Neuer Bahnknoten soll die Verkehrswende bringen
Fahrgäste fahren von Lindau aus künftig im Stundentakt – und sogar noch häufiger – in alle Richtungen
- Ein Bahnangebot, wie es kaum eine andere Stadt dieser Größe hat, das bekommt Lindau mit dem neuen Bahnknoten. Der wird zwar erst 2023 fertig, aber schon heute ist klar, wie dann die Züge fahren.
Der neue Reutiner Bahnhof wird nach Angaben der Bahn AG trotz der jüngsten Schlagzeilen um Funde aus dem Zweiten Weltkrieg pünktlich fertig, sodass dort ab Dezember Züge halten. Dennoch wird es noch ungefähr drei Jahre dauern, bis die Arbeiten für den Bahnknoten soweit sind, dass alle Züge so fahren können, wie sich die Verantwortlichen das vorstellen. Für Lindauer und Gäste bedeutet das den Einstieg in die „Verkehrswende“, wie Stadtbaudirektor Georg Speth in der jüngsten Stadtratssitzung schwärmte. Florian Liese, Leiter der Planungsabteilung der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, stellte vor, auf was sich Bahnfahrer – und solche, die es werden wollen – freuen dürfen.
Warum dauert es so lange, bis der Bahnknoten Lindau fertig wird?
Liese erläuterte, dass der Bahnknoten Lindau leider noch nicht mit Eröffnung des Reutiner Bahnhofs voll funktionstüchtig ist. Dabei hat das nichts damit zu tun, dass die Bahn nach Ende der Gartenschau noch den Inselbahnhof umbauen muss. Denn das hat kaum Folgen für den Zugverkehr. Vielmehr wirkt sich ein Planungsfehler der Bahn AG aus.
Wie berichtet, hat das Eisenbahnbundesamt beim Planfeststellungsbeschluss für den Bahnknoten Lindau bemängelt, dass die Bewohner des Gleisdreiecks fast eingeschlossen würden, weil die Schranken angesichts der dort geplanten Zugverkehre weitaus mehr geschlossen als offen sein werden. Das ist aber nicht zumutbar und würde im Notfall sogar Menschenleben kosten. Die Behörde hat deshalb verfügt, dass dort vorerst nur so viele Züge fahren dürfen wie heute. Mehr Fahrten sind erst erlaubt, wenn die Unterführung Hasenweidweg-Ost fertig ist. Die Bahn gehe davon aus, dass dies im Sommer 2023 der Fall sein werde, sagte Liese jetzt im Stadtrat. Erst danach dürfen endlich die Züge von Lindau aus so oft wie möglich in alle Richtungen fahren.
Auf welche Verbesserungen dürfen sich Bahnfahrer ab Dezember freuen?
Gleichzeitig wird die Bahn AG im Dezember den neuen Reutiner Bahnhof und die elektrifizierte Strecke über Memmingen nach München in Betrieb nehmen. Die feierliche Eröffnung ist kurz davor geplant, aber ab 13. Dezember gilt dort ein Fahrplan. Das bedeutet, dass moderne Neigetechnik-ICE aus der Schweiz mindestens sechsmal am Tag von Lindau nach München und von Lindau nach Zürich fahren werden. Lindauer und Gäste fahren es dann in weniger als zwei Stunden von Reutin bis zum Münchner Hauptbahnhof – so schnell schafft man es mit dem Auto nicht. Nachteil: Fernreisende, die auf die Insel wollen, müssen in Reutin umsteigen, denn dorthin fahren die ICE nicht mehr.
Den Alex wird es ab Jahresende nicht mehr geben, stattdessen übernimmt die Bahn AG diese Fahrleistungen zwischen Lindau über Kempten nach München. Im Nahverkehr sind ein Jahr lang noch ausschließlich Dieselloks im Einsatz. Liese erklärte das mit den Folgen eines Rechtsstreits eines Bahnunternehmens mit dem Freistaat.
Wer mit dem Zug über Kempten nach Augsburg fahren will, kann meistens wählen, ob er in Reutin oder auf der Insel einsteigen will, denn der Regionalexpress hält in beiden Bahnhöfen. Das gilt aber nicht für alle Züge, denn die Bahn darf wegen der beschriebenen Regel des Eisenbahnbundesamts nur so oft zwischen Reutin und der Insel fahren, wie dort bisher der Eurocity gefahren ist.
Auf der Insel und in Reutin halten alle Züge, die zwischen Lindau und Vorarlberg fahren.
Welche weiteren Verbesserungen gibt es dann ab Dezember 2021?
Beim ICE könnte es auch mittags eine Verbindung zwischen München und Zürich geben, laut Liese verhandelt der Freistaat darüber mit dem Bund.
Klar ist, dass das neue Unternehmen Goahead im Dezember 2021 im Zwei-Stunden-Takt, also im Wechsel mit dem ICE, unter Strom über Memmingen nach München fahren wird. Im Wechsel mit dem ICE ergibt das zwischen Memmingen und Lindau sogar einen Stundentakt. Der Freistaat will das laut Liese auch an Wochenenden, muss darüber aber noch mit Baden-Württemberg verhandeln. Bis die Unterführung Hasenweidweg-Ost fertig ist, dürfen diese Züge nur auf die Insel fahren.
Unter Diesel fahren Neigetechnikzüge von Lindau über Kempten im Stundentakt und im Wechsel direkt weiter nach München und nach Augsburg. In die jeweils andere Richtung soll es in Buchloe eine gute Umsteigeverbindung geben. In Lindau sollen die Fahrgäste aus diesen Zügen eine gute Umsteigeverbindung in den ICE nach Zürich erhalten. Bis die Unterführung Hasenweidweg-Ost fertig ist, dürfen diese Züge nur nach Reutin fahren.
Liese geht davon aus, dass im Dezember 2021 auch die Regio-ExpressLinie zwischen Lindau und Rorschach in Betrieb gehen wird, die bis zu elfmal am Tag in allen Stunden fahren, in denen der ICE nicht fährt. Vorerst dürfen diese Züge nur bis Reutin fahren, auch das liegt an der fehlenden Unterführung Hasenweidweg-Ost.
Ab Dezember 2021 werden auch auf der Südbahn von Lindau über Friedrichshafen nach Ulm und weiter bis Stuttgart Elektrozüge fahren. Voraussichtlich werde auch die Regionalbahn zwischen Lindau und Friedrichshafen unter Strom fahren. „Das ermöglicht es, dass alle Züge in Enzisweiler halten“, freut sich Liese.
Welche Leistungen bietet der Bahnknoten Lindau, wenn die Unterführung Hasenweidweg-Ost fertig ist?
Liese appellierte an Verwaltung und Stadtrat in Lindau, die zügige Fertigstellung der Unterführung Hasenweidweg-Ost zu unterstützen. Denn erst danach entfaltet der Bahnknoten Lindau seine volle Wirkung. Die Bahner gehen derzeit davon aus, dass dies im Frühjahr oder Sommer 2023 der Fall sein wird. Das würde bedeuten, dass spätestens mit Beginn des Winterfahrplans im Dezember 2023 alle oben genannten Sperren entfallen, sodass mit Ausnahme der ICE alle Züge in Reutin und auf der Insel halten. Die Elektrozüge fahren von Memmingen aus zuerst auf die Insel und dann nach Reutin. Dieselloks aus Kempten fahren zuerst nach Reutin und dann auf die Insel.
Liese berichtete, dass die Verantwortlichen für Zugverkehr aus BadenWürttemberg und Vorarlberg derzeit darüber verhandeln, ob es durchgehende Züge geben soll. Möglicherweise wird sich das Angebot für Lindauer und Gäste dadurch noch weiter verbessern. Das ist aber noch nicht entschieden.
Wann werden die zusätzlichen Bahnhalte zwischen Lindau und Hergatz fertig?
Liese geht davon aus, dass zumindest einige der fünf Bahnhalte in Aeschach, Oberreitnau, Weißensberg, Schlachters und Hergensweiler ebenfalls vor dem Jahresende 2023 eröffnet werden, sodass die Nahverkehrszüge nach Kempten und Memmingen dort halten. Ganz sicher ist das aber noch nicht. Die Bahn überarbeitet derzeit den Zeitplan und kann das noch nicht genau sagen.
Was ist mit dem schon oft geforderten neuen Bahnhalt in Zech?
Der Freistaat weiß laut Liese, dass es Fahrgastpotenzial für einen zusätzlichen Bahnhalt im Bereich Bahlsenbrücke/Zech gäbe. Ob es dort allerdings irgendwann einen Bahnhalt geben wird, hängt von den Fahrplänen in Baden-Württemberg und Vorarlberg ab. Bisher sei kein Platz für die zwei Minuten Reisezeit, die ein Bahnhalt kostet. Doch es sei nicht ausgeschlossen, dass die Elektrifizierung und die Folgen von Stuttgart 21 den Bahnhalt Zech doch noch ermöglichen. Eine neue Studie prüft neben anderen auch diesen neuen Halt. Entsprechend bat Liese die Lindauer weiter um Geduld.
Welche Folgen haben all die Maßnahmen für die Reisezeiten?
Bahnfahrer erreichen ihre Ziele künftig sehr viel schneller als heute. Über Memmingen braucht der Eurocity bis
München dann genau eine Stunde und 52 Minuten, der Regionalexpress zwei Stunden und 28 Minuten, wenn er an allen fünf neuen Bahnhalte hält. Genauso schnell soll der Regionalexpress über Kempten sein. Von Lindau nach Augsburg dauert eine Fahrt über Kempten zwei Stunden und vier Minuten. Dabei sollen die Züge so getaktet sein, dass Fahrgäste Anschluss an die ICE nach Berlin und Hamburg gut erreichen. Fahrten zwischen Lindau und Memmingen dauern mit dem ICE 49 Minuten, mit Goahead eine Stunde und 20 Minuten. Die Fahrt nach Kempten wird nur noch gut eine Stunde dauern.
Und was ist mit den Verbindungen nach Ulm und Stuttgart?
Mathias Hotz (JA) und Angelika Rundel (SPD) wiesen Liese darauf hin, dass für viele Lindauer gute Anschlüsse in Ulm wichtig seien, damit sie mit ICE weiter in den Westen fahren können. Bisher verpasse man die Umsteigemöglichkeiten in beiden Richtung in Ulm fast immer und müsse ärgerliche Wartezeit einplanen. Liese erwartet sich durch die Elektrifizierung deutliche Verbesserungen, will darüber mit den württembergischen Kollegen aber nochmal sprechen. Denn für diese Fahrpläne ist Bayern nicht zuständig. Außerdem bleibe der Engpass der eingleisigen Strecke am Bodensee entlang.
Dürfen die Lindauer auf einen Fahrkartenschalter und ein Bahnhofsgebäude in Reutin hoffen?
Ein Fahrkartenschalter ist laut Liese als Pflicht im Vertrag mit Goahead festgeschrieben. Deren Züge halten aber erst ab 2023 in Reutin. Außerdem besage der Vertrag, dass dieser Schalter im Umfeld des Bahnhofs sein muss, nicht direkt auf dem Grundstück. Die Bahn hat vielfach betont, dass sie kein Bahnhofsgebäude bauen wolle. Liese erklärte, dass der Freistaat sich ein Gebäude wünscht, in dem Fahrgäste Wartezeit verbringen und sich was zum Essen oder eine Zeitung kaufen können. Doch verpflichten könne der Freistaat die Bahn nicht.
Was können Bahnfahrer zur Gartenschau und bei künftigen Großereignissen erwarten?
Für die Lindauer Gartenschau werde es einen besonderen Fahrplan mit Verstärkerzügen und mehr Waggons geben, kündigte Liese an. Er könne aber nur über die Verbindungen vom Allgäu her sprechen. Für die Linie von Friedrichshafen her müsste Lindau Kontakt zu den Kollegen in BadenWürttemberg aufnehmen. Liese erklärte außerdem, dass der Freistaat die Zugunternehmen inzwischen vertraglich verpflichte, dass sie bei Großereignissen wie dem Lindauer Jahrmarkt mehr Waggons einsetzen. Auch da empfahl er Gespräche mit dem Nachbarland.