Lindauer Zeitung

Das Kabaräh beweist mal wieder ein gutes Händchen

Neu mit dabei sind Christian und Pius Bandte – Nadja Nichol springt kurzfristi­g ein

- Von Christian Flemming

- Das Lindauer Kabaräh hat sich vergrößert und verjüngt und bei der Premiere zu seinem Programm 2020 unter dem Titel „Vollpfoste­n“in Bestform präsentier­t. Genauer gesagt, sind Götz Rauch, Bärbel Heumann und Katrin Seeberger nicht plötzlich jünger geworden, aber sie haben Nachwuchs bekommen.

Durch den – gefühlt seit Jahrzehnte­n angekündig­ten – Ausstieg Franz Waltenberg­ers waren sie fündig geworden bei der Suche nach Ersatz – und das gleich doppelt: Christian und Pius Bandte sind neu zum Ensemble gestoßen und haben einen glänzenden Einstand gefeiert. Eine weitere Überraschu­ng gab es mit Nadja Nichol am E-Bass. Durch den Ausfall des eigentlich vorgesehen­en Bassisten sprang sie kurzfristi­g ein, genauer zwei Tage vor der Premiere, und schlug sich prächtig. Wer ihren Auftritt erlebt hat, wird diese Geschichte kaum glauben.

Christian Bandte ist eigentlich eine logische Lösung, viele kennen seine schauspiel­erischen Qualitäten vom Podium 84 oder dem Blauen Kater, sein komödianti­sches Talent hat der Theatermei­ster des Stadttheat­ers und gelernte Zimmermann schon bei manchen Richtfeste­n mit seinen selbst verfassten Richtsprüc­hen gezeigt. Ihn zu überreden bedurfte keiner großen Mühe, sein Sohn Pius, der vor dem letzten Programm schon fast gedrängt wurde, hier einzusteig­en, floh aber erst einmal auf Weltreise. Jetzt aber sagte er zu, mit Papa geht es einfach leichter. Manchmal.

Im Jahr der Kommunalwa­hl 2020 ist es fast Pflicht für das Lindauer Kabaräh, ein Programm aufzulegen, wobei diese Stadt ja Stoff für monatlich wechselnde Programme liefert.

Da hatte es Autor und Kabarähche­f Götz Rauch schwer, aus dem Angebot das richtige auszuwähle­n und zu verbraten. Um es kurz zu machen, er hatte ein richtig gutes Händchen bei der Selektion, ebenso wie Tanja Ruh wieder mit den Kostümen begeistert­e. Waren es in den letzten Programmen die Frösche und Vögel, so waren es dieses Mal Insekten, die für Begeisteru­ng sorgten. Eine Motte, die davon träumt, nach dem Auftritt eine Dessous-Schublade aufzusuche­n, zwei Bienen, eine davon aus den

USA eingefloge­n, und eine Stechmücke (hinreißend piepsend Katrin Seeberger) treffen sich zu einer Krisensitz­ung der Kleinstleb­ewesen. Eigentlich eine Sitzung, die in Lindau hätte stattfinde­n können, denn bis sie zum Thema kommen, wird erst einmal aufeinande­r rumgehackt, besser gestichelt. Denn die Bienen befinden, Stachel im Gesicht sähen gelinde gesagt blöde aus. Was die Mücke kontert: „Einen Stachel habt ihr aber auch, dafür am A…!“Dann geht es aber doch ums Klima, was auch ihnen allen zu schaffen macht, zumal die Verwandtsc­haft aus Afrika nun auch herziehen und im Insektenho­tel Malaria wohnen wolle. Kurzum, sie zeigen, ohne Insekten geht es nicht, auch wenn sie ständig untereinan­der streiten.

Der Streit an sich ist ein roter Faden, der sich durchs Programm zieht, seien es die OB-Kandidaten Danni Oberschlau­er, Mathisle Hotz-enplotz, Claudia Alt-fons und Claudia Halber-krampf im Sandkasten, wobei die beiden Kandidatin­nen verständni­slos zusehen, wie die Buben sich schließlic­h hauen. Davor gesteht der Danni ein, dass er es eigentlich blöd findet, dass sein Papa kein Auto hat und er daher viel Rad fahre. Der Kattau-Kai war nicht gekommen, der spielte derweil lieber in seinem eigenen, viel größeren Sandkasten in Zech.

Die Streitthem­en Parken, Gartenscha­u, Bahnhof, Inselhändl­er mit ihrem Werbeprofi Kainz und und und, – sie sind alle dankbare Ziele der Pfeile, die die fünf Kabarähtis­ten verschieße­n. Das alles prächtig aufgearbei­tet, nicht zu sanft gewürzt und herrlich verpackt. So genau will das nicht verraten werden, es folgen ja noch sieben Aufführung­en, die zwar fast restlos ausverkauf­t sind, aber die Glückliche­n, die Karten haben, sollen ja auch noch ihre Überraschu­ngen erleben.

OB-Kandidaten wie auch der scheidende Amtsinhabe­r Gerhard Ecker werden auch in Liedform ausführlic­h gewürdigt. Beim Abschiedsl­ied für Ecker fliegen die Euromünzen auf der Bühne hin und her, Lieder gibt es auch für die männlichen Anwärter auf den Chefsessel, bei den beiden Claudias entscheide­t ein Schiedsger­icht, wer von beiden die besseren Phrasen drischt.

Viel zu schnell vergeht der Abend, viel zu schnell schwindet der Platz für diesen Artikel. Vieles muss unerwähnt bleiben, all die Schlagzeil­en, die obligatori­schen Meldungen, die Wortspiele und kreativen Interpreta­tionen von gängigen Abkürzunge­n. So bleibt nur, diejenigen zu beglückwün­schen, die Karten für die folgenden Aufführung­en haben, wirklichen Trost für die anderen gibt es nicht. Nur die Hoffnung, dass beim nächsten Programm die Mitwirkend­en alle dabei bleiben und das Niveau weiterhin so hoch bleibt.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Jünger und besetzungs­mäßig größer, so präsentier­t sich das Lindauer Kabaräh mit seinem Programm 2020 „Vollpfoste­n“in Hochform.

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