So wird die LNG-Bodenseefähre gebaut
Eigentlich sollte sie ihre Jungfernfahrt schon hinter sich haben – aber es dauert noch
- Auf den Stahlträgern in der Werft im österreichischen Fußach ruht ein aus riesigen Einzelteilen zusammengeschweißtes, rostbraunes Ungetüm. 82 Meter lang, 13 Meter breit. Noch bedarf es einiger Vorstellungskraft, sich diese Fähre als Silhouette auf dem Bodensee vorzustellen. Bislang ist es ein Rohbau, aber ab Herbst soll das Schiff pro Fahrt bis zu 700 Fahrgäste und 62 Fahrzeuge von Konstanz nach Meersburg und zurück transportieren – klimaschonend mit Gas betrieben. Bis dahin ist aber noch einiges zu tun.
Kreischend fräst sich das Geräusch eines Schleifgeräts durch die eiskalte Luft in der nur mit Planen abgedeckten provisorischen Werkshalle in der Schiffswerft in Fußach. Ein scharfer Geruch nach heißem Metall und Farbe steigt auf. Mit Hochdruck arbeitet hier ein halbes Dutzend Handwerker unter nicht ganz einfachen Bedingungen daran, die Fähre FS14 seetauglich zu bekommen. Eigentlich sollte das längst geschehen sein, aber der Bau der deutschlandweit ersten mit Flüssiggas betriebenen Fähre hat sich bereits um acht Monate verzögert. „Es gab gesetzliche Änderungen bei den Sicherheitszonen auf der Fähre. Das hat unsere Planung verlangsamt. Unter anderem war das Schiff vorher zu kurz“, erklärt Hans-Dieter May, technischer Leiter beim Auftraggeber der Stadtwerke Konstanz den Verzug. Noch hat die Fähre nicht einmal einen offiziellen Namen, May deutet aber an, dass es bereits einen Favoriten gibt.
Erst im Oktober 2019 kamen die ersten Teile des Schiffs an den Bodensee. Gefertigt wurden sie in Hamburg bei der Werft Pella Sietas. Die Hamburger hatten bei der Ausschreibung 2017 den Zuschlag erhalten, 2018 schlossen beide Parteien den Vertrag ab. In der Werft werden sonst Segmente für Spezialschiffe gebaut, derzeit etwa ein Eisbrecher und ein Saugbagger. Auch in Fußach arbeiten Angestellte der norddeutschen Schiffsbauer. Die Österreicher verpachten lediglich den Platz für die Endfertigung. Mit der Fähre habe man Neuland betreten, sagt Pella-Sietas-Projektmanager Michael Tarnowski. Die Verzögerungen durch die neuen Vorschriften haben auch ihn überraschend getroffen. „Das hat unsere Planung mächtig durcheinander gewirbelt und wir sind extrem bemüht, so viel Zeit wie möglich wieder aufzuholen“, sagt er.
Auf den Fährbetrieb habe das aber keine Auswirkungen, sagt May. „Die alte Fähre, die durch die neue ersetzt werden soll, fährt einfach etwas länger.“Ihre Seetüchtigkeit wurde extra noch einmal überprüft und festgestellt. Seit 50 Jahren ist die „Fontainebleau“im Einsatz – auf ein Jahr mehr oder weniger käme es nicht an. Nach der Ausmusterung wollen die Stadtwerke Konstanz Teile, die noch zu gebrauchen sind, verkaufen. Der Rest wird abgewrackt.
Bei der Nachfolgerin installieren die Arbeiter letzte Teile, darunter den riesigen Tank für das Flüssiggas. Er kommt in einen hermetisch abgetrennten Raum, der nur durch eine gasdichte Druckschleuse zugänglich ist. Alle Gasleitungen sind doppelwandig und mit integrierten Gasschnüfflern ausgestattet. Auch dort, wo künftig der Maschinenraum untergebracht sein wird, sieht alles noch sehr nach Baustelle aus. Nur mit Taschenlampe und auf wackeligen Leitern geht es hinab in den Bauch des Schiffs. Jedes Geräusch hallt hier doppelt und dreifach verstärkt zwischen den Stahlwänden hin und her.
Kabel, Arbeitshandschuhe und Werkzeug liegen verstreut auf dem Boden. Ist das Schiff erst einmal auf dem See, werkelt hier die Crew. Zu tun gibt es genug, manche Aufgabe fällt aber weg: „Wenn etwas defekt sein sollte, kann die Besatzung das künftig nicht mehr selbst in Ordnung bringen. Bei den unkomplizierten Dieselmotoren war das oft noch möglich“, sagt May. Ansonsten soll das Schiff aber fahren wie die anderen Fähren der Flotte. „Die Charakteristik des Motors ist an einen Diesel angelehnt, für den Kapitän gibt es eigentlich keinen Unterschied“, erklärt May. Auch optisch wird es sich nur wenig von dem bislang jüngsten Fährschiff, der „Lodi“, unterscheiden.
Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass bis zur 1. Februarwoche der Rumpf komplett verschweißt ist. Danach folgt der Aufbau, den eine österreichische Firma vor Ort fertigt. Ende März soll ein Schlepper das Schiff über den Bodensee nach Konstanz ziehen. Dort angekommen wollen die Stadtwerke im Fährhafen Staad das Interieur und die beiden 746-Kilowatt-Gasmotoren des Friedrichshafener Motorenbauers MTU einbauen. Im Herbst sind die ersten Testfahrten geplant. Anfang 2021 geht die Fähre in Betrieb, anfangs noch parallel zur Vorgängerin. Die Motoren sollen 90 Prozent weniger Stickoxide und etwa zehn Prozent weniger Treibhausgas ausstoßen als ein herkömmlicher Dieselmotor. In einem Auswahlverfahren habe man sich für den Gasantrieb entschlossen, so May. Künftig könnte die Fähre auch mit Biogas betrieben werden können. Die Stadtwerke versprechen sich davon einen klimaneutralen Betrieb. „Technisch ist das kein Problem. Momentan sind wir auf der Suche nach einem Anbieter und müssen die finanziellen Aspekte klären“, sagt May.
Eine Fähre müsse schließlich auch für Gewinn sorgen. Bis sich der stolze Preis von bislang 17 Millionen Euro amortisiert hat, vergehen ohnehin etwa zehn Jahre. Noch ist bis dahin viel zu tun, aber May ist zufrieden, dass sich etwas bewegt. „Man plant monatelang vor sich hin, da ist es schön, zu sehen, wenn wirklich konkret etwas passiert und aktiv gearbeitet wird."
„Es gab gesetzliche Änderungen bei den Sicherheitszonen auf der Fähre. Das hat unsere Planung verlangsamt.“
Hans-Dieter May, Technischer Leiter bei den Stadtwerken Konstanz