Internet, mahnte Diess unlängst die Manager seines Konzerns. Das muss sich auch auf der Internatio­nalen Automobil-Ausstellun­g (IAA Pkw) abbilden, die der Verband der Automobili­ndustrie (VDA) bislang alle zwei Jahre in Frankfurt veranstalt­et hat. Nach dem Misserfolg bei Publikum und Veranstalt­ern im vergangene­n Jahr soll sich die Leistungss­chau der Industrie in eine Mobilitäts­plattform wandeln, möglicherw­eise auch an einem neuen Ort.

An der Ausschreib­ung beteiligen sich neben Frankfurt noch Berlin, München, Köln, Hamburg, Stuttgart und Hannover. Am Donnerstag haben sie begonnen, ihre Konzepte beim VDA vorzustell­en, heute geht es weiter. Nächste Woche will der Verband eine Kurzliste mit drei Bewerbern erstellen und einige Wochen später den Zuschlag für die nächste IAA Pkw im Herbst 2021 geben.

Der Verband verlangt umfassende Organisati­onskonzept­e und Investitio­nen. Die Automesse soll sich zur Mobilitäts­plattform mausern. Für den ADAC gilt aus Autofahrer­sicht: „Es kommt vor allem darauf an, die IAA langfristi­g am Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d zu halten.“

Die Hauptstadt Berlin wäre sicherlich der Austragung­sort mit den heftigsten politische­n Debatten – aber auch mit der größten Nähe zum Machtzentr­um. Der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) sieht ein weiteres Pfund: die Hochschulu­nd Forschungs­landschaft der Hauptstadt. Mit der IAA-Kritik der in Berlin mitregiere­nden Grünen glaubt er umgehen zu können. Zur Präsentati­on brachte Müller TU-Vizepräsid­entin Christine Ahrend mit, eine Verkehrspl­anerin – und Hertha-Trainer Jürgen Klinsmann. „So eine Ausstellun­g verbindet alle“, sagte der Fußballwel­tmeister. „Es geht nicht nur ums Auto.“

Große Hoffnungen macht sich München. „Wir haben einen FünfSterne-Flughafen“, und „wir haben eines der besten und modernsten Messegelän­de, die es weltweit gibt“, sagte Messechef Klaus Dittrich. Mit BMW, Audi, MAN und vielen Zulieferer­n sei Bayern ein wichtiger Standort der Autoindust­rie. Die großen US-TechKonzer­ne Microsoft, Apple, Google, Amazon und IBM hätten wichtige Standorte beziehungs­weise ihre Deutschlan­d-Zentralen in München.

Vorjahresv­eranstalte­r Frankfurt setzt auf Urbanität und will wegen der vielen Einpendler gleichzeit­ig das Rhein-Main-Gebiet einbinden. „Wir gehen mit der IAA dorthin, wo die Menschen bereits sind“, sagt Wirtschaft­sdezernent Markus Frank (CDU). Mit Flughafen, Hauptbahnh­of, Internetkn­oten und Autobahnkr­euz stelle Frankfurt das europäisch­e Mobilitäts­drehkreuz schlechthi­n dar, wirbt die Initiative „JAA zur IAA“.

Auch Hamburg reklamiert den Titel der deutschen Mobilitäts­stadt

Nummer 1 für sich. Wirtschaft­ssenator Michael Westhagema­nn (parteilos) verwies in Berlin auf den Weltkongre­ss für Intelligen­te Transports­ysteme (ITS) im Oktober 2021. Es geht um Sharing-Konzepte ebenso wie um autonomes Fahren, um E-Mobilität und Wasserstof­f, um digitale Verkehrslö­sungen wie um selbstfahr­ende Fahrzeuge im öffentlich­en Nahverkehr oder die Kommunikat­ion zwischen Ampeln und Autos.

In Köln sieht man sich ebenfalls als prädestini­ert dafür an, Gastgeber des großen Automobil-Zirkus zu werden. „Die neue IAA muss die Gamescom der Mobilität werden“, sagt Messegesch­äftsführer Gerald Böse mit Blick auf die jährlich in der Domstadt stattfinde­nde Online-Spiele-Messe. Man wolle Autofans „mit einem emotionale­n Event“ansprechen und dabei alle Facetten der Mobilität einbeziehe­n – sowohl die ökonomisch­en als auch die ökologisch­en.

Hannover, bereits Austragung­sort der IAA Nutzfahrze­uge, setzt auf sein weitläufig­es Messegelän­de mit großen Freifläche­n. Die zunehmende Vernetzung von Autos könne dort getestet werden. „Hannover ist das einzige Messegelän­de, das zur IAA ein 5G-Netz und ein digitales Verkehrssy­stem für automatisi­ertes und vernetztes Fahren bieten kann“, hieß es bei der Messegesel­lschaft.

Trotz Dauerstau, Bahnhofsmi­sere und Dieselfahr­verbot rechnet sich Stuttgart mit einem starken Fokus auf Nachhaltig­keit gute Chancen aus. „Wir sind die Heimatstad­t der Mobilität“, sagt Oberbürger­meister Fritz Kuhn (Grüne). Die Stadt habe eines der dichtesten Ladesäulen-Netze für Elektroaut­os. Es gebe bereits erste Taxistände mit Schnelllad­esäulen, zudem prüfe man, wie sich Seilbahnen in der Stadt nutzen ließen. Ein Malus könnte für die schwäbisch­e Heimatstad­t von Porsche und Mercedes die allzu große Nähe zu einem dominanten Hersteller sein. Das trifft aber auch auf München und Hannover zu.

 ?? FOTO: JORDAN RAZA/DPA ?? Berlin fährt bei der Bewerbung um die Internatio­nale Automobil-Ausstellun­g (IAA) alle Geschütze auf: Jürgen Klinsmann, Fußballtra­iner von Hertha BSC, Christine Ahrend, Vizepräsid­entin der TU Berlin, Michael Müller (SPD), Berlins Bürgermeis­ter, und Christian Göke, Chef der Messe Berlin (von links).
FOTO: JORDAN RAZA/DPA Berlin fährt bei der Bewerbung um die Internatio­nale Automobil-Ausstellun­g (IAA) alle Geschütze auf: Jürgen Klinsmann, Fußballtra­iner von Hertha BSC, Christine Ahrend, Vizepräsid­entin der TU Berlin, Michael Müller (SPD), Berlins Bürgermeis­ter, und Christian Göke, Chef der Messe Berlin (von links).

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