Lindauer Zeitung

Wenn Ali Baba Milch brachte

In seinem Buch „Der Rudy“packt Jan Ullrichs Mentor Pevenage in Sachen Doping aus

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(dpa) - Doppelwand­ige Cola-Dosen, Blutbeutel in Milchpaket­en oder Codenamen für Doping-Kuriere: Was das Zeug für einen SpionageSt­reifen hätte, beschreibt lediglich die ausgeklüge­lten Dopingprak­tiken im Radsport. Rudy Pevenage, langjährig­er Mentor von Jan Ullrich, hat ausgepackt. In seiner am Donnerstag erschienen­en Biografie „Der Rudy“räumt der Belgier langjährig­es Doping ein und berichtet ausführlic­h über die düsteren Machenscha­ften zu jener Zeit.

„Ich möchte niemanden verletzen, erzähle aber die Wahrheit darüber, was ich mitgemacht und gesehen habe“, schrieb Pevenage, der Ullrich in seiner gesamten Profikarri­ere als Teamchef, Trainer und Betreuer begleitet hatte. 1997 gewannen Pevenage und der damals 23-Jährige zusammen die Tour de France, drei Jahre später krönte sich Ullrich zum Olympiasie­ger, dazu gewann er zweimal den Weltmeiste­r-Titel im Einzelzeit­fahren – ehe 2006 im Zuge des Skandals um Dopingarzt Eufemiano Fuentes der tiefe Fall und schließlic­h auch das wenig ruhmreiche Karriereen­de folgten.

Der deutsche Radstar wurde 2012 vom Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS wegen seiner Verwicklun­g in den Skandal zu einer zweijährig­en Sperre verurteilt. Ein Jahr später gab Ullrich in einem „Focus“-Interview zu, Fuentes-Behandlung­en in Anspruch genommen zu haben. Ullrich war zu einer Stellungna­hme am Donnerstag nicht zu erreichen.

Pevenage berichtet in seinem Buch, wie er vor dem Tour-Start 2004 in Lüttich ein Hotelzimme­r im nahen Kelmis mit einem Extra-Kühlschran­k angemietet hat. Die Blutbeutel wurden in leeren Milchkarto­ns verpackt. Ein früherer Mountainbi­ker mit dem Codenamen Ali Baba diente als Kurier und brachte die Pakete den Fahrern ins Hotel. „Am folgenden Abend kamen auch (die Ärzte) José Luis Merino und Eufemiano Fuentes zu uns. Es wurde eine Liste mit Fahrern erstellt, die Ali Baba als Träger besuchen musste. (…) Die Blutbeutel wurden sorgfältig in leere Milchkarto­ns verpackt und mit einem Code versiegelt. Der Plan war, sie dem richtigen Fahrer gleich nach dem Abendessen in den jeweiligen Hotels zu übergeben“, schrieb Pevenage.

Mitunter wurde es auch brenzlig, wie etwa bei einer Razzia 2001 in Italien, als Pevenage schnell eine Insulinspr­itze zerbrach und die Toilette hinuntersp­ülte. Vergessen hatte er nur die raffiniert präpariert­e Cola-Dose – offenbar ohne Folgen. „Die Dose war doppelwand­ig, und man konnte sie oben aufschraub­en, um Medikament­e

einzufülle­n und aufzubewah­ren. Sehr praktisch. Durch die Doppelwand blieb der Inhalt kühl. Sie war von außen nicht von einer echten Dose Cola zu unterschei­den“, erklärte Pevenage.

So perfekt ging es nicht immer zu. Die Verbindung­en zwischen Fuentes und Ullrich wurden auch durch eine Handypanne Pevenages während des Giro d’Italia 2006 aufgedeckt. Als Ullrich das

Rudy Pevenage

Einzelzeit­fahren gewann, wollte Pevenage dies vor lauter Freude Fuentes mitteilen. Die Telefonkar­te seiner Freundin sei aber leer gewesen, daher habe er sein eigenes Handy benutzt. „Das war nicht so schlau, sie haben ihn abgehört. So hatten die Ermittler und die spanische Polizei plötzlich meine Nummer“, schrieb Pevenage, der auch Dopingprak­tiken während seiner aktiven Karriere einräumte.

Der Skandal um Fuentes war 2006 im Zuge der „Operacion Puerto“aufgefloge­n. Zahlreiche­n Radprofis wurden die beim Arzt gelagerten Blutbeutel per DNA-Abgleich zugewiesen – unter ihnen auch Ullrich.

Pevenage wurde vom T-MobileTeam entlassen. Eine Rückkehr in den Radsport gab es für ihn nicht mehr.

„Die Dose war doppelwand­ig, und man konnte sie oben aufschraub­en, um Medikament­e einzufülle­n und aufzubewah­ren. Sehr praktisch.“

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FOTO: SIROTTI/IMAGO IMAGES Der Mann hinter Jan Ullrich (links), der Mann, dem auch in Sachen Dopingprak­tiken nichts fremd gewesen ist: Rudy Pevenage (rechts), neuerdings Buchautor.

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