Lindauer Zeitung

„Judas“, der Streif-Lichtblick

Ein Österreich­er gewinnt – und auch der beste Deutsche stammt aus der Alpenrepub­lik

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(SID) - Tausende Zuschauer riefen seinen Namen, doch Thomas Dreßen schüttelte nur enttäuscht den Kopf. „Klar bin ich sauer“, sagte der beste deutsche Abfahrer nach Rang 26 auf der Streif, am heiligen Berg der Österreich­er, die den ersehnten Heimsieg von Matthias „Mothl“Mayer mit Bengalos feierten. Dreßen, 2018 noch umjubelter Sensations­sieger in Kitzbühel, durfte sich mit dem höflichen Applaus von „Terminator“Arnold Schwarzene­gger trösten – und beklatscht­e selbst einen Teamkolleg­en: Romed Baumann stahl ihm als starker Siebter die Show. „Bester Deutscher ist immer ein super Titel, meine Teamkamera­den sind ja auch keine Nasenbohre­r“, sagte Baumann, der gebürtige Österreich­er schmunzeln­d, „es ist ungewohnt, aber es fühlt sich gut an.“In die Freude mischte sich bei Baumann das Gefühl der „Genugtuung“– ausgerechn­et in Kitzbühel. Dort hatte ihm der Österreich­ische Skiverband im vergangene­n Jahr den Start verweigert, „das war sicher ein Tiefpunkt meiner Karriere“, berichtete Baumann mit bewegter Stimme: „Da bin ich rumgelaufe­n wie ein geschlagen­er Hund und hab’ nimmer g’wusst, wie ich mich aus dem Loch herausbrin­ge.“

„Das ist echt Bombe“

Der Wechsel über die Grenze, wo der Familienva­ter mit seiner bayerische­n Ehefrau Vroni und den beiden Kindern in Kiefersfel­den lebt, war für den 34-Jährigen ein Neubeginn. Baumanns Dank in Kitz galt dem DSV – und seinen Teamkolleg­en. „Das ist echt Bombe“, sagte er über die Verneigung von Dreßen und Co., „ich habe das nicht gekannt, im ÖSV herrscht von Kindheit an Konkurrenz.“Im deutschen Abfahrtste­am dagegen sei er vom ersten Trainingsl­ager

an aufgenomme­n worden, „als ob ich schon immer dazugehört hätte“.

Besondere Motivation hatte Baumann auch aus den Beschimpfu­ngen der Fans gezogen, wie er sagte: „Nach der Besichtigu­ng haben mir ein paar Fans so laut ,Judas’ nachgeschr­ien, das hat mich angespornt. Ich war richtig heiß darauf, mein bestes Skifahren zu zeigen.“Und das tat er.

Josef Ferstl, hinter Baummann und dem guten Elften Andreas Sander als 25. drittbeste­r DSV-Starter, schwärmte vom neuen Kollegen. „Das ist Wahnsinn, eine Hammergesc­hichte“, sagte er, „man muss sich vorstellen: Der wird vom ÖSV in Anführungs­strichen entlassen, kommt zu uns – und ist jetzt der beste Deutsche!“

Insgesamt zeigte die Streif auch bei der 80. Ausgabe der Hahnenkamm­rennen ihre Krallen. Manuel Schmid verlor einen Ski und stürzte spektakulä­r, auf der VIP-Tribüne hielt Uschi Glas den Atem an. Andere „Adabeis“wie Bernie Ecclestone, Heiner Lauterbach oder DJ Ötzi bestaunten weitere Unfälle, die allesamt glimpflich ausgingen.

Dreßens Pech: Unmittelba­r vor seinem Start flog der Amerikaner Ryan Cochran-Siegle ab. Das habe ihn bei der Rückkehr an den Ort seines größten Sieges „aus der Konzentrat­ion herausgeri­ssen“, sagte er, „das ist immer eine Scheißsitu­ation“.

Sein Patzer am sogenannte­n „UHakerl“im oberen Teil der 3312 m langen Mutprobe sei dann „ein Ergebnis von Risiko“gewesen. In der Folge habe er „alles probiert“, doch mit seiner Linienwahl an den Schlüssels­tellen Hausberg und Traverse lag Dreßen daneben. „Mein Gott“, rief er schulterzu­ckend, „lieber mache ich mal einen Fehler, als dass ich grundsätzl­ich zu langsam bin.“

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FOTO: ESPA PHOTO AGENCY/DPA Romed Baumann fuhr mutig auf Platz sieben.

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