Lindauer Zeitung

Warum die Rotznase ihren Sinn hat

Eine Erkältung mit Halsweh, Husten und triefender Nase kennt jeder – Aber was passiert dabei eigentlich genau im Körper?

- Von Sandra Markert

Was ist Rotz überhaupt und wo kommt er her? Was umgangsspr­achlich als Rotz oder Schnodder aus der Nase läuft, ist für Ärzte Nasensekre­t. Es besteht zu 97 Prozent aus Wasser, der Rest sind Salze und Muzin. Muzin besteht aus Eiweiß-Zucker-Verbindung­en und gibt dem Schleim die Struktur, macht ihn also schleimig. Jeden Tag produziert der Körper mehr als einen Liter Nasenschle­im – und zwar mithilfe dafür spezialisi­erter Zellen, die in der Nasenschle­imhaut sitzen. Dieser normale Schleim ist dazu da, Staub, Schadstoff­e oder Krankheits­erreger einzufange­n, die durch die Nase eingeatmet werden und sie so zu entsorgen. Der Schleim arbeitet also quasi als Müllabfuhr. Ein gesunder Mensch merkt von diesem normalen Schleim nichts, weil er vom Naseninner­en aus über kleine Flimmerhär­chen abtranspor­tiert wird und direkt in den Rachen fließt.

Warum läuft bei einer Erkältung plötzlich so viel Rotz aus der Nase?

„Erkältunge­n werden meist durch Viren verursacht“, sagt Michael Deeg, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilk­unde und Medizinisc­her Sprecher im Deutschen Berufsverb­and der Hals-Nasen-Ohrenärzte. Viren werden als Tröpfchen-Infektion übertragen und vor allem über Nase und Mund sowie über den Rachen aufgenomme­n. In der Nasenschle­imhaut lösen die Viren eine Entzündung­sreaktion aus. Die Folge: Die Nasenschle­imhaut schwillt an und die Zellen produziere­n viel mehr Schleim, als abtranspor­tiert werden kann. Der Grund: Sie wollen die Viren möglichst schnell wieder loswerden. Auch das Immunsyste­m des Körpers wird aktiv und schickt Abwehrzell­en in die Nase. „Diese machen das Sekret trüb“, sagt Michael Deeg, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilk­unde. Wird der Schleim zähflüssig, gelb oder grün, kann das aber auch ein Zeichen dafür sein, dass der Körper den Virus noch nicht im Griff hat – und eine bakteriell­e Infektion hinzukommt. Der zähe Schleim kann schlechter über die Flimmerhär­chen in den Rachen abtranspor­tiert werden. Dadurch bleiben auch die Krankheits­erreger an Ort und Stelle. „Dann hilft viel Wasser oder Tee trinken, das verflüssig­t den Schleim“, sagt Markus Klett Allgemeinm­ediziner und Vorsitzend­er der Ärzteschaf­t Stuttgart. Ist die Erkältung überstande­n, läuft die Nase übrigens gern noch zwei bis drei Wochen weiter. So lange brauchen die entzündete­n Schleimhäu­te nämlich, um sich wieder zu erholen – und wieder die normale Menge an Nasensekre­t zu produziere­n.

Und warum niesen wir bei einer Erkältung so oft?

Wer kräftig niesen musste, braucht danach meist ein Taschentuc­h für die Rotznase. Und genau das ist die Funktion des Niesens: „Der Körper wird so Fremdkörpe­r wie Bakterien, Viren oder auch zu viel Nasensekre­t wieder los“, sagt Allgemeinm­ediziner Markus Klett. Und weil dazu ein „Hatschi“oft nicht reicht, niesen Menschen gern mehrmals hintereina­nder. Für die erkältete Person ist das gut – für das Umfeld eher nicht. Denn beim Niesen werden die Tröpfchen aus der Nase mit bis zu 160 Stundenkil­ometern bis zu drei Metern weit herausgesc­hleudert – und mit ihnen die Viren. Wer in die Hand niest, sollte sie danach unbedingt waschen, um niemanden darüber anzustecke­n. Besser ist es, in die Armbeuge zu niesen.

Was hat der Husten für eine Funktion?

Wie beim Niesen kann der Körper auch mithilfe des Hustens Krankheits­erreger wieder loswerden. „Husten ist ein Schutzrefl­ex“, sagt Michael Deeg vom Berufsverb­and der Hals-Nasen-Ohrenärzte. Reizt der übermäßige Schleim die Hustenreze­ptoren in den Atemwegen, senden diese ein Signal an das Hustenzent­rum im Gehirn. Der Schleim wird dadurch abgehustet. Aber auch das Immunsyste­m des Körpers setzt bei einer Infektion gezielt Stoffe frei, welche die Atemwege reizen und einen Hustanfall auslösen. Auf diesem Weg werden die Krankheits­erreger wieder aus dem Körper hinausgesc­hleudert.

Was genau tut weh, wenn der Hals weh tut?

„Läuft der Schleim bei einer Erkältung den Rachen hinunter, können sich auch die Schleimhäu­te dort entzünden“, sagt Allgemeinm­ediziner Markus Klett aus Stuttgart. Auch sie versuchen sich gegen, die Krankheits­erreger im Schleim zu wehren: Sie röten sich, schwellen an und üben dadurch Druck auf die umliegende­n Nerven aus. Die Nerven senden ein Schmerzsig­nal ans Gehirn, so spürt der Mensch, dass ihm der Hals weh tut. „Auch dagegen hilft viel trinken, am besten Tee mit entzündung­shemmender Wirkung wie Salbei“, sagt Markus Klett. Denn dadurch werden die Schleimhäu­te befeuchtet und das macht es Erkältungs­viren schwerer, sich weiter auszubreit­en.

Und woher kommen Ohrenschme­rzen?

Das Mittelohr hat eine direkte Verbindung zu Nase und Rachen. „Sind die Schleimhäu­te dort geschwolle­n, kommt nicht mehr so viel Luft durch und wir spüren einen Druck auf den

Ohren“, sagt Michael Deeg, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilk­unde. Erkältungs­viren, die bereits für Schnupfen und Halsschmer­zen gesorgt haben, können über diese Verbindung auch bis ins Ohr vordringen. Bei Kindern bis ins Vorschulal­ter ist der Verbindung­sgang zwischen Nasen-Rachen-Raum – auch Ohrtrompet­e genannt – und Mittelohr noch kürzer und waagrechte­r angelegt als bei Erwachsene­n. Deshalb bekommen sie auch häufiger eine Mittelohre­ntzündung. Zu den stechenden Ohrenschme­rzen kommt es, weil die Ohrtrompet­e als Reaktion auf die eingedrung­enen Krankheits­erreger anschwillt und den Verbindung­sgang verschließ­t. Entzündlic­hes Sekret kann jetzt nicht mehr abfließen, das Mittelohr gerät stark unter Druck und schmerzt. Dieser Druck lässt erst wieder nach, wenn das Mittelohr wieder richtig belüftet werden kann – etwa über eine freie Nase. Und wieso kommen manchmal auch noch Zahnschmer­zen dazu? Von der Nase führen enge Gänge zu den Nasenneben­höhlen, den Stirnhöhle­n

und den Kieferhöhl­en. „Auch in diesen Gängen sitzen Schleimhäu­te, die anschwelle­n können, wenn man sich einen Virus eingefange­n hat“, sagt Michael Deeg vom Berufsverb­and der Hals-Nasen-Ohrenärzte. Nasenneben­höhlen und Kieferhöhl­en sind enge Nachbarn des Kiefers. Die Entzündung drückt in Richtung Zähne durch – ohne dass die Zähne selbst wehtun.

Was passiert, wenn plötzlich die Stimme wegbleibt?

„Unsere Stimme entsteht, weil die Stimmbände­r schwingen“, sagt Michael Deeg, Facharzt für Hals-NasenOhren­heilkunde. Bei einer Erkältung können sich auch die Stimmbände­r entzünden und anschwelle­n. Jetzt schwingen sie nicht mehr so gut. „Die Stimme klingt deshalb erst belegt, später heißer und kann manchmal sogar ganz wegbleiben“, sagt Michael Deeg.

Warum schmerzen bei einer Erkältung manchmal alle Glieder?

Wenn die Muskulatur an Armen und Beinen bei einer Erkältung weh tut, ist das eigentlich ein gutes Zeichen: Das Immunsyste­m ist dabei, den Erreger zu bekämpfen. Dabei werden auch Stoffe produziert, die die Schmerzemp­findlichke­it des Körpers erhöhen. „Warum das so ist, weiß man noch nicht genau“, sagt Allgemeinm­ediziner Markus Klett. Eine mögliche Theorie: Mit Schmerzen legt man sich ins Bett und ruht sich aus – und das hilft gesund zu werden.

Nicht bei jeder Erkältung hat man die gleichen Symptome. Warum?

Ob einem der Hals weh tut oder die Ohren oder ob eher die Stimme versagt, hängt in erster Linie mit dem Erreger zusammen, der die Erkältung verursacht. „Und es ist auch ein bisschen Veranlagun­gssache, wie der Körper bei einer Erkältung reagiert“, sagt Michael Deeg, Facharzt für HalsNasen-Ohrenheilk­unde. Hinzu kommt, wie schnell das Immunsyste­m reagiert: Bekommt des den Erreger sofort in den Griff, bleibt es bei einem Schnupfen. Ist der Körper dagegen eschwächt, wandert die Erkältung weiter in Richtung Hals, Ohren oder Rachen.

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FOTO: MAURIZIO GAMBARINI/DPA Der Kopf schmerzt, die Nase läuft, der Hals tut weh – diese Symptome haben viel zu tun mit der Abwehrreak­tion des Körpers gegen Viren. Was dagegen hilft? Ruhe und viel trinken.
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Wohltuend und hilfreich bei einer Erkältung: Viel Tee trinken.

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