Coronavirus breitet sich weiter aus
China verschärft Maßnahmen – Forscher gehen von langem Kampf gegen die Krankheit aus
(dpa/AFP) - Angesichts der starken Ausbreitung des Coronavirus hat China seine Maßnahmen gegen die neue Lungenkrankheit deutlich verschärft. Nach Behördenangaben stieg die Zahl der Todesopfer bis Sonntag auf mehr als 50, fast 2000 Menschen haben sich – vor allem in der Provinz Hubei und der Hauptstadt Wuhan – angesteckt. Weltweit kommen 38 Fälle hinzu, darunter mit drei Patienten in Frankreich die ersten Erkrankungen in Europa. Einen Verdachtsfall gibt es auch in Österreichs Hauptstadt Wien, ein Verdachtsfall in Berlin bestätigte sich nicht. Die USA, Frankreich und Japan kündigten derweil an, ihre Bürger rasch aus Wuhan zu holen. Die Bundesregierung dagegen plant vorerst keine Evakuierungen.
Mit drastischen Reisebeschränkungen und weiteren Maßnahmen versucht Peking, die Ausbreitung des Virus in den Griff zu bekommen. Nach Wuhan steht inzwischen fast die gesamte Provinz Hubei unter Quarantäne, betroffen sind 56 Millionen Menschen. Vier Großstädte, auch Peking und Shanghai, sowie die östliche Provinz Shandong setzten den Verkehr von Überlandbussen aus. Die Regierung untersagte zudem Gruppenreisen im In- und Ausland. Nach einigen Großstädten wiesen am Sonntag auch die bevölkerungsreichste Provinz Guangdong im Süden sowie die Provinz Jiangxi im Zentrum alle Einwohner an, Mundschutz zu tragen. Davon betroffen sind allein in Guangdong mehr als 110 Millionen Menschen.
Chinesische Ärzte vermeldeten derweil am Sonntag erste Erfolge bei der Behandlung von Betroffenen. Wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, habe sich der Zustand von elf Infizierten verbessert. Zudem seien Testergebnisse für das Virus danach negativ gewesen.
Dennoch rechnen Experten damit, dass sich der Kampf gegen das Virus lange hinziehen wird. Experten des renommierten Imperial College London berechneten, dass ein Infizierter bis zum 18. Januar durchschnittlich 2,6 weitere Personen angesteckt haben könnte. Um den Ausbruch in den Griff zu bekommen, müssten umfangreiche Kontrollmaßnahmen vorgenommen werden. „Derzeit ist unklar, ob der Ausbruch in China eingedämmt werden kann“, schreiben die Forscher.
(dpa) - Noch vor einer Woche spielten Chinas höchste Gesundheitswächter die Gefahr herunter. Die neue Lungenkrankheit sei „vermeidbar und kontrollierbar“, wurde beschwichtigt. Heute herrscht Notstand, das neue Coronavirus hat fast jede Ecke des Riesenreichs erreicht. Rund 45 Millionen Menschen sind in 14 Metropolen der Provinz Hubei weitgehend abgeschottet. Der Nahund Fernverkehr, Züge und Flüge – alles eingestellt. Bis Sonntag waren in China rund 2000 Infektionen bestätigt, die Zahl der Todesopfer stieg auf 56. Selbst in Peking, Shanghai und großen Provinzen wie Shandong, Shanxi und Hebei wurde der Überlandverkehr mit Bussen ausgesetzt, um ein Einschleppen des Virus zu verhindern.
Selbst in der fernen Hauptstadt trägt fast jeder eine Gesichtsmaske. Freiwillig – obwohl es in Peking erst einige Dutzend Fälle gibt. Die Angst ist schneller als das Virus. Zwar ist während des chinesischen Neujahrsfestes immer wenig los, aber Pekings Straßen sind wie ausgestorben. „Ich traue mich nicht vor die Tür“, sagt die Angestellte Zhang Li. „Aber wer raus geht, sollte zumindest eine Atemmaske tragen.“Vorsichtshalber verschiebt die Hauptstadt den Mitte Februar geplanten Beginn der Schulen, Universitäten und Kindergärten auf unbestimmte Zeit.
Wie groß die Gefahr eingeschätzt wird, demonstriert auch die Verschiebung der nationalen Winterspiele, eigentlich eine wichtige Vorbereitung
auf die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking. Die radikalen Maßnahmen erinnern an die Sars-Pandemie 2003. Damals war der Ausbruch erst monatelang vertuscht worden, aber am Ende wurde das ganze Land praktisch stillgelegt, was die tödliche Lungenkrankheit unter Kontrolle brachte. Doch 800 Menschen starben.
Dass auch diesmal die Behörden zu langsam reagiert haben, wird selbst der kommunistischen Führung in Peking bewusst. Wird sonst in China jede Kritik „harmonisiert“, das heißt zensiert, sind jetzt durchaus Klagen über die langsame Reaktion zu lesen. Prominentester Kritiker ist Hu Xijin, Chefredakteur der „Global Times“, die vom Parteiorgan „Volkszeitung“herausgegeben wird: „Ich persönlich glaube, dass die Stadt Wuhan und die nationalen Gesundheitsbehörden verantwortlich gemacht werden sollten.“Kritik kommt auch von Ärzten der völlig überforderten Hospitäler in Wuhan. Schon vor zwei Wochen sei die Zahl der Patienten gestiegen, ohne dass lokale Funktionäre sie gemeldet hätten. Es liegt in der Natur des kommunistischen Systems, dass unangenehme Nachrichten lieber verschwiegen werden. Doch damit solle jetzt Schluss sein, forderte selbst das Politbüro. Den Unmut bekam umgehend der Chef des Gesundheitsamtes der Fünf-Millionen-Metropole Yueyang, 230 Kilometer südlich von Wuhan, zu spüren. Er wurde als erster gefeuert, weil er Informationen über den Ausbruch des Virus in seiner Stadt zurückgehalten hatte.