Streit um Sonntagsöffnung
Gewerkschaften und Kirchen gegen Handelsverband
(KNA) - Der Handelsverband Deutschland (HDE) fordert eine Grundgesetzänderung, um verkaufsoffene Sonntage künftig leichter zu ermöglichen. „Die darin verankerten Vorschriften stammen letztlich noch aus der Zeit der Weimarer Republik“, sagte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser der „Welt“. „Die Zeiten haben sich aber geändert – und die Menschen auch“, sagte er. Die Politik müsse daher den „Anlassbezug“aus dem Gesetz
herausnehmen. Alles andere treibe den Niedergang der Innenstädte weiter voran. Rund 40 000 Einzelhandelsgeschäfte seien zwischen 2010 und 2019 bereits verschwunden.
Gewerkschaften und Kirchen reagierten ablehnend, der Verband „Christen in der Wirtschaft“(CiW) ebenfalls. „Ein verbindlicher Ruhetag pro Woche tut allen Menschen gut“, erklärte Generalsekretär Michael vom Ende.
- Der Werkzeugmaschinenhersteller Chiron richtet sich wegen der Schwäche in der Automobilindustrie auf einen „mehrjährigen Winterschlaf“ein. Das sagte Unternehmenschefin Vanessa Hellwing im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Die Managerin, die zusammen mit Guido Spachtholz erst seit einigen Wochen die Geschicke des Tuttlinger Unternehmens lenkt, nachdem der langjährige Vorstandssprecher Markus Flik im Dezember 2019 überraschend zurückgetreten war, machte deutlich: Das Umsatzwachstum der vergangenen Jahre ist für Chiron auf absehbare Zeit passé.
Noch 2018 hatte der Spezialist für CNC-Fertigungszentren Rekorderlöse von fast 500 Millionen Euro erzielt und auf eine im Branchenvergleich überdurchschnittliche Profitabilität verwiesen. „Doch dann ist der Markt umgeschlagen“, sagte Hellwing. 2019 seien die Aufträge um 27 Prozent eingebrochen. Das habe auf den Umsatz durchgeschlagen. Offizielle Zahlen liegen zwar noch nicht vor. Doch dürften die Erlöse Hellwing zufolge 2019 um „etwas mehr als zehn Prozent“unter denen von 2018 liegen. Auch für das laufende Jahr sei nicht mit Besserung zu rechnen. „Wir stellen uns darauf ein, dass wir in den kommenden Jahren den Umsatzrückgang, den wir jetzt sehen, nicht wettmachen können. Die Wachstumsambitionen der vergangenen Jahre sind eingefroren“, gab Hellwing zu Protokoll.
Verluste wird Chiron für 2019 aller Voraussicht nach nicht ausweisen. Dafür sind die Umsätze nicht stark genug eingebrochen. Für das laufende Jahr wollte Hellwing dieses Szenario aber nicht ausschließen.
Um gegenzusteuern hat Chiron schon Anfang 2019 ein Restrukturierungsprogramm aufgelegt, das auch „gewisse personelle Anpassungen“beinhaltet. So habe sich das Unternehmen von fast allen Leiharbeitern getrennt und besetze frei werdende Stellen vorerst nicht neu. Darüber hinaus würden Überstunden reduziert und Flexzeitkonten abgebaut. Mit diesen Maßnahmen, die darauf zielen, die Personalstruktur an die schwächere Auslastung anzupassen, sei Chiron für die nächsten Monate gut gerüstet, erklärte Hellwing. Betriebsbedingte Kündigungen sind für die rund 2000 Chiron-Mitarbeiter wegen des bis 2023 laufenden Haustarifvertrages vorerst ausgeschlossen.
Chiron macht insbesondere die Schwäche im Automobilgeschäft zu schaffen. In dieser Sparte erwirtschaftete das Unternehmen zuletzt 60 Prozent seiner Umsätze. Zwar habe man über den Jahreswechsel „einige Aufträge reinbekommen – unter anderem von einem namhaften kalifornischen Elektroautobauer“. Doch trotz allem sei unter dem Strich die Auftragslage „stark rückläufig“. Die Kunden würden zwar häufig anfragen, hätten in der gegenwärtigen Wirtschaftslage aber nicht den Mut, in neue Maschinen von Chiron zu investieren.
Deshalb versuchen Hellwing und Spachtholz Marktanteile in gut laufenden Branchen wie Medizintechnik, Aerospace sowie Uhren und Schmuck auszubauen. Ganz kompensieren könne man den Einbruch im Automobilgeschäft aber nicht.
Rückendeckung für ihre Strategie bekommt das Führungsduo von den Gesellschaftern, den Düsseldorfer Familien Hoberg und Driesch. Diese brächten einen „langen Atem“mit. Zudem sei Chiron finanziell sehr solide aufgestellt und könne eine Krise wie jetzt „gut überwintern“. „Ich bin überzeugt, dass Chiron gestärkt aus dieser Krise hervorgeht“, gab sich Hellwing optimistisch.
Ob es für sie und Spachtholz an der Unternehmensspitze weitergeht, ließ die Chiron-Chefin offen. „Wir suchen extern wie intern“, sagte Hellwing. Da aktuell nicht absehbar sei, in welche Richtung sich der Konzern entwickle, wolle man aber nichts übers Knie brechen.
Einstweilen verantwortet Hellwing, die nach Stationen bei Siemens und Thyssenkrupp seit Oktober 2018 bei Chiron ist, die administrativen Bereiche der Gruppe sowie Einkauf, Service und Logistik, Spachtholz, der im vergangenen Jahr in die ChironGeschäftsführung berufen wurde, die technischen Bereiche wie Produktion, Vertrieb sowie Forschung und Entwicklung.
Den Abgang von Markus Flik als Chiron-Chef kommentierte Hellwing als „überraschend“. Möglicherweise habe sich sein Entschluss aber auch abgezeichnet. In den fünf Jahren bei Chiron hatte Flik das Familienunternehmen, getragen von einer guten Konjunktur, stark auf Wachstum getrimmt. In Neuhausen ob Eck wurde 2019 für 30 Millionen Euro die „modernste Werkzeugmaschinenfabrik Europas“eröffnet, so erklärte Flik damals. Investitionen, die laut Hellwing „gut und richtig waren und die sich auszahlen werden“.
Doch in der Flaute sind andere Qualitäten gefragt. Offiziell haben sich Flik, Gesellschafter und Verwaltungsrat zwar in „bestem gegenseitigen Einvernehmen“getrennt. Hinter den Kulissen hat es nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“aus Unternehmenskreisen aber durchaus unterschiedliche Ansichten über den künftigen Kurs des Unternehmens gegeben.