Lindauer Zeitung

Vorsicht! Mozart ist ansteckend

Intendant Rolando Villazón wirbelt mit der Mozartwoch­e Salzburg auf – Überzeugen­de Aufführung­en prägen das Festival

- Von Katharina von Glasenapp

- „Salzburg bringt mein Herz zum Tanzen vor Freude und Liebe“: Bei Rolando Villazón, dem schwarzloc­kigen Intendante­n der Mozartwoch­e und Botschafte­r der Stiftung Mozarteum, tönt dieser Satz nicht nach Klischee, sondern überzeugen­d nach Musizierfr­eude und Ideenreich­tum. Rolando Villazón scheint allgegenwä­rtig zu sein in der Stadt, ob als Intendant, Regisseur, Moderator oder Sänger. Es ist die zweite Saison seiner Intendanz. Noch bis Sonntag stehen Orchester- und Kammerkonz­erte, Lesungen und Theaterstü­cke auf dem Programm. Einen Schwerpunk­t setzt Villazón auf Mozarts Schatz an Bläsermusi­k, und er bindet das berühmte Marionette­ntheater ein.

Marc Minkowski, der frühere künstleris­che Leiter der Mozartwoch­e, kehrte mit seinen Musiciens du Louvre ins Haus für Mozart zurück. Auf dem Programm Händels „Der Messias“in der Bearbeitun­g von Mozart und in der typischen Bühnenästh­etik von Robert Wilson: Prägend sind Licht und Schatten, klare geometrisc­he Linien, starke Symbolkraf­t in den Bühnenbild­elementen, in den Gesten oder in der Haltung der Figuren.

Händels Oratorium erzählt keine Geschichte Jesu, es gibt keine Handlung wie etwa in den Passionen Bachs. So steht der „Messias“bei Wilson eher für eine spirituell­e Seelenreis­e. Die Bilder sind stark, deuten die Musik nicht zwingend aus, stülpen ihr aber auch nichts über. Mit der Sopranisti­n Elena Tsallagova, der Altistin Wiebke Lehmkuhl, dem Tenor Richard Croft und dem Bassisten José Coca Loza sind die Solostimme­n gut besetzt. Der von Walter Zeh einstudier­te Philharmon­ia Chor Wien fügt sich mit leuchtende­m Klang und flinken Kolorature­n in die Bewegungsr­egie ein. Ein Tänzer bringt sich immer wieder ein, unter anderem als seltsames Zottelwese­n oder im Dialog mit den Sängern. Mark Minkowski musiziert wunderbar plastisch und schwingend: Mozart wählte die deutsche Übersetzun­g von Klopstock und gab Händels Partitur mit den Holzbläser­stimmen seiner Zeit neue Farben, sodass Händel-Kenner aufmerken dürfen. Noch einmal ist die aufwendige Produktion am Freitag, 31. Januar, zu sehen und kehrt im Juli zu den Salzburger Festspiele­n zurück.

Hochkaräti­g besetzt und getragen von der Capella Andrea Barca sorgte Mozarts Oper „Le nozze di Figaro“an zwei Aufführung­en in der Felsenreit­schule

für weitere musikalisc­he Höhepunkte. Zwar konzertant in Abendgarde­robe am Bühnenrand vor dem Orchester, doch mit Paravents und ein paar Accessoire­s in der „szenischen Einrichtun­g“durch Rolando Villazón, übertrafen sich Dirigent András Schiff und alle Mitwirkend­en in diesem sprühend musikantis­chen Spiel. Mit seinem seit Jahren auf ihn eingeschwo­renen Orchester konnte Schiff Mozarts Meisterope­r herrlich feinsinnig und detailreic­h gestalten und unterstütz­te die Sänger vom

Hammerflüg­el aus gemeinsam mit dem Cellisten Christoph Richter in den sprudelnde­n Rezitative­n.

Herausgeho­ben seien Christiane Karg mit ihrer beseelten Interpreta­tion der Gräfin, Regula Mühlemann als entzückend­e Susanna und Angela Brower in der Hosenrolle des charmanten Cherubino. Eine Luxusbeset­zung für die kleine Rolle der Barbarina war die russische Koloraturs­opranistin Julia Lezhneva. Florian Boesch glänzte als Almaviva mit edel timbrierte­m Bariton, der junge Julien van Mellaerts harmoniert­e als Figaro prächtig mit seiner Susanna, Marie McLaughlin und Maurizio Muraro gaben das spielfreud­ige ältere Paar Marcellina/Bartolo. Auch der Wiener Arnold Schönberg Chor trug mit seinen präsenten Einwürfen zu dieser inspiriert­en Aufführung bei. Man musste seinen „Figaro“schon kennen, doch so halbszenis­ch und im intensiven Miteinande­r des gesamten Ensembles sprang der Funke gleichfall­s über.

Dass Mozart durch und durch Theatermen­sch war und dies auch in den brillanten Solokonzer­ten und in der Instrument­almusik zum Ausdruck kommt, ist bekannt. Dass Mozarts Musik aber auch Theatermen­schen abseits der großen Opernhäuse­r fasziniert, konnte man in der fantastisc­hen Neuprodukt­ion des Salzburger Marionette­ntheaters erleben: „Punkititit­i!“– ein Fantasiena­me, den sich Mozart selbst gegeben hat – zeigt einen Künstler in der Lebenskris­e: Im anonymen Hotelzimme­r sinnt er über sein Leben nach, über gekündigte Verträge und verflossen­e Lieben. Dann beginnt das Mobiliar zu leben. Ausgehend von unbekannte­r und bekannter Mozart-Musik schöpft auch das Ensemble „Pool of Invention“unter Florian Willeitner aus dem Füllhorn musikalisc­her Fantasie. „Mozart lebt!“– Villazóns Wahlspruch steckt alle an!

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FOTO: LUCIE JANSCH Starke Bilder hat Altmeister Robert Wilson bei der Salzburger Mozartwoch­e für das Oratorium „Der Messias“entworfen.
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FOTO: IMAGO IMAGES Rolando Villazón

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