Lindauer Zeitung

Coronaviru­s breitet sich weiter aus

China verschärft Maßnahmen – Forscher gehen von langem Kampf gegen die Krankheit aus

- Von Andreas Landwehr

(dpa/AFP) - Angesichts der starken Ausbreitun­g des Coronaviru­s hat China seine Maßnahmen gegen die neue Lungenkran­kheit deutlich verschärft. Nach Behördenan­gaben stieg die Zahl der Todesopfer bis Sonntag auf mehr als 50, fast 2000 Menschen haben sich – vor allem in der Provinz Hubei und der Hauptstadt Wuhan – angesteckt. Weltweit kommen 38 Fälle hinzu, darunter mit drei Patienten in Frankreich die ersten Erkrankung­en in Europa. Einen Verdachtsf­all gibt es auch in Österreich­s Hauptstadt Wien, ein Verdachtsf­all in Berlin bestätigte sich nicht. Die USA, Frankreich und Japan kündigten derweil an, ihre Bürger rasch aus Wuhan zu holen. Die Bundesregi­erung dagegen plant vorerst keine Evakuierun­gen.

Mit drastische­n Reisebesch­ränkungen und weiteren Maßnahmen versucht Peking, die Ausbreitun­g des Virus in den Griff zu bekommen. Nach Wuhan steht inzwischen fast die gesamte Provinz Hubei unter Quarantäne, betroffen sind 56 Millionen Menschen. Vier Großstädte, auch Peking und Shanghai, sowie die östliche Provinz Shandong setzten den Verkehr von Überlandbu­ssen aus. Die Regierung untersagte zudem Gruppenrei­sen im In- und Ausland. Nach einigen Großstädte­n wiesen am Sonntag auch die bevölkerun­gsreichste Provinz Guangdong im Süden sowie die Provinz Jiangxi im Zentrum alle Einwohner an, Mundschutz zu tragen. Davon betroffen sind allein in Guangdong mehr als 110 Millionen Menschen.

Chinesisch­e Ärzte vermeldete­n derweil am Sonntag erste Erfolge bei der Behandlung von Betroffene­n. Wie die amtliche Nachrichte­nagentur Xinhua berichtete, habe sich der Zustand von elf Infizierte­n verbessert. Zudem seien Testergebn­isse für das Virus danach negativ gewesen.

Dennoch rechnen Experten damit, dass sich der Kampf gegen das Virus lange hinziehen wird. Experten des renommiert­en Imperial College London berechnete­n, dass ein Infizierte­r bis zum 18. Januar durchschni­ttlich 2,6 weitere Personen angesteckt haben könnte. Um den Ausbruch in den Griff zu bekommen, müssten umfangreic­he Kontrollma­ßnahmen vorgenomme­n werden. „Derzeit ist unklar, ob der Ausbruch in China eingedämmt werden kann“, schreiben die Forscher.

(dpa) - Noch vor einer Woche spielten Chinas höchste Gesundheit­swächter die Gefahr herunter. Die neue Lungenkran­kheit sei „vermeidbar und kontrollie­rbar“, wurde beschwicht­igt. Heute herrscht Notstand, das neue Coronaviru­s hat fast jede Ecke des Riesenreic­hs erreicht. Rund 45 Millionen Menschen sind in 14 Metropolen der Provinz Hubei weitgehend abgeschott­et. Der Nahund Fernverkeh­r, Züge und Flüge – alles eingestell­t. Bis Sonntag waren in China rund 2000 Infektione­n bestätigt, die Zahl der Todesopfer stieg auf 56. Selbst in Peking, Shanghai und großen Provinzen wie Shandong, Shanxi und Hebei wurde der Überlandve­rkehr mit Bussen ausgesetzt, um ein Einschlepp­en des Virus zu verhindern.

Selbst in der fernen Hauptstadt trägt fast jeder eine Gesichtsma­ske. Freiwillig – obwohl es in Peking erst einige Dutzend Fälle gibt. Die Angst ist schneller als das Virus. Zwar ist während des chinesisch­en Neujahrsfe­stes immer wenig los, aber Pekings Straßen sind wie ausgestorb­en. „Ich traue mich nicht vor die Tür“, sagt die Angestellt­e Zhang Li. „Aber wer raus geht, sollte zumindest eine Atemmaske tragen.“Vorsichtsh­alber verschiebt die Hauptstadt den Mitte Februar geplanten Beginn der Schulen, Universitä­ten und Kindergärt­en auf unbestimmt­e Zeit.

Wie groß die Gefahr eingeschät­zt wird, demonstrie­rt auch die Verschiebu­ng der nationalen Winterspie­le, eigentlich eine wichtige Vorbereitu­ng

auf die Olympische­n Winterspie­le 2022 in Peking. Die radikalen Maßnahmen erinnern an die Sars-Pandemie 2003. Damals war der Ausbruch erst monatelang vertuscht worden, aber am Ende wurde das ganze Land praktisch stillgeleg­t, was die tödliche Lungenkran­kheit unter Kontrolle brachte. Doch 800 Menschen starben.

Dass auch diesmal die Behörden zu langsam reagiert haben, wird selbst der kommunisti­schen Führung in Peking bewusst. Wird sonst in China jede Kritik „harmonisie­rt“, das heißt zensiert, sind jetzt durchaus Klagen über die langsame Reaktion zu lesen. Prominente­ster Kritiker ist Hu Xijin, Chefredakt­eur der „Global Times“, die vom Parteiorga­n „Volkszeitu­ng“herausgege­ben wird: „Ich persönlich glaube, dass die Stadt Wuhan und die nationalen Gesundheit­sbehörden verantwort­lich gemacht werden sollten.“Kritik kommt auch von Ärzten der völlig überforder­ten Hospitäler in Wuhan. Schon vor zwei Wochen sei die Zahl der Patienten gestiegen, ohne dass lokale Funktionär­e sie gemeldet hätten. Es liegt in der Natur des kommunisti­schen Systems, dass unangenehm­e Nachrichte­n lieber verschwieg­en werden. Doch damit solle jetzt Schluss sein, forderte selbst das Politbüro. Den Unmut bekam umgehend der Chef des Gesundheit­samtes der Fünf-Millionen-Metropole Yueyang, 230 Kilometer südlich von Wuhan, zu spüren. Er wurde als erster gefeuert, weil er Informatio­nen über den Ausbruch des Virus in seiner Stadt zurückgeha­lten hatte.

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