Harte Zeiten auf Kuba
Venezuelas Kollaps und Trumps Sanktionen werfen den letzten kommunistischen Vorposten der westlichen Welt in die 1980er zurück
- Die Ochsenkarren sind zurück auf Kuba. Auf den Feldern in den Provinzen der Insel müssen die Bauern wieder mit der jahrhundertealten Methode anbauen, weil es keine Traktoren oder keinen Diesel gibt.
Auch die Ärzte sind wieder da. Sie wurden aus Brasilien, Bolivien, Ecuador und El Salvador rausgeschmissen oder von der kubanischen Regierung zurückgeholt aus Venezuela. Experten wie Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer und Trainer waren Kubas wertvollster Export in den vergangenen Jahren. Sie brachten Devisen auf die Insel oder wurden mit Öl- und Nahrungsmittellieferungen verrechnet.
Aber in einem für Kuba mittlerweile feindlichen Umfeld versiegt diese Quelle allmählich. Vergangenes Jahr kamen 9000 entsandte Ärzte und Pflegepersonal der „Medizinbrigaden“auf die Insel zurück. 2018 hatte die Regierung in Havanna noch 6,3 Milliarden Dollar aus dem ExpertenExport eingenommen. „Das war bei Weitem die wichtigste Devisenquelle“, sagt Pavel Vidal, Ökonom an der katholischen Javeriana-Universität im kolumbianischen Cali. Neue Vertragsstaaten zu finden, sei schwierig. „Zum einen wegen der politischen Konnotation und zum anderen wegen der Notwendigkeit, dass dieser Staat auch etwas Wichtiges für Kuba liefern können muss, wie zum Beispiel Erdöl“, unterstreicht Vidal.
Es fehlt an fast allem
Die Entwicklungen in der Landwirtschaft und dem Experten-Export zeigen, wie es zu Beginn des Jahres 2020 auf Kuba aussieht. Es fehlt wieder an fast allem, mehr denn je an harter, umrechenbarer Währung, an Lebensmitteln, aber auch an Infrastruktur und dem Treibstoff für die Produktionsmittel.
Es ist ein Teufelskreis. Weil es kein Geld gibt, kann kein Benzin oder Öl bezahlt werden. Daher kann auch nicht genügend im Land produziert werden, weshalb es mehr Devisen braucht, um im Ausland Nahrungsmittel einzukaufen. Und so nähert sich Kuba immer mehr einer Zeit an, die man in der Führungsspitze der kommunistischen Partei längst überwunden glaubte. Fidel Casto rief die „Spezialperiode“nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aus, als das letzte kommunistische Eiland im kapitalistischen Meer zeitweise sogar vor dem wirtschaftlichen Untergang stand und nur mit harten Sparmaßnahmen und homöopathischen Dosen von Kapitalismus auf Kurs blieb. Seinerzeit brach die Wirtschaftskraft um 35 Prozent ein.
Eine Lehre von damals hat die Regierung gezogen. Havanna setzt auf mehrere Partner. Neben dem neuen „Bruderstaat“Venezuela gehören Mexiko, Russland, Iran, China und Algerien zu den Alliierten.
Die Krise ist seit Sommer zurück
Aber dennoch ist die Krise bereits seit dem Sommer zurück. Stromrationierungen, Benzinknappheit vor allem auf dem Land, Kurzarbeit in den staatlichen Fabriken und das Fehlen bestimmter Güter gehören wieder zum Alltag. Speiseöl ist kaum bezahlbar, Toilettenpapier, Kondome und Kaffee sind auch gegen harte Währung kaum zu bekommen. Besonders hart trifft die Insel der Quasi-Ausfall Venezuelas. Das Land schickte seit 2003 viele Jahre täglich 100 000 Fass Öl zu Vorzugskonditionen. Mittlerweile sind es an guten Tagen noch 30000 Fass. 2012, auf dem Höhepunkt der Kooperation, belief sich der Handelsaustausch der Bruderstaaten auf 16 Milliarden Dollar, wie der in den USA lebende Ökonom Carmelo Mesa-Lago schreibt. 2017 war es nur noch die Hälfte, und seitdem ist der Wirtschaftsaustausch weiter eingebrochen.
Zudem leidet der Tourismus darunter, dass die USA ihren Kreuzfahrtschiffen verbieten, Kuba anzulaufen. US-Fluglinien dürfen jetzt nur noch nach Havanna und in keine anderen Städte mehr fliegen. Reiseerlaubnisse aus den Zeiten Barack Obamas wurden unter seinem Nachfolger Donald Trump fast völlig kassiert. Gerade hatte sich Kuba an die neuen, zahlungskräftigen Urlauber von nebenan gewöhnt, da bleiben sie auch schon wieder weg. 30 Prozent der rund 4,7 Millionen Touristen im Jahr 2017 waren US-Amerikaner.
Dramatisch für das Land und vor allem für die Bevölkerung sind die
Restriktionen bei den Dollar-Überweisungen der Exilkubaner an ihre Angehörigen. Sie wurden gerade erst auf 1000 Dollar pro Quartal begrenzt. Überweisungen aus den USA nach Kuba sind überhaupt nur noch an Familienmitglieder gestattet, DollarSpenden ganz verboten. US-Finanzminister Steve Mnuchin machte deutlich, dass der kubanischen Regierung so der Zugang zu Devisen entzogen werden soll. Die Auslandsüberweisungen beliefen sich 2018 noch auf rund 3,5 Milliarden Dollar und waren damit die zweitwichtigste Devisenquelle der Insel.
Intershops wie in der DDR
Begegnen will die Regierung der Devisenknappheit unter anderem mit einer Art karibischen Intershops wie aus DDR-Zeiten. Ende Oktober wurden die ersten 13 dieser DollarLäden eröffnet, zwölf in Havanna, einer in Santiago de Cuba. Dort verkauft die Regierung vor allem elektronische Haushaltsgeräte und Autozubehör, aber auch Artikel des täglichen Bedarfs, die es sonst nirgendwo gibt.
So macht der Staat seiner eigenen Bevölkerung Konkurrenz. Bisher flogen die Kubaner nach Panama oder Mexiko, kauften dort für den Eigenbedarf oder zum Weiterverkauf zum Beispiel Klimaanlagen ein. Die Dollarläden sind der Versuch, diese Devisen selber abzuschöpfen, die sonst das Land verließen. Laut der in Miami ansässigen Havana Consulting Group gehen dem Land so jährlich zwei Milliarden Dollar verloren.
Für Ökonomen wie Pavel Vidal können die Dollar-Läden nur das Schlimmste verhindern. Langfristige Besserung verspräche nur eine Abkehr vom System der Staatsbetriebe, die weitgehend unrentabel arbeiten, sowie der weitere Ausbau des Tourismus. Carmelo Mesa-Lago fordert für die Landwirtschaft einen „MarktSozialismus“, der den Bauern völlig freie Hand lässt bei der Frage, was sie produzieren und an wen sie zu welchen Preisen verkaufen.