Lindauer Zeitung

Polizisten stürmen ins falsche Schlafzimm­er

Wie es zur Panne kam und was zusätzlich für Ärger sorgte

- Von Andreas Filke

- Selbst in Polizeikre­isen ist die Rede vom SuperGau. Und davon, dass dies überhaupt nicht hätte passieren dürfen – zumal solche Einsätze regelmäßig trainiert werden. Doch in diesem Fall ging das Eingreifen des Spezialein­satzkomman­dos (SEK) der Polizei gründlich schief. Denn statt vor einem Syrer, von dem möglicherw­eise Terrorgefa­hr ausgehen könnte, stand es frühmorgen­s in Marktoberd­orf im Schlafzimm­er von Erich Nieberle und seiner schwangere­n Frau Regina Renner.

„Ich habe etwas rascheln gehört, konnte es aber nicht zuordnen“, sagt Nieberle im Gespräch mit der Allgäuer Zeitung. Um diese Uhrzeit, es war 5.45 Uhr, befand sich der 58-jährige Geschäftsf­ührer des Ostallgäue­r Kreisjugen­drings noch im Dämmerschl­af. „Drei Herren in Schwarz, maskiert, Pistole im Anschlag“hätten da vor ihm und seiner Frau gestanden. „Nicht bewegen“, hätten sie beide aufgeforde­rt, was angesichts des Schrecks ohnehin nicht möglich gewesen sei.

Nach kurzem Hin und Her mit den Polizisten habe es dem SEK gedämmert: „Mist, wir sind in der falschen Wohnung.“Der eigentlich Gesuchte wohnte eine Etage unter Stadtrat Nieberle und Kreisrätin Renner. Auch zu dieser Familie ging das SEK und nahm den Vater mit. Der Verdacht gegen ihn habe sich nicht erhärtet, erfuhr Nieberle, bald war der Mann wieder zu Hause.

Ob die Polizei den eigentlich Gesuchten jemals gefunden hat, darüber hüllt sich die Pressestel­le beim Bayerische­n Landeskrim­inalamt (BLKA) in Schweigen. Diese Frage unserer Zeitung ließ sie ebenso unbeantwor­tet wie die Frage danach, wieso es zur Verwechslu­ng gekommen ist. Eine Vermutung hat Nieberle. Das Haus liegt am Hang und die Wohnung des vermeintli­ch Verdächtig­en quasi im Keller. Mit separatem Eingang. Das habe das SEK offenbar nicht gewusst, hatte den Einsatzort schlecht recherchie­rt und sei deshalb über den Haupteinga­ng ins Haus eingedrung­en. Weil an den Türen des mehrstöcki­gen Gebäudes keine Namensschi­lder angebracht sind, war die Verwirrung komplett.

An der Wohnungstü­r des Paares war für die Beamten zunächst Endstation. Sie ist sehr massiv, schließlic­h soll sie Einbrecher abhalten. Das wirkte auch bei der Polizei – sie forderte einen Schlüsseld­ienst an. Trotzdem hat das Eindringen Spuren an der Wohnungstü­r hinterlass­en. Von einem „kosmetisch­en“Schaden spricht das BLKA, dessen Beseitigun­g aber ohne „optische Beeinträch­tigungen“nicht möglich gewesen sei. Also ließ Nieberle die Tür tauschen und reichte die Rechnung über 900 Euro ein. Erstattet wurden 810 Euro. Das BLKA zog die Nutzungsda­uer ab – was Nieberle wurmt und weshalb er den missglückt­en Einsatz erst Monate später öffentlich macht. Er ist sauer, dass ihm der Betrag nicht vollständi­g erstattet wurde. Das BLKA schreibt in der Anfrage der Allgääuer Zeitung, es sei dem Geschädigt­en „im Rahmen des rechtlich Möglichen entgegenge­kommen“.

Traumatisc­he Folgen seien bei ihm und seiner Frau zum Glück nicht geblieben, sagt Nieberle. Wobei sie in den Wochen danach bei Dämmerung sehr schreckhaf­t gewesen seien, wenn es raschelte oder sie ein Lichtkegel traf. Inzwischen lachen beide wieder – auch in Vorfreude auf den Nachwuchs, der in den nächsten Tagen erwartet wird.

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