Polizisten stürmen ins falsche Schlafzimmer
Wie es zur Panne kam und was zusätzlich für Ärger sorgte
- Selbst in Polizeikreisen ist die Rede vom SuperGau. Und davon, dass dies überhaupt nicht hätte passieren dürfen – zumal solche Einsätze regelmäßig trainiert werden. Doch in diesem Fall ging das Eingreifen des Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei gründlich schief. Denn statt vor einem Syrer, von dem möglicherweise Terrorgefahr ausgehen könnte, stand es frühmorgens in Marktoberdorf im Schlafzimmer von Erich Nieberle und seiner schwangeren Frau Regina Renner.
„Ich habe etwas rascheln gehört, konnte es aber nicht zuordnen“, sagt Nieberle im Gespräch mit der Allgäuer Zeitung. Um diese Uhrzeit, es war 5.45 Uhr, befand sich der 58-jährige Geschäftsführer des Ostallgäuer Kreisjugendrings noch im Dämmerschlaf. „Drei Herren in Schwarz, maskiert, Pistole im Anschlag“hätten da vor ihm und seiner Frau gestanden. „Nicht bewegen“, hätten sie beide aufgefordert, was angesichts des Schrecks ohnehin nicht möglich gewesen sei.
Nach kurzem Hin und Her mit den Polizisten habe es dem SEK gedämmert: „Mist, wir sind in der falschen Wohnung.“Der eigentlich Gesuchte wohnte eine Etage unter Stadtrat Nieberle und Kreisrätin Renner. Auch zu dieser Familie ging das SEK und nahm den Vater mit. Der Verdacht gegen ihn habe sich nicht erhärtet, erfuhr Nieberle, bald war der Mann wieder zu Hause.
Ob die Polizei den eigentlich Gesuchten jemals gefunden hat, darüber hüllt sich die Pressestelle beim Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) in Schweigen. Diese Frage unserer Zeitung ließ sie ebenso unbeantwortet wie die Frage danach, wieso es zur Verwechslung gekommen ist. Eine Vermutung hat Nieberle. Das Haus liegt am Hang und die Wohnung des vermeintlich Verdächtigen quasi im Keller. Mit separatem Eingang. Das habe das SEK offenbar nicht gewusst, hatte den Einsatzort schlecht recherchiert und sei deshalb über den Haupteingang ins Haus eingedrungen. Weil an den Türen des mehrstöckigen Gebäudes keine Namensschilder angebracht sind, war die Verwirrung komplett.
An der Wohnungstür des Paares war für die Beamten zunächst Endstation. Sie ist sehr massiv, schließlich soll sie Einbrecher abhalten. Das wirkte auch bei der Polizei – sie forderte einen Schlüsseldienst an. Trotzdem hat das Eindringen Spuren an der Wohnungstür hinterlassen. Von einem „kosmetischen“Schaden spricht das BLKA, dessen Beseitigung aber ohne „optische Beeinträchtigungen“nicht möglich gewesen sei. Also ließ Nieberle die Tür tauschen und reichte die Rechnung über 900 Euro ein. Erstattet wurden 810 Euro. Das BLKA zog die Nutzungsdauer ab – was Nieberle wurmt und weshalb er den missglückten Einsatz erst Monate später öffentlich macht. Er ist sauer, dass ihm der Betrag nicht vollständig erstattet wurde. Das BLKA schreibt in der Anfrage der Allgääuer Zeitung, es sei dem Geschädigten „im Rahmen des rechtlich Möglichen entgegengekommen“.
Traumatische Folgen seien bei ihm und seiner Frau zum Glück nicht geblieben, sagt Nieberle. Wobei sie in den Wochen danach bei Dämmerung sehr schreckhaft gewesen seien, wenn es raschelte oder sie ein Lichtkegel traf. Inzwischen lachen beide wieder – auch in Vorfreude auf den Nachwuchs, der in den nächsten Tagen erwartet wird.