Polizei ist Verkehrssündern auf der Fährte
Allein im Januar gab es drei Kontrollen auf der A 96 – Davor über Jahre hinweg sehr selten
- Seit Ende 2016 gilt auf der A96 zwischen Wangen und Leutkirch bei Nässe Tempo 80. Dazu darf im Winter auf der Argentalbrücke bei Neuravensburg maximal 120 gefahren werden und im Herfatzer Tunnel höchstens 100. Lange stand diese Geschwindigkeitsbegrenzungen in dem Ruf, bloß auf den damals aufgestellten Schildern präsent zu sein. Mit Kontrollen tat sich die Polizei schwer. Das hat sich geändert.
Was sind die Ergebnisse der jüngsten Verkehrskontrollen?
Die Meldung der Ravensburger Polizeipressestelle ließ Mitte Januar aufhorchen: Ein Auto rast mit 228 Kilometern pro Stunde über die Argentalbrücke bei Neuravensburg. Dessen Besitzer verliert seinen Führerschein, da dort in den Wintermonaten wegen besonderer Glättegefahr ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern besteht. Nicht nur dieser Raser ist Fahrerlaubnis los, sondern neun weitere gleich mit. Denn allesamt waren sie an dem Tag im Januar mindestens mit 160 Sachen oder mehr unterwegs. Und: Insgesamt waren 251 von rund 2300 gemessenen Verkehrsteilnehmern zu schnell unterwegs.
Noch ernüchternder aus Sicht der Verkehrsdisziplin fielen zwei weitere Kontrollen aus, über die die Beamten am Mittwoch informierten: Erneut hatten Polizisten auf der Talbrücke bei Neuravensburg gemessen. Ergebnis eines Einsatzes vom Sonntag: Gleich 31 Autofahrern drohen jetzt Fahrverbote. Insgesamt stellten sie sogar 503 Geschwindigkeitsverstöße fest. Und erneut gab es einen besonders schnellen „Rekordhalter“: Er hatte 202 Stundenkilometer auf der Tachonadel.
Die Polizei hat aber nicht nur Temposünder im Blick, auch Drängler haben derzeit schlechte Karten. Denn just vor einer Woche standen Abstandsmessungen auf der A96 auf dem Programm. Dabei wiesen die Beamten 371 Autofahrern nach, zu dicht aufgefahren zu sein.
Hat die Polizei die A96 derzeit verstärkt im Blick?
Alles spricht dafür. Denn die Polizei hat in der Vergangenheit deutlich seltener die Ergebnisse solcher Stichproben bekannt gegeben. Vor allem aber bestätigt sie Informationen der „Schwäbischen Zeitung“, wonach der in Kißlegg stationierte Verkehrsdienst seit Neuestem über spezielles Gerät für die Verkehrsüberwachung verfügt. Wörtlich heißt es: „Ein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeitsmessanlage der Firma Vitronic ist der Verkehrspolizeiinspektion Ravensburg mit Standort Verkehrsdienst Kißlegg zugewiesen“worden. Es werde von hier aus auf der A96 eingesetzt. Aber nicht nur dort: Die zuständigen Beamten kontrollieren damit jetzt auch auf Bundes-, Land- und Kreisstraßen.
Der Umzug des Spezialfahrzeugs hat mit der im Januar erfolgten
Gründung des Polizeipräsidiums Ravensburg zu tun, das seither für die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Sigmaringen zuständig ist. Zuvor hatte das Präsidium in Konstanz das Sagen, und da „waren die sogenannten Großgeräte für die Geschwindigkeitskontrolle in der Tat bei der Verkehrsdirektion in Sigmaringen stationiert“, wie die Polizei auf entsprechende Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“erklärt. Dort seien in den vergangenen Jahren die Einsätze geplant worden.
Was bedeutete dies bis dahin für die A96?
Im Klartext: Wollten die Verkehrspolizisten auf der hiesigen Autobahn kontrollieren, mussten sie in der Regel aus Sigmaringen anreisen. Laut Polizei wurde dies so organisiert: „Die Einsatzplanung wurde von dort aus vorgenommen, verschiedene
Schwerpunktorte rückten so turnusmäßig in den Fokus, unter anderem die A96.“
Das hieß bis dato aber auch: Gerade mit der Überwachung des zwischen den Anschlussstellen Wangen-Nord und Leutkirch-Süd nur bei Nässe geltenden Tempolimits von 80 Stundenkilometern mussten sich die Beamten schwer tun – schließlich kann sich das Wetter schneller ändern als eine Fahrt von Sigmaringen ins Württembergische Allgäu dauert.
Diese These bestätigt das Verkehrsministerium des Landes: Einer „intensiven und nachhaltigen Überwachungstätigkeit“auf der Autobahn seien „aufgrund der der erforderlichen speziellen Wettervoraussetzungen gewisse Grenzen gesetzt“, heißt es aus Stuttgart als Antwort auf eine kleine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Martin
Rivoir. Sie stammt von Ende November 2019 – und damit aus der Zeit, bevor das Spezialfahrzeug von Sigmaringen nach Kißlegg versetzt worden war. Bis dahin wurden Tempokontrollen „in aller Regel mit größerem zeitlichen Vorlauf“geplant. Gleichwohl sei die Polizei in der alten Struktur „bemüht“gewesen, „auch kurzfristig und flexibel auf entsprechende Wetterlagen zu reagieren“.
Hat Tempo 80 dennoch etwas gebracht?
Ganz offensichtlich. Denn das Verkehrsministerium konstatiert in dem Schreiben eine „hohe Akzeptanz“des Tempolimits, das „mehrheitlich eingehalten“werde. Dies sei durch zivile Videostreifen festgestellt worden. In für das Jahr 2019 beigefügten Zahlen ausgedrückt: 2729 Fahrzeuge wurden gemessen. Von diesen waren 7,1 Prozent zu schnell. In 0,1 Prozent der Fälle verhängte die Polizei ein Fahrverbot.
Ähnliches lässt sich aus den Unfalldaten schließen. War mit der Hauptunfallursache Geschwindigkeit 2016 ein Höchstwert von 13 Unfällen zu verzeichnen, so sanken die Zahlen in den Folgejahren kontinuierlich, schreibt das Ministerium. Zum Vergleich: 2019 gab es bis Ende November nur noch vier Crashs.
Aber auch insgesamt kracht es zwischen Wangen-Nord und Leutkirch-Süd seit Einführung von Tempo 80 bei Nässe deutlich seltener: Dem Spitzenwert der vergangenen fünf Jahre mit 45 Unfällen im Jahr 2015 folgten 36 ein Jahr später. Seit das Geschwindigkeitslimit Ende 2016 in Kraft trat, sind es jährlich 25 bis 28. Allerdings: Die Zahl der Unfälle mit „Personenschäden“, also Toten oder Verletzten, steigt – und zwar von sechs im Jahr 2017 auf zuletzt 17.
Übrigens: Auf der Talbrücke Obere Argen passiert selten etwas. Bemerkenswert ist hier lediglich das Jahr 2016 mit vier Unfällen.
Und: Im Herfatzer Tunnel gab es in den vergangenen fünf Jahren gar keine Unfälle.