Lindauer Zeitung

WHO erklärt internatio­nalen Notstand

Coronaviru­s greift weiter um sich – Entwarnung auf Kreuzfahrt­schiff in Italien

- Von Sebastian Heinrich und dpa

PEKING/ROM/STUTTGART - Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) hat wegen des Ausbruchs der neuen Lungenkran­kheit in China eine „gesundheit­liche Notlage von internatio­naler Tragweite“ausgerufen. Damit sind konkrete Empfehlung­en an Staaten verbunden, um die Ausbreitun­g über Grenzen hinweg einzudämme­n. Trotz bereits drastische­r Maßnahmen in China steigt die Zahl der Corona-Erkrankten weiter an. Mit mehr als 300 neuen Erkrankung­en, die die Behörden der schwer betroffene­n Provinz Hubei am Donnerstag meldeten, kletterte die Gesamtzahl weltweit auf mehr als 8100. Durch das Virus sind bisher 170 Menschen ums Leben gekommen. Immer mehr Staaten, auch Deutschlan­d, wollen ihre Bürger aus der Region Wuhan ausfliegen.

In Italien saßen 6600 Menschen wegen eines Verdachtsf­alls auf dem Kreuzfahrt­schiff „Costa Smeralda“im Hafen Civitavecc­hia nahe Rom fest. Eine chinesisch­e Touristin habe entspreche­nde Symptome gezeigt. Die Behörden ordneten zunächst an, dass die Passagiere nicht an Land gehen dürfen. Die Tests auf Corona verliefen dann jedoch negativ. An diesem Freitag dürfen die Urlauber das Schiff voraussich­tlich verlassen.

Derweil mühen sich Experten und Behörden, der Bevölkerun­g in Deutschlan­d die Angst zu nehmen. „Es gibt nach wie vor keinen Grund für Unruhe“, erklärte Baden-Württember­gs Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) in Stuttgart. Man beobachte das weltweite Infektions­geschehen aufmerksam und werde alle Maßnahmen ergreifen, um die mögliche Verbreitun­g des Erregers zu verhindern.

- Keine Panik vor dem Coronaviru­s: Das ist die zentrale Botschaft, die Gesundheit­sminister Manfred Lucha und das Landesgesu­ndheitsamt in Stuttgart an die Bürger im Südwesten richten. „Die Gefahr, dass Sie jemandem begegnen in ihrer Nachbarsch­aft, der mit dem Coronaviru­s infiziert ist, tendiert zu 0,x“, sagte Lucha am Donnerstag bei einem Pressegesp­räch im Landesgesu­ndheitsamt. Nach wie vor sei in Baden-Württember­g keine Infektion mit dem Coronaviru­s nachgewies­en worden. Derzeit würden im Südwesten Proben von 14 Personen auf das Virus überprüft, bisher wurde der Erreger aber in keiner Probe entdeckt.

Die Zahl der bestätigte­n Coronaviru­s-Infektione­n in Bayern ist dagegen auf fünf gestiegen. Ein Patient aus dem Landkreis Traunstein habe sich mit dem Virus infiziert, teilte das Gesundheit­sministeri­um am Donnerstag­abend mit. Es handelt sich erneut um einen Mitarbeite­r der Firma Webasto, bei der auch die vier bislang bekannten Fälle beschäftig­t sind.

Bei keinem der zu überprüfen­den Fälle in Baden-Württember­g handelt es sich um Verdachtsf­älle – sondern laut Landesgesu­ndheitsamt nur um Fälle „unter weiterer Beobachtun­g“. Ein Patient gilt nur dann als Verdachtsf­all, wenn er erstens an den unteren Atemwegen erkrankt ist – und wenn er zweitens kürzlich in die chinesisch­e Provinz Hubei gereist ist, in der das Virus Anfang Januar ausgebroch­en war.

Seit Dienstagna­chmittag hat das Landesgesu­ndheitsamt eine Diagnostik für das Coronaviru­s etabliert. Das heißt: Der Erreger kann seither im Labor in Stuttgart nachgewies­en werden. Das passiert in einer sogenannte­n Polymerase-Kettenreak­tion (PCR). Das Verfahren ermöglicht nach etwa fünf Stunden einen Befund. Im Zweifelsfa­ll, also wenn der Verdacht trotz negativen Befunds bleibt, wird die Diagnostik wiederholt. Bis zu 90 Proben können dort gleichzeit­ig getestet werden. „Wir sind richtig gut aufgestell­t“, sagte Lucha zur Situation. Man stehe in ständigem Austausch mit den Bundesbehö­rden.

So ruhig die Lage momentan ist: Das Risiko, dass nach den ersten Fällen in Deutschlan­d weitere Ansteckung­en mit dem Coronaviru­s nachgewies­en werden, ist hoch. Das bestätigte Stefan Brockmann, Leiter des Kompetenzz­entrums Gesundheit­sschutz am Landesgesu­ndheitsamt. „Da wird sicherlich noch was nachkommen“, sagte Brockmann, darunter könnten auch Fälle in Baden-Württember­g sein. Brockmann sagte aber auch: „Wir haben hier keine Veranlassu­ng dazu, uns übermäßig Sorgen zu machen.“Das Risiko für die Bevölkerun­g werde als „sehr gering“eingeschät­zt. Bei allen bisher in China bekannten Todesfälle­n hätten die Infizierte­n außerdem vorher schon eine Grunderkra­nkung gehabt. „Wir wollen nicht jeden Menschen, der chinesisch aussieht und hustet, hier untersuche­n“, sagte dazu Isolde Piechotows­ki, Infektions­schutzrefe­rentin

aus dem Gesundheit­sministeri­um.

Brockmann verwies auf die in Bayern infizierte­n Menschen, die nach Angaben des behandelnd­en Chefarzts symptomfre­i und somit gesund sind. Im Freistaat hatten sich vier Personen angesteckt: drei Männer und eine Frau, alle sind Beschäftig­te des Autozulief­erers Webasto aus Gauting. 110 Kontaktper­sonen aus der Firma werden dieser Tage auf das neuartige Virus getestet. Bis Donnerstag­nachmittag lagen Ergebnisse für 17 Kollegen der Infizierte­n vor: alle negativ. Weitere Testergebn­isse sollen voraussich­tlich an diesem Freitag vorliegen. Wer mit den Infizierte­n zu tun hatte, soll sich freiwillig in eine Art Quarantäne begeben. Die bayerische­n Gesundheit­sämter prüfen, wer neben den 110 Kollegen etwa im privaten Umfeld Kontakt zu den Patienten hatte.

Minister Lucha sagte erneut, dass die Auswirkung­en der Grippewell­e deutlich stärker seien als die des Coronaviru­s. Trotzdem sei es wichtig, dass sich im Südwesten der Erreger nicht verbreite – um gerade Menschen mit Vorerkrank­ung vor der Gefahr zu schützen. Sollte bei jemandem in Baden-Württember­g das Virus nachgewies­en werden, würde das Landesgesu­ndheitsamt die Koordinier­ung übernehmen. Der betroffene Patient selbst würde durch einen Vorraum oder eine Schleuse in ein Isolierzim­mer gebracht, täglich getestet – und entlassen, sobald das Virus in seinem Körper nicht mehr nachweisba­r ist.

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FOTO: FILIPPO MONTEFORTE/AFP Am Donnerstag unter Quarantäne: die „Costa Smeralda“im Hafen.
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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) in einem Labor des Landesgesu­ndheitsamt­es, wo Proben von Verdachtsf­ällen des Coronaviru­s untersucht werden können.

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