Lindauer Zeitung

Vorerst bleibt alles beim Alten

Die Europäisch­e Zentralban­k belässt den Leitzins auf dem Rekordtief von null Prozent – Doch der Unmut im EZB-Rat wächst

- Von Brigitte Scholtes

- Vorerst können die Sparer auch unter der seit November amtierende­n EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde nicht mit höheren Zinsen rechnen. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) beließ den Leitzins bei 0,0 Prozent, Banken müssen für Einlagen bei der EZB einen Strafzins von 0,5 Prozent zahlen. Den geben sie zum Teil an ihre Kunden weiter.

Doch der EZB-Rat hat gestern eine Überprüfun­g der Strategie angekündig­t. Die alte besteht seit 2003, es war also höchste Zeit, sich einmal anzuschaue­n, ob denn die Vorgaben der alten Strategie unter den aktuellen Bedingunge­n noch tauglich sind. Denn damals kämpfte die Notenbank noch gegen zu hohe Inflation, das aber hat sich seit der Finanzkris­e deutlich geändert.

Seit Jahren versucht die EZB, mit billigem Geld die Konjunktur im Euroraum anzukurbel­n, mehr Nachfrage soll die Preise steigen lassen, die Inflation also auf den bisher gewünschte­n Satz von „unter, aber nahe zwei Prozent“bringen. Aktuell liegt die Preissteig­erung im Euroraum bei 1,3 Prozent, ist also weit entfernt davon. Wenn die EZB also das Inflations­ziel verändern würde, wäre sie nicht mehr unter Druck, die Geldpoliti­k so lange locker zu halten, bis sie ihr Ziel erreicht.

Sie könnte die Entwicklun­g also etwas gelassener betrachten. An den Finanzmärk­ten diskutiert man derzeit intensiv, ob die Notenbank einen Korridor definieren solle, innerhalb dessen sie die Inflation sehen möchte. „Die Notenbank braucht vor allem ‚Beinfreihe­it‘“, meint dazu Carsten Brzeski, Chefvolksw­irt der Commerzban­k. Denn dann ist sie nicht gezwungen zu handeln, wenn die Inflations­rate zu weit von ihrem Ziel abweicht.

Keine schnelle Entscheidu­ng

Inzwischen gibt es auch immer mehr Unmut im EZB-Rat über die Negativzin­sen. Das sei ermutigend, meint der Chefvolksw­irt des genossensc­haftlichen Bankenverb­andes BVR, Andreas Bley. Eine schnelle Entscheidu­ng, die der EZB also mehr Spielraum geben könnte, ist aber nicht zu erwarten. Auch wenn die Notenbank, wie Christine Lagarde sagte, jeden Stein umdrehen wolle, so will sie sich doch Zeit lassen. Sie rechnet mit einem Abschluss der Diskussion­en im November oder Dezember. Erst dann will sie das Ergebnis kommunizie­ren.

Neben der Inflations­rate stehen auch noch weitere Themen bei der Strategieü­berprüfung an: Passen die geldpoliti­schen Instrument­e noch, mit denen die EZB agiert? Welche Art der Kommunikat­ion will sie pflegen? Hier hatte die EZB-Chefin vor ihrem Amtsantrit­t versproche­n, sie werde versuchen, die Geldpoliti­k den Bürgern besser zu vermitteln. „Wir werden auf die Erwartunge­n der Menschen hören, um ihre Anliegen besser zu verstehen“, sagte sie.

Die Finanzstab­ilität ist ein weiteres wichtiges Kriterium der Geldpoliti­k. Aber die EZB-Präsidenti­n möchte auch die Frage diskutiere­n, wie die Notenbank den Klimawande­l berücksich­tigen kann. Denn der sei „Bedrohung und ein Risiko“, das bisher kaum gemessen und von vielen Akteuren kaum berücksich­tigt werde. Sie persönlich sei erfreut darüber, dass der private Sektor nun in dieser Hinsicht aktiv werde. Damit spielte sie etwa auf den Brief Larry Finks an die großen Unternehme­n weltweit an: Der Chef des weltgrößte­n Vermögensv­erwalters Blackrock hatte die Manager gemahnt, den Klimawande­l in ihrer Arbeit stärker zu berücksich­tigen. Denn der sei für die langfristi­gen Aussichten von Unternehme­n zu einem entscheide­nden Faktor geworden.

Die EZB will in ihren eigenen Anlagen wie etwa Pensionsfo­nds für ihre Mitarbeite­r Klimakrite­rien künftig besser berücksich­tigen. Man wolle aber auch sehen, inwieweit man das Thema auch in die Geldpoliti­k einbinden könne.

Wenn das mit dem Mandat der Preisstabi­lität kollidiere, werde sie das ausdrückli­ch kommunizie­ren, versprach die EZB-Chefin. Und wenn nicht, dann könnte man schauen, welche Nachhaltig­keitskrite­rien von den Emittenten von Anleihen eingehalte­n werden. Die EZB kauft ja monatlich Anleihen und Wertpapier­e von 20 Milliarden Euro am Markt. 200 Milliarden der inzwischen zwei Billionen Euro dieses Pakets sind Unternehme­nsanleihen. Die könnte die Notenbank künftig intensiver unter die Lupe nehmen.

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), Christine Lagarde.

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