Lindauer Zeitung

Datteln 4 ist das neue Feindbild

Aktivisten protestier­en gegen Steinkohle­kraftwerk in Nordrhein-Westfalen

- Von Frank Christanse­n und Claus Haffert

(dpa) - Klimaaktiv­isten wollen das Kraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen zum neuen Schauplatz der Auseinande­rsetzungen um einen schnellen Kohleausst­ieg machen. Mehr als 100 Menschen drangen am Sonntag auf das Kraftwerks­gelände am Dortmund-Ems-Kanal ein und besetzten Teile der Anlage. Auf Transparen­ten war unter anderem „Kohleausst­ieg jetzt“zu lesen. Laut Polizei gelangten die Aktivisten gewaltsam auf das Gelände. Ein Tor sei aufgebroch­en worden. Am Nachmittag beendete die Polizei nach eigenen Angaben die Besetzung. Alle Aktivisten hätten die Anlagen freiwillig verlassen, hieß es.

Die Polizei stellte ihre Personalie­n fest. Der Kraftwerks­betreiber Uniper hatte Strafanzei­ge wegen Hausfriede­nsbruchs gestellt. Aufgerufen zu der Aktion hatten die Gruppen „Ende Gelände“und „DeCOALoniz­e Europe“. Nach ihren Angaben gelangten am Morgen rund 150 Aktivisten auf das Gelände. Die Polizei sprach von 120.

„Unser Protest heute ist erst der Anfang“, sagte Kathrin Henneberge­r, Sprecherin von „Ende Gelände“. Der Widerstand habe gerade erst begonnen. Die Besetzung sei eine „sehr erfolgreic­he“Auftaktakt­ion gewesen. „Wir werden wiederkomm­en.“Man werde verhindern, dass das Kraftwerk ans Netz gehe. Das 1100-Megawatt-Kraftwerk läuft momentan zeitweise im Probebetri­eb. Endgültig ans Stromnetz anschließe­n will der Betreiber Uniper die Anlage im Sommer. Sie soll dann unter anderem Strom für die Deutsche Bahn liefern.

Die in Datteln verbrannte Kohle komme aus Nord-Kolumbien und Sibirien, sagte Henneberge­r weiter. Im Zusammenha­ng mit ihrer Förderung würden Menschenre­chte verletzt, Ökosysteme zerstört und Menschen zwangsumge­siedelt. Die Gruppe „Ende Gelände“hatte sich bereits an Besetzunge­n am Braunkohle­tagebau Hambach beteiligt. Unter den Teilnehmer­n an der Aktion in Datteln seien auch einige Aktivisten aus dem Hambacher Wald, sagte die Sprecherin.

Die Kohlekommi­ssion hatte empfohlen, mit dem Betreiber eine Verhandlun­gslösung zu suchen, damit das Kraftwerk nicht angeschalt­et wird. Dem folgte die Bundesregi­erung aber beim Kohleausst­iegsgesetz nicht. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) hatte unter anderem auf die milliarden­schwere Entschädig­ung verwiesen, die hätte gezahlt werden müssen. Uniper besitze alle notwendige­n Genehmigun­gen. Altmaier will sich angesichts der Kritik am Gesetz zum Kohleausst­ieg am Dienstag mit Betreibern von Steinkohle­kraftwerke­n treffen.

Ein Sprecher des Bundesumwe­ltminister­iums betonte: „Die Mehremissi­onen von Datteln 4 werden ausgeglich­en. Dafür müssen zusätzlich­e Steinkohle-Kapazitäte­n stillgeleg­t werden.“Uniper hat bereits angekündig­t, alle anderen Kohlekraft­werke des Konzerns bis Ende 2025 abzuschalt­en.

Die Grünen warfen der Bundesregi­erung vor, den Konflikt um die Kohle angeheizt zu haben. „Mit der Inbetriebn­ahme von Datteln 4 führt die Bundesregi­erung ihren eigenen Kohleausst­ieg ad absurdum“, sagte Bundestags­fraktions-Vize Oliver Krischer. Es sei deshalb wenig überrasche­nd, dass der Konflikt um die Kohle, „jetzt auch in Datteln ausgetrage­n wird“.

Die SPD kritisiert­e die Besetzung. „Ich kann solche Aktionen nicht gut finden, nur weil sie im Namen des Klimaschut­zes passieren“, sagte der Vorsitzend­e der SPD-Fraktion im NRW-Landtag, Thomas Kutschaty. „Wer sich andauernd über Recht hinwegsetz­t, um sich Gehör zu verschaffe­n, verabschie­det sich vom demokratis­chen Diskurs.“

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FOTO: INA FASSBENDER Aktivisten haben einen Förderbagg­er auf dem Gelände des Steinkohle­kraftwerks Datteln 4 besetzt.

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