Ein Signal der Kurzsichtigkeit
Die Würfel sind gefallen. Was diese Woche noch folgt im Impeachment-Prozess, ist nur noch Formsache. Mit dem Votum des Senats, keine weiteren Zeugen anzuhören, ist ein Freispruch Donald Trumps nicht nur wahrscheinlicher geworden. Er ist garantiert.
Vom Oval Office massiv unter Druck gesetzt, haben die Konservativen ihre Reihen geschlossen. Sie bildeten eine Wagenburg, zu der Sachargumente nicht wirklich vordrangen. Und wie die Öffentlichkeit denkt, wurde schlicht ignoriert. Drei Viertel der Amerikaner hielten es für richtig, zusätzliche Zeugen vorzuladen. Dabei ging es wohlgemerkt nicht um irgendwelche Figuren am Rande. Es ging um Kronzeugen, die mit am Tisch saßen, als Trump das Erpressungsszenario der UkraineAffäre entwarf.
John Bolton, bis September Nationaler Sicherheitsberater, hat in einem Buchmanuskript tiefe Risse in die Verteidigungsstrategie des Weißen Hauses geschlagen. Demnach hat Trump ihm selbst gesagt, dass er Militärhilfe für die Ukraine zurückhielt, um den Newcomer Wolodimir Selenskij zu Ermittlungen gegen den Rivalen Joe Biden zu zwingen. Bereits im Mai 2019 , so die neueste Enthüllung, soll ihn der US-Präsident aufgefordert haben, Kiew unter Druck zu setzen.
Boltons Auftritt zu blockieren widerspricht dem gesunden Menschenverstand. Gewiss, am Ergebnis hätte es aller Voraussicht nach nichts geändert. Die Entscheidung ist eine politische, und politisch sind die Fronten zwischen beiden Parteien hoffnungslos verhärtet. Nur: Moralisch ist die einst so stolze „Grand Old Party“auf ihrem Tiefpunkt angelangt. Sei es aus Angst vor der Retourkutsche eines selbstherrlichen Präsidenten, sei es aus Furcht vor der Rache einer Trump noch immer treu ergebenen Basis: Bis auf zwei Abweichler hat es niemand gewagt, aus der Phalanx auszubrechen. Damit hat die Fraktion einen Prozess abgewürgt, der nun als Farce endet. Für die Gewaltenteilung, das Fundament der amerikanischen Demokratie, ist es ein verheerendes Signal, ein Signal der Kurzsichtigkeit.