Vorsicht! Mozart ist ansteckend
Intendant Rolando Villazón wirbelt mit der Mozartwoche Salzburg auf – Überzeugende Aufführungen prägen das Festival
- „Salzburg bringt mein Herz zum Tanzen vor Freude und Liebe“: Bei Rolando Villazón, dem schwarzlockigen Intendanten der Mozartwoche und Botschafter der Stiftung Mozarteum, tönt dieser Satz nicht nach Klischee, sondern überzeugend nach Musizierfreude und Ideenreichtum. Rolando Villazón scheint allgegenwärtig zu sein in der Stadt, ob als Intendant, Regisseur, Moderator oder Sänger. Es ist die zweite Saison seiner Intendanz. Noch bis Sonntag stehen Orchester- und Kammerkonzerte, Lesungen und Theaterstücke auf dem Programm. Einen Schwerpunkt setzt Villazón auf Mozarts Schatz an Bläsermusik, und er bindet das berühmte Marionettentheater ein.
Marc Minkowski, der frühere künstlerische Leiter der Mozartwoche, kehrte mit seinen Musiciens du Louvre ins Haus für Mozart zurück. Auf dem Programm Händels „Der Messias“in der Bearbeitung von Mozart und in der typischen Bühnenästhetik von Robert Wilson: Prägend sind Licht und Schatten, klare geometrische Linien, starke Symbolkraft in den Bühnenbildelementen, in den Gesten oder in der Haltung der Figuren.
Händels Oratorium erzählt keine Geschichte Jesu, es gibt keine Handlung wie etwa in den Passionen Bachs. So steht der „Messias“bei Wilson eher für eine spirituelle Seelenreise. Die Bilder sind stark, deuten die Musik nicht zwingend aus, stülpen ihr aber auch nichts über. Mit der Sopranistin Elena Tsallagova, der Altistin Wiebke Lehmkuhl, dem Tenor Richard Croft und dem Bassisten José Coca Loza sind die Solostimmen gut besetzt. Der von Walter Zeh einstudierte Philharmonia Chor Wien fügt sich mit leuchtendem Klang und flinken Koloraturen in die Bewegungsregie ein. Ein Tänzer bringt sich immer wieder ein, unter anderem als seltsames Zottelwesen oder im Dialog mit den Sängern. Mark Minkowski musiziert wunderbar plastisch und schwingend: Mozart wählte die deutsche Übersetzung von Klopstock und gab Händels Partitur mit den Holzbläserstimmen seiner Zeit neue Farben, sodass Händel-Kenner aufmerken dürfen. Noch einmal ist die aufwendige Produktion am Freitag, 31. Januar, zu sehen und kehrt im Juli zu den Salzburger Festspielen zurück.
Hochkarätig besetzt und getragen von der Capella Andrea Barca sorgte Mozarts Oper „Le nozze di Figaro“an zwei Aufführungen in der Felsenreitschule
für weitere musikalische Höhepunkte. Zwar konzertant in Abendgarderobe am Bühnenrand vor dem Orchester, doch mit Paravents und ein paar Accessoires in der „szenischen Einrichtung“durch Rolando Villazón, übertrafen sich Dirigent András Schiff und alle Mitwirkenden in diesem sprühend musikantischen Spiel. Mit seinem seit Jahren auf ihn eingeschworenen Orchester konnte Schiff Mozarts Meisteroper herrlich feinsinnig und detailreich gestalten und unterstützte die Sänger vom
Hammerflügel aus gemeinsam mit dem Cellisten Christoph Richter in den sprudelnden Rezitativen.
Herausgehoben seien Christiane Karg mit ihrer beseelten Interpretation der Gräfin, Regula Mühlemann als entzückende Susanna und Angela Brower in der Hosenrolle des charmanten Cherubino. Eine Luxusbesetzung für die kleine Rolle der Barbarina war die russische Koloratursopranistin Julia Lezhneva. Florian Boesch glänzte als Almaviva mit edel timbriertem Bariton, der junge Julien van Mellaerts harmonierte als Figaro prächtig mit seiner Susanna, Marie McLaughlin und Maurizio Muraro gaben das spielfreudige ältere Paar Marcellina/Bartolo. Auch der Wiener Arnold Schönberg Chor trug mit seinen präsenten Einwürfen zu dieser inspirierten Aufführung bei. Man musste seinen „Figaro“schon kennen, doch so halbszenisch und im intensiven Miteinander des gesamten Ensembles sprang der Funke gleichfalls über.
Dass Mozart durch und durch Theatermensch war und dies auch in den brillanten Solokonzerten und in der Instrumentalmusik zum Ausdruck kommt, ist bekannt. Dass Mozarts Musik aber auch Theatermenschen abseits der großen Opernhäuser fasziniert, konnte man in der fantastischen Neuproduktion des Salzburger Marionettentheaters erleben: „Punkitititi!“– ein Fantasiename, den sich Mozart selbst gegeben hat – zeigt einen Künstler in der Lebenskrise: Im anonymen Hotelzimmer sinnt er über sein Leben nach, über gekündigte Verträge und verflossene Lieben. Dann beginnt das Mobiliar zu leben. Ausgehend von unbekannter und bekannter Mozart-Musik schöpft auch das Ensemble „Pool of Invention“unter Florian Willeitner aus dem Füllhorn musikalischer Fantasie. „Mozart lebt!“– Villazóns Wahlspruch steckt alle an!