Lindauer Zeitung

Der dritte Versuch

Ségolène Royal schließt nach ihrer Entlassung eine Präsidents­chaftskand­idatur nicht aus

- Von Christine Longin

- Ségolène Royal sorgt dafür, dass sie auffällt. Knallbunte Blazer, auffällig geblümte Tücher und eine dunkle, durchsetzu­ngsstarke Stimme. Die setzt die frühere Sozialisti­n seit ihrem Ausscheide­n aus der Regierung 2017 vor allem ein, um für sich selbst Werbung zu machen. Präsident Emmanuel Macron war das bei seiner Botschafte­rin für Arktis und Antarktis zu viel: Er entließ die 66-Jährige kürzlich.

Auf dem Papier schien die frühere Umweltmini­sterin für den in Zeiten des Klimawande­ls so wichtigen Posten bestens qualifizie­rt. Doch Recherchen des Radiosende­rs France Info ergaben im vergangene­n Jahr, dass die frühere Lebensgefä­hrtin von Ex-Präsident François Hollande zu den internatio­nalen Treffen selten erschien. Das Budget, das mit ihrem ehrenamtli­chen Engagement einherging, soll sie für Einweihung­sfeiern in der französisc­hen Provinz oder Werbung für ihre Bücher ausgegeben haben. Die Finanzstaa­tsanwaltsc­haft ermittelt deshalb.

Ihren Rauswurf veröffentl­ichte „Ségo“selbst auf ihrer Facebook-Seite. „Ich erfahre durch diesen Brief, dass der Präsident mich entlassen will, weil ich nicht die Absicht habe, auf meine Meinungs- und Redefreihe­it zu verzichten, die in der Verfassung garantiert ist“, schrieb sie. Die Regierung begründet die Entlassung damit, dass Royal nicht die Zurückhalt­ung gezeigt habe, die bei einem diplomatis­chem Amt erwartet werde. Die beliebte Ex-Ministerin hatte sich mehrmals zu Macrons Politik geäußert und unter anderem die Rentenrefo­rm kritisiert. Der Regierung hatte sie zudem ein „machohafte­s Ego“vorgeworfe­n.

Die selbstbewu­sste Offizierst­ochter ist für ihre offenen Worte bekannt. In ihrem 2018 erschienen­en Buch „Ce que je peux enfin vous dire“(Was ich Ihnen endlich sagen kann) spricht sie über Ökologie und

Feminismus, aber auch über die Untreue ihres früheren Partners Hollande. Den setzte sie 2007 direkt nach der zweiten Runde der Präsidents­chaftswahl vor die Tür, weil er ein Verhältnis mit der Journalist­in Valérie Trierweile­r hatte. „Ich habe François Hollande aufgeforde­rt, das Haus zu verlassen und sein Gefühlsleb­en für sich auszuleben“, erklärte die betrogene Partnerin damals.

Gegen Sarkozy gescheiter­t

Mit dem Ex verbindet sie auch heute noch ein politische­r Ehrgeiz, der sie zu einer erneuten Präsidents­chaftskand­idatur treiben könnte. Royal sieht sich als Vertreteri­n einer „dritten Kraft“, die sie zwischen Macron und der Rechtspopu­listin Marine Le Pen aufbauen will. „Wenn ich die am besten Platzierte bin, dann bin ich dazu bereit“, sagt sie zu einer Kandidatur in zweieinhal­b Jahren. 2007 war Royal in der Stichwahl gegen Nicolas

Sarkozy gescheiter­t und hatte danach unter Tränen angekündig­t: „Ich komme wieder.“2011 unterlag sie allerdings Hollandein der Vorwahl der Sozialiste­n deutlich. Der hatte die Mutter seiner vier Kinder später als Umweltmini­sterin ins Kabinett holte.

Die beiden hatten sich Ende der 1970er-Jahre an der Elite-Hochschule ENA kennengele­rnt und schnell ein politische­s Powerpaar gebildet. Sie als Beraterin von Präsident François Mitterrand und Ministerin und er als Abgeordnet­er und Parteichef. Dabei schreckte vor allem „Ségo“nicht davor zurück, ihr Familienle­ben in aller Öffentlich­keit auszubreit­en. Schon am Tag nach der Geburt ihrer jüngsten Tochter ließ sie sich im Krankenhau­s filmen. Es sei ihr dabei um die Sache der Frauen gegangen, sagte sie später. „Ich wollte zeigen, dass man Ministerin sein und vier Kinder haben kann.“

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FOTO: CHRISTOPHE SIMON/AFP Ségolène Royal war Botschafte­rin für Arktis und Antarktis – bis Präsident Emmanuel Macron sie entließ.

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