Neues Jahr, neuer Trainer, altes Leid
Der VfB Stuttgart sucht nach Konstanz und verliert beim 1:1 auf St. Pauli den Kapitän
(dpa) - Sven Mislintat ließ sich seinen Humor nicht nehmen. Nach dem zähen 1:1 (0:0) des VfB Stuttgart gegen den FC St. Pauli am Hamburger Millerntor scherzte der Sportdirektor über den Hamburger Kultclub und seine Fans, die während des Spiels auch mal gerne Marihuana rauchen: „Gras gab es hier nur auf der Tribüne.“Dass auch auf dem nicht gerade englischen Rasen keine Feinkost geboten wurde und dazu noch ein herber personeller Rückschlag kommt, ließ Mislintat zudem kämpferisch werden. Angesprochen auf den langen Ausfall von Kapitän Marc Oliver Kempf und die Verletzungsmisere in der Innenverteidigung, war seine Botschaft klar: „Da müssen wir durch, ganz einfach.“
Kempf wurde wegen eines Kieferbruchs infolge eines Zweikampfs mit Ryo Miyaichi schon nach sieben Minuten ausgewechselt und ist nach Holger Badstuber und Marcin Kaminski bereits der dritte erfahrene Innenverteidiger, der lange fehlen wird. Badstuber und Kaminski werden erst Ende Februar im Kader zurückerwartet, Kempf noch später. Auch seinem Zweikampfkontrahenten ging die Diagnose Kieferbruch nahe. „Hi Marc, es tut mir leidn das Foul, aber es war nicht absichtlich“, sagte der 27 Jahre alte Offensivspieler Miyaichi und wünschte via Twitter-Video gute Besserung.
Dennoch bleibt es für den VfB eine herbe Schwächung. Zudem passt die schlimme Verletzung des 25-Jährigen ins Bild eines Fußballspiels, in dem Stuttgart zwar gut begann, aber nach dem Schockmoment spielerisch kaum etwas zu bieten hatte. Dazu mag auch beigetragen haben, dass Stürmer Nicolas Gonzalez wegen einer vorherigen Undiszipliniertheit erst nach der Pause eingewechselt wurde. Davon, dass der abstiegsgefährdete St. Pauli gegen einen Aufstiegsanwärter spielte, war jedenfalls nichts zu sehen. „Spielerisch hatten wir sicherlich noch Luft nach oben, insbesondere was die Passgenauigkeit angeht“, sagte Pellegrino Matarazzo, der in seiner zweiten Partie auf der VfB-Bank immerhin ungeschlagen blieb.
Nach dem 3:0 gegen den 1. FC Heidenheim schon ein wenig gefeiert, musste der neue Trainer nun erkennen, dass er auf dem Weg zurück in die Bundesliga nicht viel weiter ist als sein kurz vor Weihnachten entlassener Vorgänger Tim Walter. Den Stuttgartern fehlt trotz neuer Taktik weiter die Konstanz und die Auswärtsschwäche wird zum Problem.
Seit dem 1:0 bei Spitzenreiter Arminia Bielefeld blieb der VfB auswärts in sechs Spielen ohne Sieg – und verpasste in Hamburg die Chance, bis auf einen Punkt an die Arminia heranzurücken. Holt der Hamburger SV am Montag in Bochum einen Punkt, fällt der VfB von Rang zwei wieder zurück auf den Relegationsplatz. Da tröstet es die Fans kaum, dass auch der HSV und Bielefeld in St. Pauli verloren haben.
Immerhin kam Stuttgart nach
Henk Veermans Führungstor für die Gastgeber noch einmal zurück, biss sich in die Partie und feierte den späten 1:1-Ausgleich durch Mario Gomez (81.). Das Team habe nach dem Gegentor eine „richtig geile Mentalität“gezeigt, befand Mislintat. „Das
Sven Mislintat
war dann richtig Zweitliga-Kampf und es ist auch eine gute Erkenntnis für uns, dass wir das auch können.“
In der anstehenden intensiven Woche wird die Elf das auch brauchen. Nach dem DFB-Pokal-Achtelfinale am Mittwoch (18.30/Sky) beim Favoriten Bayer Leverkusen folgt drei Tage später das Heimspiel gegen den starken FC Erzgebirge Aue. Mit einer Innenverteidigung, in der neben dem 23-jährigen Atakan Karazor in Nathaniel Phillips (22), Maxime Awoudja (22), Luca Mack (19), Antonis Aidonis (18) und eventuell Neuzugang Clinton Mola (18) nur noch junge Talente zur Verfügung stehen.
Wenigstens erlitt Linksverteidiger Borna Sosa statt des befürchteten Mittelhandbruchs nur eine starke Prellung. Doch schon bei St. Pauli hatte der VfB und seine nach dem Kempf-Ausfall unsichere Defensive Glück, dass der Kiez-Club bei mehreren Chancen nicht ein zweites Tor erzielte. Für Matarazzo gilt daher die gleiche Erkenntnis wie zuvor unter Walter: Um endlich die Rolle des Aufstiegsfavoriten zu erfüllen, muss sich der VfB klar steigern. „Wir sind in einem Prozess und noch lange nicht aufgestiegen“, sagte Gomez.
„Gras gab es hier nur auf der Tribüne.“