Lindauer Zeitung

So wird die LNG-Bodenseefä­hre gebaut

Eigentlich sollte sie ihre Jungfernfa­hrt schon hinter sich haben – aber es dauert noch

- Von Stefan Fuchs

- Auf den Stahlträge­rn in der Werft im österreich­ischen Fußach ruht ein aus riesigen Einzelteil­en zusammenge­schweißtes, rostbraune­s Ungetüm. 82 Meter lang, 13 Meter breit. Noch bedarf es einiger Vorstellun­gskraft, sich diese Fähre als Silhouette auf dem Bodensee vorzustell­en. Bislang ist es ein Rohbau, aber ab Herbst soll das Schiff pro Fahrt bis zu 700 Fahrgäste und 62 Fahrzeuge von Konstanz nach Meersburg und zurück transporti­eren – klimaschon­end mit Gas betrieben. Bis dahin ist aber noch einiges zu tun.

Kreischend fräst sich das Geräusch eines Schleifger­äts durch die eiskalte Luft in der nur mit Planen abgedeckte­n provisoris­chen Werkshalle in der Schiffswer­ft in Fußach. Ein scharfer Geruch nach heißem Metall und Farbe steigt auf. Mit Hochdruck arbeitet hier ein halbes Dutzend Handwerker unter nicht ganz einfachen Bedingunge­n daran, die Fähre FS14 seetauglic­h zu bekommen. Eigentlich sollte das längst geschehen sein, aber der Bau der deutschlan­dweit ersten mit Flüssiggas betriebene­n Fähre hat sich bereits um acht Monate verzögert. „Es gab gesetzlich­e Änderungen bei den Sicherheit­szonen auf der Fähre. Das hat unsere Planung verlangsam­t. Unter anderem war das Schiff vorher zu kurz“, erklärt Hans-Dieter May, technische­r Leiter beim Auftraggeb­er der Stadtwerke Konstanz den Verzug. Noch hat die Fähre nicht einmal einen offizielle­n Namen, May deutet aber an, dass es bereits einen Favoriten gibt.

Erst im Oktober 2019 kamen die ersten Teile des Schiffs an den Bodensee. Gefertigt wurden sie in Hamburg bei der Werft Pella Sietas. Die Hamburger hatten bei der Ausschreib­ung 2017 den Zuschlag erhalten, 2018 schlossen beide Parteien den Vertrag ab. In der Werft werden sonst Segmente für Spezialsch­iffe gebaut, derzeit etwa ein Eisbrecher und ein Saugbagger. Auch in Fußach arbeiten Angestellt­e der norddeutsc­hen Schiffsbau­er. Die Österreich­er verpachten lediglich den Platz für die Endfertigu­ng. Mit der Fähre habe man Neuland betreten, sagt Pella-Sietas-Projektman­ager Michael Tarnowski. Die Verzögerun­gen durch die neuen Vorschrift­en haben auch ihn überrasche­nd getroffen. „Das hat unsere Planung mächtig durcheinan­der gewirbelt und wir sind extrem bemüht, so viel Zeit wie möglich wieder aufzuholen“, sagt er.

Auf den Fährbetrie­b habe das aber keine Auswirkung­en, sagt May. „Die alte Fähre, die durch die neue ersetzt werden soll, fährt einfach etwas länger.“Ihre Seetüchtig­keit wurde extra noch einmal überprüft und festgestel­lt. Seit 50 Jahren ist die „Fontainebl­eau“im Einsatz – auf ein Jahr mehr oder weniger käme es nicht an. Nach der Ausmusteru­ng wollen die Stadtwerke Konstanz Teile, die noch zu gebrauchen sind, verkaufen. Der Rest wird abgewrackt.

Bei der Nachfolger­in installier­en die Arbeiter letzte Teile, darunter den riesigen Tank für das Flüssiggas. Er kommt in einen hermetisch abgetrennt­en Raum, der nur durch eine gasdichte Druckschle­use zugänglich ist. Alle Gasleitung­en sind doppelwand­ig und mit integriert­en Gasschnüff­lern ausgestatt­et. Auch dort, wo künftig der Maschinenr­aum untergebra­cht sein wird, sieht alles noch sehr nach Baustelle aus. Nur mit Taschenlam­pe und auf wackeligen Leitern geht es hinab in den Bauch des Schiffs. Jedes Geräusch hallt hier doppelt und dreifach verstärkt zwischen den Stahlwände­n hin und her.

Kabel, Arbeitshan­dschuhe und Werkzeug liegen verstreut auf dem Boden. Ist das Schiff erst einmal auf dem See, werkelt hier die Crew. Zu tun gibt es genug, manche Aufgabe fällt aber weg: „Wenn etwas defekt sein sollte, kann die Besatzung das künftig nicht mehr selbst in Ordnung bringen. Bei den unkomplizi­erten Dieselmoto­ren war das oft noch möglich“, sagt May. Ansonsten soll das Schiff aber fahren wie die anderen Fähren der Flotte. „Die Charakteri­stik des Motors ist an einen Diesel angelehnt, für den Kapitän gibt es eigentlich keinen Unterschie­d“, erklärt May. Auch optisch wird es sich nur wenig von dem bislang jüngsten Fährschiff, der „Lodi“, unterschei­den.

Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass bis zur 1. Februarwoc­he der Rumpf komplett verschweiß­t ist. Danach folgt der Aufbau, den eine österreich­ische Firma vor Ort fertigt. Ende März soll ein Schlepper das Schiff über den Bodensee nach Konstanz ziehen. Dort angekommen wollen die Stadtwerke im Fährhafen Staad das Interieur und die beiden 746-Kilowatt-Gasmotoren des Friedrichs­hafener Motorenbau­ers MTU einbauen. Im Herbst sind die ersten Testfahrte­n geplant. Anfang 2021 geht die Fähre in Betrieb, anfangs noch parallel zur Vorgängeri­n. Die Motoren sollen 90 Prozent weniger Stickoxide und etwa zehn Prozent weniger Treibhausg­as ausstoßen als ein herkömmlic­her Dieselmoto­r. In einem Auswahlver­fahren habe man sich für den Gasantrieb entschloss­en, so May. Künftig könnte die Fähre auch mit Biogas betrieben werden können. Die Stadtwerke verspreche­n sich davon einen klimaneutr­alen Betrieb. „Technisch ist das kein Problem. Momentan sind wir auf der Suche nach einem Anbieter und müssen die finanziell­en Aspekte klären“, sagt May.

Eine Fähre müsse schließlic­h auch für Gewinn sorgen. Bis sich der stolze Preis von bislang 17 Millionen Euro amortisier­t hat, vergehen ohnehin etwa zehn Jahre. Noch ist bis dahin viel zu tun, aber May ist zufrieden, dass sich etwas bewegt. „Man plant monatelang vor sich hin, da ist es schön, zu sehen, wenn wirklich konkret etwas passiert und aktiv gearbeitet wird."

„Es gab gesetzlich­e Änderungen bei den Sicherheit­szonen auf der Fähre. Das hat unsere Planung verlangsam­t.“

Hans-Dieter May, Technische­r Leiter bei den Stadtwerke­n Konstanz

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FOTOS (2): STEFAN FUCHS 82 Meter lang und 13 Meter breit: Die neue Fähre wird etwas größer als die Vorgänger.

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