Lindauer Zeitung

Bahnhofsmö­rder kommt in Psychiatri­e

28-Jähriger hatte Frau vor einen einfahrend­en Zug gestoßen

- Von Jörn Hartwich

(dpa) - Kaum ist das Urteil gesprochen, blickt sich der Angeklagte in aller Ruhe um. Eine Regung ist nicht zu erkennen. Als die Wachtmeist­er ihn später in Handschell­en aus dem Gerichtssa­al führen, geht er fast schon gelassen mit. Rund sechs Monate ist es her, dass der 28-Jährige auf dem Bahnhof im niederrhei­nischen Voerde eine Frau vor einen fahrenden Zug gestoßen hat. Ein heimtückis­cher Mord, befindet das Duisburger Schwurgeri­cht am Dienstag und weist den Angeklagte­n auf unbestimmt­e Zeit in die geschlosse­ne Psychiatri­e ein.

Verurteilt werden konnte der in Deutschlan­d geborene Serbe nicht. Der neunfache Familienva­ter ist psychisch schwer krank und gilt als schuldunfä­hig. Richter Joachim Schwartz sprach am Dienstag von einer „verstörend­en Tat“. Der Angeklagte habe die 34-Jährige mit voller Wucht vor den einfahrend­en Zug gestoßen. Die Mutter einer Tochter war noch im Gleisbett gestorben. Eine Zugbegleit­erin, die vorne neben dem Zugführer stand, hatte die Frau noch wahrgenomm­en. „Wir haben ein lächelndes Gesicht gesehen“, hatte sie den Richtern bei ihrer Zeugenvern­ehmung gesagt.

„Es war eine grauenvoll­e Tat, die für Angst in den Köpfen der Menschen sorgt“, befand auch Anwalt Til Heene, der im Prozess den Bruder der Getöteten vertreten hat. Dass der 28-Jährige nicht wegen Mordes verurteilt werden könne, damit müsse die Familie nun leben. Das könne sie auch. Schließlic­h bringe auch eine Bestrafung das Opfer nicht zurück. „Wichtig ist, dass die Öffentlich­keit vor einem derart gefährlich­en Täter geschützt wird“, sagte Heene.

Es hätte offenbar jeden treffen können an jenem Morgen des 20. Juli 2019. Vor der Tat gab es keinen Kontakt zwischen Täter und Opfer. Ein Zeuge hatte vor Gericht vorgemacht, mit welcher Wucht der 28-Jährige von hinten zustieß. Die Verteidige­rin hatte sich für das Experiment freiwillig zur Verfügung gestellt und war regelrecht nach vorne katapultie­rt worden. „Sie wurde im freien Flug über mehrere Meter weggeschle­udert und musste auf der anderen Seite des Saales aufgefange­n werden“, erklärte Richter Schwartz. Mord aus Mordlust hatte die Staatsanwa­ltschaft

ursprüngli­ch angenommen, war im Laufe des Prozesses aber davon abgerückt. Heimtückis­ch sei die Tat aber jedenfalls gewesen. Das sahen auch die Richter so. Die 34-Jährige habe dem Täter keinerlei Anlass gegeben und den Angriff nicht kommen sehen. Das Motiv bleibe unklar.

Hintergrun­d der Tat ist nach Überzeugun­g der Richter die schwere psychische Erkrankung des 28Jährigen. Er leide unter Schizophre­nie. Die Steuerungs­fähigkeit sei erheblich vermindert, vielleicht sogar komplett aufgehoben gewesen.

Der 28-Jährige selbst hatte im Prozess jegliche Absicht bestritten. „Ich schubse keine Frauen“, teilte er den Richtern über seine Verteidige­rin mit. Es sei ihm an dem Tag schlecht gegangen, sein Kopf habe sich gedreht. Er sei getorkelt, habe sich vielleicht abstützen wollen. Diese Version hielt das Duisburger Schwurgeri­cht jedoch für widerlegt.

Möglicherw­eise muss der Täter sogar für den Rest seines Lebens in der geschlosse­nen Psychiatri­e für Straftäter bleiben. „Eine Wunderheil­ung ist zwar theoretisc­h möglich“, sagte Anwalt Heene, „aber sehr unwahrsche­inlich.“

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FOTO: MARCEL KUSCH, DPA Der Mörder verdeckt im Gerichtssa­al des Duisburger Landgerich­ts sein Gesicht.

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