Buhlen um die Automesse
Deutsche Städte bewerben sich um die neue IAA – Berlin wirbt mit Jürgen Klinsmann
(dpa) - Nicht nur VW-Chef Herbert Diess sieht die Automobilindustrie vor gigantischen Umbrüchen. Das Auto werde vom Transportmittel zum wichtigsten und teuersten Gerät im Internet, mahnte Diess unlängst die Manager seines Konzerns. Das muss sich auch auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA Pkw) abbilden, die der Verband der Automobilindustrie (VDA) bislang alle zwei Jahre in Frankfurt veranstaltet hat. Nach dem Misserfolg bei Publikum und Veranstaltern im vergangenen Jahr soll sich die Leistungsschau der Industrie in eine Mobilitätsplattform wandeln, möglicherweise auch an einem neuen Ort.
An der Ausschreibung beteiligen sich neben Frankfurt noch Berlin, München, Köln, Hamburg, Stuttgart und Hannover. Am Donnerstag haben sie begonnen, ihre Konzepte beim VDA vorzustellen, heute geht es weiter. Nächste Woche will der Verband eine Kurzliste mit drei Bewerbern erstellen und einige Wochen später den Zuschlag für die nächste IAA Pkw im Herbst 2021 geben.
Der Verband verlangt umfassende Organisationskonzepte und Investitionen. Die Automesse soll sich zur Mobilitätsplattform mausern. Für den ADAC gilt aus Autofahrersicht: „Es kommt vor allem darauf an, die IAA langfristig am Wirtschaftsstandort Deutschland zu halten.“
Die Hauptstadt Berlin wäre sicherlich der Austragungsort mit den heftigsten politischen Debatten – aber auch mit der größten Nähe zum Machtzentrum. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sieht ein weiteres Pfund: die Hochschulund Forschungslandschaft der Hauptstadt. Mit der IAA-Kritik der in Berlin mitregierenden Grünen glaubt er umgehen zu können. Zur Präsentation brachte Müller TU-Vizepräsidentin Christine Ahrend mit, eine Verkehrsplanerin – und Hertha-Trainer Jürgen Klinsmann. „So eine Ausstellung verbindet alle“, sagte der Fußballweltmeister. „Es geht nicht nur ums Auto.“
Große Hoffnungen macht sich München. „Wir haben einen FünfSterne-Flughafen“, und „wir haben eines der besten und modernsten Messegelände, die es weltweit gibt“, sagte Messechef Klaus Dittrich. Mit BMW, Audi, MAN und vielen Zulieferern sei Bayern ein wichtiger Standort der Autoindustrie. Die großen US-TechKonzerne Microsoft, Apple, Google, Amazon und IBM hätten wichtige Standorte beziehungsweise ihre Deutschland-Zentralen in München.
Vorjahresveranstalter Frankfurt setzt auf Urbanität und will wegen der vielen Einpendler gleichzeitig das Rhein-Main-Gebiet einbinden. „Wir gehen mit der IAA dorthin, wo die Menschen bereits sind“, sagt Wirtschaftsdezernent Markus Frank (CDU). Mit Flughafen, Hauptbahnhof, Internetknoten und Autobahnkreuz stelle Frankfurt das europäische Mobilitätsdrehkreuz schlechthin dar, wirbt die Initiative „JAA zur IAA“.
Auch Hamburg reklamiert den Titel der deutschen Mobilitätsstadt
Nummer 1 für sich. Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) verwies in Berlin auf den Weltkongress für Intelligente Transportsysteme (ITS) im Oktober 2021. Es geht um Sharing-Konzepte ebenso wie um autonomes Fahren, um E-Mobilität und Wasserstoff, um digitale Verkehrslösungen wie um selbstfahrende Fahrzeuge im öffentlichen Nahverkehr oder die Kommunikation zwischen Ampeln und Autos.
In Köln sieht man sich ebenfalls als prädestiniert dafür an, Gastgeber des großen Automobil-Zirkus zu werden. „Die neue IAA muss die Gamescom der Mobilität werden“, sagt Messegeschäftsführer Gerald Böse mit Blick auf die jährlich in der Domstadt stattfindende Online-Spiele-Messe. Man wolle Autofans „mit einem emotionalen Event“ansprechen und dabei alle Facetten der Mobilität einbeziehen – sowohl die ökonomischen als auch die ökologischen.
Hannover, bereits Austragungsort der IAA Nutzfahrzeuge, setzt auf sein weitläufiges Messegelände mit großen Freiflächen. Die zunehmende Vernetzung von Autos könne dort getestet werden. „Hannover ist das einzige Messegelände, das zur IAA ein 5G-Netz und ein digitales Verkehrssystem für automatisiertes und vernetztes Fahren bieten kann“, hieß es bei der Messegesellschaft.
Trotz Dauerstau, Bahnhofsmisere und Dieselfahrverbot rechnet sich Stuttgart mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit gute Chancen aus. „Wir sind die Heimatstadt der Mobilität“, sagt Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Die Stadt habe eines der dichtesten Ladesäulen-Netze für Elektroautos. Es gebe bereits erste Taxistände mit Schnellladesäulen, zudem prüfe man, wie sich Seilbahnen in der Stadt nutzen ließen. Ein Malus könnte für die schwäbische Heimatstadt von Porsche und Mercedes die allzu große Nähe zu einem dominanten Hersteller sein. Das trifft aber auch auf München und Hannover zu.