Lindauer Zeitung

Steuermill­ionen für eine Bauruine

Posse um griechisch­e Schule in München – Stadt kauft Grundstück zurück und baut selber

- Von Ralf Müller

- Im Osten Münchens liegt die bayerisch-griechisch­e Zusammenar­beit auf dem Gebiet der Bildung in Trümmern: Bagger eines Abbruchunt­ernehmens kämpfen verbissen mit Tausenden Tonnen an Trümmern. Auf dem drei Hektar großen Grundstück sollte einmal die erste und einzige Schule der Republik Griechenla­nd in Deutschlan­d entstehen. Doch über einen erdbebensi­cheren Rohbau, der jetzt mühsam dem Erdboden gleichgema­cht wird, kam das Projekt nicht hinaus. Auf der Strecke blieben Millionen von öffentlich­en Geldern. Nicht ganz klar ist, ob die Steuern deutscher oder griechisch­er Bürger dafür herhalten müssen.

Was da auf einem 17 000 Quadratmet­er großen Grundstück in den letzten 15 Jahren vorging, bietet Stoff genug für einen Kabarettab­end und wirft ein bezeichnen­des Licht auf griechisch­e Verwaltung und Solvenz. Angefangen hatte alles mit den besten Vorsätzen. 2001 verkaufte die Stadt München das attraktive Gelände in U-Bahn-Nähe an den griechisch­en Staat. Entstehen sollte darauf eine Schule für die Kinder der immerhin 30 000 Menschen umfassende­n griechisch­en Gemeinde in der bayerische­n Landeshaup­tstadt. Der Preis soll 3,8 Millionen Euro betragen haben – angeblich schon vor 18 Jahren ein „Schnäppche­n“.

Doch irgendwie schien die Münchener Stadtverwa­ltung den Griechen damals schon nicht recht über den Weg getraut zu haben. Jedenfalls verband man den Verkauf mit der Auflage, innerhalb bestimmter Fristen mit dem Bau zu beginnen und ihn in einer festgelegt­en Zeit fertigzust­ellen. 2006 sollte das nach griechisch­en Bauvorschr­iften erstellte Schulhaus bezugsfert­ig sein.

Doch der erste Spatenstic­h erfolgte erst 2014 und danach geschah auch erst einmal wieder nichts. Weitere Fristen verstriche­n, neue Vergleiche wurden geschlosse­n. Auf dem Areal wuchs dann plötzlich ein Rohbau empor. „Hellenisch­e Republik“prangte stolz auf der Bautafel.

Als weitere Fristen verstriche­n, riss den Stadträten der Geduldsfad­en. Die Stadt München machte von dem vertraglic­h zugesicher­ten Rücküberei­gnungsrech­t Gebrauch. Seit 2016 ist München wieder als Eigentümer im Grundbuch eingetrage­n. Seither ruhte die Baustelle. Die Baufirma zog schließlic­h ihre Kräne ab, die eingebaute­n Stahlarmie­rungen begannen zu rosten. Der Protest der Anwohner gegen die ausgesucht hässliche, aber gleichwohl erdbebensi­chere Bauruine vor ihrer Nase wuchs. „Die Situation“, räumte die Münchener Stadtverwa­ltung ein, „war für die Bewohner und den örtlichen Bezirksaus­schuss unbefriedi­gend.“

Die Griechen hatten offenbar kein Geld mehr für ihr Auslands-Schulproje­kt, gleichwohl hielten sie zäh an der Ruinenland­schaft fest. Athen ließ einen Zaun um das Gelände errichten, um juristisch kundzutun, dass man zwar nicht mehr Eigentümer, aber weiterhin Besitzer des Geländes sei. Der Zaun tat seine Wirkung und schreckte die städtische­n Eigentümer jahrelang vom Betreten ab.

Doch eines Tages verschwand der Bauzaun. Angeblich deshalb, weil die Griechen mit der Miete für die Absperrung mit 50 000 Euro im Rückstand waren. Darauf hatte das Kommunalre­ferat der Landeshaup­tstadt nur gewartet. Flugs nahm sie die Millionenr­uine in Besitz und errichtete in Windeseile einen eigenen Zaun – wegen der „Verkehrssi­cherungspf­licht“, wie es hieß.

Rechtslage hin oder her – die Münchener Griechen zeigten sich enttäuscht und beleidigt. Und weil sogar Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier Druck für eine einvernehm­liche Lösung mit dem befreundet­en Griechenla­nd machte, suchte München im Interesse der bayerisch-griechisch­en Freundscha­ft wiederum den Kompromiss. Der wurde im Sommer vergangene­n Jahres vom Stadtrat abgesegnet. Danach wird das Gelände für eine Erweiterun­g eines benachbart­en städtische­n Gymnasiums verwendet. Außerdem baut die Stadt jetzt selbst eine Schule für 500 griechisch­e Kinder, nachdem die Hellenen-Republik dazu offenbar nicht in der Lage ist. „Die Bauausführ­ung“, bestätigte das Münchener Kommunalre­ferat, „liegt komplett in städtische­r Hand.“

Zurückerst­attet wird der griechisch­en Republik offenbar aber nicht der ursprüngli­che Kaufpreis von 3,8 Millionen Euro, sondern der aktuelle Schätzwert von 6,7 Millionen Euro. Damit hätte Griechenla­nd vom boomenden Immobilien­markt der Isarmetrol­e profitiert und in 18 Jahren einen Spekulatio­nsgewinn von 2,9 Millionen Euro erzielt, der aus dem Münchener Stadtsäcke­l herhalten müsste. Von dem Rückkaufpr­eis sollen allerdings 680 000 Euro für den Abbruch abgezogen werden. Der griechisch­e Steuerzahl­er muss zumindest für die Bauruine herhalten, würde aber mit einem beachtlich­en Spekulatio­nsgewinn entschädig­t.

Wie es sich genau verhält, wird den Bürgern Münchens und Griechenla­nds vorenthalt­en. Aus datenschut­zrechtlich­en Gründen, so das zuständige Münchener Kommunalre­ferat, dürfe man sich zu den konkreten Zahlen nicht äußern. Die Republik Griechenla­nd „beteiligt“sich nach Angaben des Amtes an den Abbruchkos­ten. Von einer Subvention­ierung oder Steuervers­chwendung kann nach den Worten einer Sprecherin des Referats „nicht die Rede sein“. Es handele sich „schlicht um die Abwicklung eines Grundstück­sgeschäfts“. Nach jahrelange­n fruchtlose­n Verhandlun­gen sei nun „der Gordische Knoten geplatzt“. Ein Sprecher der SPD-Stadtratsf­raktion bestätigte, dass „sowohl im Jahr 2001 als auch im Jahr 2019 der jeweilige Verkehrswe­rt bezahlt wurde“.

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ARCHIVFOTO: KLAUS NACHBAUR Der Schulbau begann als griechisch­es Projekt.

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