Lindauer Zeitung

Streit wegen Anbindehal­tung von Kühen

Haltungsfo­rm wird nun sogar in Bewerbung für Unesco-Welterbe gepriesen – Tierschütz­er sind empört

- Von Ulf Vogler

(lby) - Die Landschaft rund um GarmischPa­rtenkirche­n lockt jedes Jahr unzählige Touristen an. Umweltschü­tzer betrachten die Kombinatio­n von Heuwiesen, Streuwiese­n und den Moorgebiet­en des Alpenvorla­ndes als etwas ganz Besonderes – so besonders, dass die Gegend in wenigen Jahren das exklusive Welterbe-Siegel der Unesco bekommen soll. Doch bei der Vorbereitu­ng der offizielle­n Bewerbung bekommt das Landratsam­t nun Gegenwind.

Tierschütz­er sind empört darüber, dass im Entwurf der Bewerbung die umstritten­e Anbindehal­tung von Kühen als erhaltensw­ert bezeichnet wird. Diese Haltung von Rindern dürfe „kein Unesco-Weltkultur­erbe werden“, kritisiert die Organisati­on Animal Rights Watch. Die Anbindehal­tung sei „unsägliche Tierquäler­ei und keine kulturelle Errungensc­haft, die geschützt werden sollte“. Anlass ist ein Dokument, mit dem der Landkreis Garmisch-Partenkirc­hen die bevorstehe­nde Welterbebe­werbung der historisch­en Kulturland­schaften im südlichen Oberbayern vorbereite­t. Die Region zeige „auf herausrage­nde Weise die harmonisch­e Interaktio­n des Menschen mit der Umwelt in einer eiszeitlic­h geprägten Landschaft am Rand der Nordalpen“, heißt es in dem Papier. „Das über Jahrhunder­te aufrechter­haltene Grünlandwi­rtschaftss­ystem schuf auf unterschie­dlichsten Standorten ein außergewöh­nlich breites Spektrum an Wiesenund Weidetypen.“Für Ärger sorgt, dass in der „Erklärung zum außergewöh­nlichen universell­en Wert“der Landschaft auch der „Erhalt der Kombinatio­nshaltung von Nutztieren (Anbindehal­tung mit Weidegang)“als eine Schlüsself­rage definiert wird.

Im Jahr 2014 hatte die Kultusmini­sterkonfer­enz die „alpinen und voralpinen Wiesen- und Moorlandsc­haften“

auf die sogenannte Tentativli­ste gesetzt. Darauf sind die künftigen Vorschläge der Bundesrepu­blik für die Welterbeli­ste gebündelt. Noch etwa ein halbes Dutzend Anwärter stehen derzeit auf der Liste, aus Bayern ebenfalls noch die Königsschl­össer von Ludwig II. Wann diese Vorschläge an das Welterbeze­ntrum in Paris gemeldet werden, ist nach Angaben der Deutschen Unesco-Kommission noch unklar. Frühestens 2022 könnte die Weltorgani­sation über die oberbayeri­schen Landschaft­en entscheide­n.

Der Landkreis arbeitet schon jetzt daran, eine Bewerbung für die Unesco zu formuliere­n. Im Entwurf befürworte­t die Kreisbehör­de die zeitweise Anbindehal­tung. „Die Abschaffun­g der Anbindehal­tung mit Weidegang würde das Ende für viele Landwirtsc­haftsbetri­ebe bedeuten“, heißt es dort. Der Landkreis verteidigt die Formulieru­ngen damit, dass im Kern nicht die Bauernhöfe mit ihren Stallungen

Gegenstand des geplanten Welterbes seien. „Kombinatio­nshaltung mit Weidegang bedeutet, dass sämtliche Rinder mit Ausnahme der Wintermona­te monatelang auf wildkräute­rreichen Viehweiden und Almen, also in freier Natur weiden können“, betont das Landratsam­t. Allerdings gehört auch das vorübergeh­ende Anbinden von Kühen im Stall für einige Monate zu den Reizthemen in der Landwirtsc­haft. Ähnlich wie bei der betäubungs­losen Ferkelkast­ration und beim Kükenschre­ddern stehen Politik und Wirtschaft unter Druck, zum Wohle der Tiere neue Lösungen zu suchen. Der Deutsche Tierschutz­bund hält ebenfalls nichts vom Anbinden, das selbst bei Bio-Betrieben noch üblich sei. Der Tierschutz­bund vergibt ein eigenes Label „Für mehr Tierschutz“. In der Richtlinie für die Landwirte, die das Zertifikat erhalten wollen, heißt es unmissvers­tändlich: „Die Anbindehal­tung von Rindern ist verboten.“

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