Lindauer Zeitung

Lehrer besser unterstütz­en

- Von Igor Steinle politik@schwaebisc­he.de

Ein Dreivierte­ljahrhunde­rt nach der Befreiung von Auschwitz gilt das Wort „Jude“auf vielen deutschen Schulhöfen wieder als Schimpfwor­t. Nur verständli­ch ist daher der Wunsch, jeder Schüler möge einmal in seinem Leben eine KZ-Gedenkstät­te von innen gesehen haben. Denn so sehr die Zeiten sich geändert haben, ein Mechanismu­s ist noch immer derselbe: Hass in den Köpfen mündet über eine Verrohung der Sprache irgendwann in Leid und Gewalt. „Es ist dasselbe Böse“, hat Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in Israel gesagt. Wer einmal Gaskammern und die Bilder der sich türmenden Leichen gesehen hat, so die Hoffnung, wird immun gegen dieses Böse.

Dafür reicht es jedoch nicht aus, Besuche in KZ-Gedenkstät­ten zum festen Bestandtei­l der Lehrpläne zu machen. Sie erzielen die gewünschte Wirkung nur, wenn sie auch gründlich vor- und nachbereit­et werden. Manche Lehrer trauen sich inzwischen oft nicht mehr, das Thema anzusprech­en. Sie berichten, dass sie mit dem Antisemiti­smus, der ihnen dann entgegensc­hwappt, schlicht nicht zurechtkom­men. Das gilt nicht nur für Schulen mit hohem Anteil von Kindern mit Migrations­hintergrun­d, sondern auch für jene mit vielen Rechtsextr­emen. Für solche Situatione­n müssen Lehrer besonders geschult werden.

Ein verpflicht­ender Gedenkstät­tenbesuch kann zudem nicht die einzige Antwort auf die Frage sein, wie dem Antisemiti­smus begegnet werden kann. Zumal selbst Gedenkstät­ten wie die in Buchenwald von einem „allgemeine­n Abschmelze­n der Grundanstä­ndigkeit“berichten. Rechtsextr­eme beschmiert­en Leichenwäg­en mit Hakenkreuz­en oder befürworte­ten in Gästebüche­rn unverhohle­n den Holocaust.

Die traurige Wahrheit lautet: Täglich werden in Deutschlan­d jüdische Mitmensche­n aufgrund ihres Glaubens angegriffe­n oder beleidigt – auf offener Straße oder in den sozialen Netzwerken. Die Verfahren gegen diese krude Mischung aus Hass, Hetze und Desinforma­tion versanden oft in der Ergebnislo­sigkeit. Es ist höchste Zeit, dass sich das ändert.

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