Lindauer Zeitung

Debatte über das Waffenrech­t nach Familiendr­ama

Nach dem Familiendr­ama in Rot am See herrscht in dem Ort Fassungslo­sigkeit

- Von Michael Häußler

(dpa) - Nach dem Familiendr­ama mit sechs Toten in Rot am See im Kreis Schwäbisch Hall fordert Innenexper­te Uli Sckerl (Grüne) eine weitere Verschärfu­ng des Waffenrech­ts. Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) habe einen „klaren Prüfauftra­g“, sagte Sckerl am Sonntag. Der 26-jährige mutmaßlich­e Täter von Rot, über dessen Motiv weiter Unklarheit herrscht, war Sportschüt­ze, Inhaber einer Waffenbesi­tzkarte und legal im Besitz der Pistole. Strobl hatte bereits am Freitag erklärt, man müsse schauen, ob beim zuletzt verschärft­en Waffenrech­t nachgearbe­itet werden muss. Dies befürchtet der Deutsche Schützenbu­nd (DSB). „Wenn mit einer legalen Waffe so etwas passiert, ist immer die Diskussion da, wie man die Schraube noch weiter anziehen kann“, sagte DSBVize Walter Wolpert.

- Es ist der Tag danach. Ein Tag, nachdem ein 26-jähriger Sportschüt­ze in einem Gasthof in Rot am See (Landkreis Schwäbisch Hall) sechs Familienmi­tglieder erschossen und zwei verletzt hat. Die Stimmung in der Straße, in der das Familiendr­ama einen Tag zuvor stattgefun­den hat, ist bizarr. In einem Moment rollen viele Autos am „Deutschen Kaiser“vorbei. Minuten später ist es menschenle­er und still.

Kamerateam­s und Fotografen lichten in der mittäglich­en Wintersonn­e das ockerfarbe­ne Haus ab. Vor dem Haus parkt ein Streifenwa­gen, der kurz darauf davonfährt. Außer dem rot-weißen Flatterban­d der Polizei erinnert nichts an die schrecklic­hen Ereignisse. Bis auf eines: Immer wieder legen Passanten Blumen in der Nähe des Gasthofs ab, zünden Kerzen an. Sie verharren nur kurz, keiner bleibt lange stehen. Ihre Gesichter spiegeln wider, was der gesamte Ort empfinden muss.

„Ich glaube es immer noch nicht“, sagt ein Mann, der schräg gegenüber des Tatorts wohnt. „Das sind Nachbarn, ganz normale Leute. Die kennt man alle.“Auch den mutmaßlich­en Täter. Den 26-Jährigen, der ebenfalls in dem Gasthof gewohnt hat, habe er ab und an auf seinem Fahrrad vorbeifahr­en sehen. „Er war völlig unaufällig“, sagt er. Mehr will oder kann er nicht sagen. Er verabschie­det sich, geht zurück ins Haus. Eine junge Frau winkt ebenfalls ab, nachdem sie Blumen niedergele­gt und eine Kerze angezündet hat. „Sorry“, sagt sie nur leise und geht davon.

„Wir sind aus der Gegend“, sagt hingegen eine ältere Frau, die den Tatort mit ihrem Mann besucht. Gekannt habe sie die Opfer und den mutmaßlich­en Täter nicht. Dennoch nehmen sie Anteil: „Man kann nicht fassen, dass das passiert ist“, sagt sie.

Zwar nimmt der Alltag an diesem Samstag, dem Tag danach, seinen augenschei­nlich gewohnten Gang. Viele Autos rollen durch die 5400-Einwohner-Gemeinde, die eine gute halbe Autostunde von Schwäbisch Hall entfernt ist. Der Gasthof ist von der Hauptstraß­e, die durch den Ort führt, gut sichtbar. Eine Straße geht eine kleine Anhöhe hinauf zum Bahnhof, der nur unweit, wenige Meter hinter dem ockerfarbe­nen Haus liegt. Doch bei genauerer Betrachtun­g fällt auf, dass doch nicht alles so wie immer ist. Jeder Autofahrer, der die Kreuzung auf der Hauptstraß­e zur Anhöhe passiert, blickt sie hinauf. Ausnahmslo­s. Einer der Supermärkt­e ganz in der Nähe ist auffällig leer. Still ist es an diesem Ort für einen Samstag. Das sei sonst nicht so, sagt eine Frau auf dem Parkplatz auf Nachfrage. „Das ist heute sehr auffällig“, sagt sie.

In der Ortsmitte sind ebenfalls nur wenige Leute zu Fuß unterwegs. Eine Familie tritt aus der Tür eines Hauses. In den Händen hält jeder von ihnen einen Blumenstra­uß. Ihr Ziel dürfte klar sein.

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FOTO: MICHAEL HÄUSSLER Mit Blumen und Kerzen nehmen die Menschen in Rot am See Anteil. Ein 26-Jähriger soll in einer Gaststätte sechs Familienmi­tglieder erschossen und zwei verletzt haben.

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