Krieg führen mit falschen Informationen
Expertin warnt vor russischer Manipulation der deutschen Öffentlichkeit
- Angela Merkel, die sich die Ukraine einverleiben möchte, und immer wieder: „König Putin“. Es gibt Menschen, auch in Deutschland, die kein Problem damit haben, abstrusen Theorien anzuhängen. Dem Internet sei Dank. Und vor allem dem Kreml, der aus Sicht von Susanne Spahn hauptverantwortlich ist für das Bild der Welt, das russische Medien zeichnen. In der Ulmer Volkshochschule warf die Osteuropa-Expertin einen beunruhigenden Blick hinter die Kulissen russischer Nachrichtenportale und deren Treiben in der Bundesrepublik.
Wer da nicht klickt: „Der meistgefürchtete Newsletter der Republik“befindet sich ganz oben auf der Homepage, die zunächst recht harmlos in grün-schwarzer Optik daherkommt. Es handelt es sich jedoch nicht um ein Infoangebot der badenwürttembergischen Landesregierung. Stattdessen verbirgt sich dahinter, aus Sicht von Susanne Spahn, „eine Waffe Russlands im Informationskrieg“.
„RT Deutsch“heißt die Waffe. Dies sei aber nicht die einzige, die der Kreml in den Kampf um die Deutungshoheit schicke. Beeinflusst werde das Weltbild der Menschen und ihre Wahlentscheidung gezielt durch Fehlinformationen. Und ihre entsprechende Einordnung und Wertung.
Eigentlich ist die Welt bunt. Doch Susanne Spahn sagt, in den russischen Medien, die sich in Deutschland tummeln, sei die Welt nur schwarz-weiß. Es gibt Freunde und Feinde.
Einen echten Fernsehsender aus Russland gibt es hierzulande zwar noch nicht, dafür jede Menge Internetportale – in deutscher Sprache, ans deutsche Publikum gerichtet. Sie heißen „Sputnik Deutschland“, „In the Now“, „redfish“(bei Facebook) oder eben „RT Deutsch“. Was sie gemein haben: dass sie von der russischen Präsidial-Administration nicht nur finanziert, sondern auch von dieser kontrolliert werden.
Spahn sagt, in Russland gäben Politiker vor, wie die Inhalte in den Medien auszusehen haben. Und was diese Medien besonders gefährlich mache: Dass sie sich als „unabhängige Medien inszenieren“. Sie gingen aber noch weiter: Den deutschen „Mainstream-Medien“(wer auch immer dies sein soll) würden sie vorwerfen, „die Wahrheit zu verschweigen“.
Spahn kennt sich aus mit der russischen Medienlandschaft. Von ihr stammt die Publikation „Russische Medien in Deutschland“(frei verfügbar im Internet unter www.freiheit.org). Sie schreibt für die „Süddeutsche Zeitung“oder die „Zeit“und berichtete auch schon für die Deutsche Welle aus Moskau. Der Saal in Ulm war voll. Eingeladen hatte sie die Friedrich-Naumann-Stiftung.
Nun gilt in Deutschland die Meinungsfreiheit. Und was soll schon schlimm daran sein, könnte man fragen, wenn im Netz verrückte Verschwörungstheorien an den Mann gebracht werden? Eine ganze Menge. Denn die Portale erfreuten sich wachsender Beliebtheit, hat Spahn herausgefunden. Gemeinsam bringen es „Sputnik Deutschland“und „RT Deutsch“auf höhere Nutzerzahlen pro Tag (Quelle: Easy Counter) als beispielsweise die Internetangebote der „Süddeutschen“und der „FAZ“. Sagenhaft hoch erscheinen die Follower von „In the Now“bei Facebook: mehr als vier Millionen. „Spiegel Online“hat gerade mal 1,8 Millionen. Wobei sich Spahn nicht sicher ist, ob im Fall von „In the Now“hinter den Fans der Seite tatsächlich echte User stehen oder Fake-Accounts.
Apropos Fake („zu deutsch: Fälschung“): Nicht alles, was auf den Plattformen verbreitet wird, nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Dies wäre wohl auch zu auffällig. Die Seiten seien gut abgemischt. Die tatsächlichen Falschmeldungen würden eingebettet in einen Nachrichten-Durchlauf, bestehend aus Klatsch, Unterhaltung und Politik, wie er auch auf seriösen News-Plattformen zu finden sei. „Die glaubhafteste Lüge entsteht nun mal, wenn sich Fiktion und Fakten mischen.“
Als große Narrative tauchten in der russischen Auslandsberichterstattung immer wieder auf: Die EU stehe kurz vor ihrem Zusammenbruch (Großbritannien habe sich durch den „Brexit“gerade noch mal retten können), Europa werde der Flüchtlinge nicht Herr. Schlicht und ergreifend: Der Westen sei dem Untergang geweiht.
Immer wieder fänden sich Nachrichten zum Augenreiben in den deutschsprachigen russischen Angeboten, so Spahn. Sie erzählt von der verbreiteten These, Angela Merkel würde sich klammheimlich die Ukraine einverleiben wollen. Womöglich ein Manöver, um von der Kritik an der völkerrechtswidrigen Annektion der Krim abzulenken?
Spahn hat auch die Berichterstattung der russischen Angebote rund um die zurückliegende Bundestagswahl analysiert und verglichen. Vor allem über die Bundeskanzlerin seien überdurchschnittlich viele negative Meldungen verbreitet worden. Ein oft wiederkehrender Vorwurf: Deutschland sei sowieso nur „eine Marionette der USA“. Amerika, der wahre Feind. Wobei die Amerikaner viel stärker gegen die Aktivitäten der Russen vorgingen, so Spahn. Vor allem was die Kennzeichnung und die Herkunft von Medienfirmen angehe, verstünden die USA keinen Spaß.
Das internationale russische Medienangebot ist nicht gerade unterfinanziert. Mittlerweile habe der Sender „RT Segodnja“die Deutsche Welle beim Budget überholt. 2015 hätten beide noch gleichauf gelegen (301 Millionen Euro). Mittlerweile verfüge der Russensender über 429 Millionen Euro (Zahlen 2020). Die Deutsche Welle kann hier nicht mehr mithalten: Sie muss mit 365 Millionen Euro auskommen.