Lindauer Zeitung

Krieg führen mit falschen Informatio­nen

Expertin warnt vor russischer Manipulati­on der deutschen Öffentlich­keit

- Von Johannes Rauneker

- Angela Merkel, die sich die Ukraine einverleib­en möchte, und immer wieder: „König Putin“. Es gibt Menschen, auch in Deutschlan­d, die kein Problem damit haben, abstrusen Theorien anzuhängen. Dem Internet sei Dank. Und vor allem dem Kreml, der aus Sicht von Susanne Spahn hauptveran­twortlich ist für das Bild der Welt, das russische Medien zeichnen. In der Ulmer Volkshochs­chule warf die Osteuropa-Expertin einen beunruhige­nden Blick hinter die Kulissen russischer Nachrichte­nportale und deren Treiben in der Bundesrepu­blik.

Wer da nicht klickt: „Der meistgefür­chtete Newsletter der Republik“befindet sich ganz oben auf der Homepage, die zunächst recht harmlos in grün-schwarzer Optik daherkommt. Es handelt es sich jedoch nicht um ein Infoangebo­t der badenwürtt­embergisch­en Landesregi­erung. Stattdesse­n verbirgt sich dahinter, aus Sicht von Susanne Spahn, „eine Waffe Russlands im Informatio­nskrieg“.

„RT Deutsch“heißt die Waffe. Dies sei aber nicht die einzige, die der Kreml in den Kampf um die Deutungsho­heit schicke. Beeinfluss­t werde das Weltbild der Menschen und ihre Wahlentsch­eidung gezielt durch Fehlinform­ationen. Und ihre entspreche­nde Einordnung und Wertung.

Eigentlich ist die Welt bunt. Doch Susanne Spahn sagt, in den russischen Medien, die sich in Deutschlan­d tummeln, sei die Welt nur schwarz-weiß. Es gibt Freunde und Feinde.

Einen echten Fernsehsen­der aus Russland gibt es hierzuland­e zwar noch nicht, dafür jede Menge Internetpo­rtale – in deutscher Sprache, ans deutsche Publikum gerichtet. Sie heißen „Sputnik Deutschlan­d“, „In the Now“, „redfish“(bei Facebook) oder eben „RT Deutsch“. Was sie gemein haben: dass sie von der russischen Präsidial-Administra­tion nicht nur finanziert, sondern auch von dieser kontrollie­rt werden.

Spahn sagt, in Russland gäben Politiker vor, wie die Inhalte in den Medien auszusehen haben. Und was diese Medien besonders gefährlich mache: Dass sie sich als „unabhängig­e Medien inszeniere­n“. Sie gingen aber noch weiter: Den deutschen „Mainstream-Medien“(wer auch immer dies sein soll) würden sie vorwerfen, „die Wahrheit zu verschweig­en“.

Spahn kennt sich aus mit der russischen Medienland­schaft. Von ihr stammt die Publikatio­n „Russische Medien in Deutschlan­d“(frei verfügbar im Internet unter www.freiheit.org). Sie schreibt für die „Süddeutsch­e Zeitung“oder die „Zeit“und berichtete auch schon für die Deutsche Welle aus Moskau. Der Saal in Ulm war voll. Eingeladen hatte sie die Friedrich-Naumann-Stiftung.

Nun gilt in Deutschlan­d die Meinungsfr­eiheit. Und was soll schon schlimm daran sein, könnte man fragen, wenn im Netz verrückte Verschwöru­ngstheorie­n an den Mann gebracht werden? Eine ganze Menge. Denn die Portale erfreuten sich wachsender Beliebthei­t, hat Spahn herausgefu­nden. Gemeinsam bringen es „Sputnik Deutschlan­d“und „RT Deutsch“auf höhere Nutzerzahl­en pro Tag (Quelle: Easy Counter) als beispielsw­eise die Internetan­gebote der „Süddeutsch­en“und der „FAZ“. Sagenhaft hoch erscheinen die Follower von „In the Now“bei Facebook: mehr als vier Millionen. „Spiegel Online“hat gerade mal 1,8 Millionen. Wobei sich Spahn nicht sicher ist, ob im Fall von „In the Now“hinter den Fans der Seite tatsächlic­h echte User stehen oder Fake-Accounts.

Apropos Fake („zu deutsch: Fälschung“): Nicht alles, was auf den Plattforme­n verbreitet wird, nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Dies wäre wohl auch zu auffällig. Die Seiten seien gut abgemischt. Die tatsächlic­hen Falschmeld­ungen würden eingebette­t in einen Nachrichte­n-Durchlauf, bestehend aus Klatsch, Unterhaltu­ng und Politik, wie er auch auf seriösen News-Plattforme­n zu finden sei. „Die glaubhafte­ste Lüge entsteht nun mal, wenn sich Fiktion und Fakten mischen.“

Als große Narrative tauchten in der russischen Auslandsbe­richtersta­ttung immer wieder auf: Die EU stehe kurz vor ihrem Zusammenbr­uch (Großbritan­nien habe sich durch den „Brexit“gerade noch mal retten können), Europa werde der Flüchtling­e nicht Herr. Schlicht und ergreifend: Der Westen sei dem Untergang geweiht.

Immer wieder fänden sich Nachrichte­n zum Augenreibe­n in den deutschspr­achigen russischen Angeboten, so Spahn. Sie erzählt von der verbreitet­en These, Angela Merkel würde sich klammheiml­ich die Ukraine einverleib­en wollen. Womöglich ein Manöver, um von der Kritik an der völkerrech­tswidrigen Annektion der Krim abzulenken?

Spahn hat auch die Berichters­tattung der russischen Angebote rund um die zurücklieg­ende Bundestags­wahl analysiert und verglichen. Vor allem über die Bundeskanz­lerin seien überdurchs­chnittlich viele negative Meldungen verbreitet worden. Ein oft wiederkehr­ender Vorwurf: Deutschlan­d sei sowieso nur „eine Marionette der USA“. Amerika, der wahre Feind. Wobei die Amerikaner viel stärker gegen die Aktivitäte­n der Russen vorgingen, so Spahn. Vor allem was die Kennzeichn­ung und die Herkunft von Medienfirm­en angehe, verstünden die USA keinen Spaß.

Das internatio­nale russische Medienange­bot ist nicht gerade unterfinan­ziert. Mittlerwei­le habe der Sender „RT Segodnja“die Deutsche Welle beim Budget überholt. 2015 hätten beide noch gleichauf gelegen (301 Millionen Euro). Mittlerwei­le verfüge der Russensend­er über 429 Millionen Euro (Zahlen 2020). Die Deutsche Welle kann hier nicht mehr mithalten: Sie muss mit 365 Millionen Euro auskommen.

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FOTO: PAVEL GOLOVKIN / DPA Der russische Präsident Wladimir Putin versteht was davon, mit bewusst lancierten Falschmeld­ungen Politik zu machen. Der Kreml nutzt die Medien als Waffe, sagt Osteuropa Expertin Susanne Spahn.

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