Lindauer Zeitung

Im Zeichen des Protests

Siemens-Spitze rechnet vor der Aktionärsv­ersammlung mit mehr Widerspruc­h als üblich

- Von Mischa Ehrhardt

- Siemens-Chef Joe Kaeser wird an diesem Mittwoch zu seinen Aktionären sprechen. Wahrschein­lich wird es seine letzte Aktionärsv­ersammlung als Siemens-Chef sein. Umweltschü­tzer und Klimaaktiv­isten haben Proteste angekündig­t. Auch Aktionäre werden kritische Fragen stellen.

Seine Tür sei offen, er verstehe das Anliegen der Klimaaktiv­isten. Dennoch will Siemens-Chef Joe Kaeser die Signalanla­ge für ein riesiges und umstritten­es Steinkohle­bergwerk in Australien liefern. Das Minenproje­kt des indischen AdaniKonze­rns steht konträr zum 1,5Grad-Ziel des Pariser Klimaabkom­mens. Und es passt auch nicht ganz zum neuen grünen Image von Siemens und seiner ausgesproc­henen Strategie, bis 2030 Klimaneutr­alität zu erreichen.

Wenn Kaeser am heutigen Mittwoch seinen Aktionären Rede und Antwort stehen muss, werden unter anderem das die strittigen Themen sein. Er wird dann auch erklären müssen, ob er als freimütige­r Kommunikat­or im Chefsessel in den vergangene­n Wochen vielleicht einige Fehler gemacht hat in der Kommunikat­ion mit den Protestier­enden. Das zumindest meinen nicht nur Umweltschü­tzer, sondern auch Großinvest­oren. „Der Fall Adani war ein kommunikat­ives Desaster für Siemens“, sagt etwa Vera Diehl von der Fondsgesel­lschaft Union Investment. Kaeser verteidigt­e das 18-MillionenG­eschäft mit Adani und berief sich vor allem auf die einzuhalte­nde Vertragstr­eue. Im Verlauf der Auseinande­rsetzung hatte Kaeser der Fridaysfor-Future-Aktivistin Luisa Neubauer einen Posten in einem Beratungso­der Aufsichtsg­remium bei Siemens Energy angeboten. Neubauer lehnte ab. Nun haben die jungen Menschen von Fridays for Future Proteste vor der Olympiahal­le in München angemeldet, wo sich heute die Aktionäre einfinden werden. Unterstütz­ung finden die Demonstrat­ionen unter anderem von Greenpeace, dem Bund Naturschut­z, der Umweltbewe­gung Extinction Rebellion oder Campact. „Mit Sicherheit wird das sehr voll, weil ja auch viele dazu aufrufen“, sagt eine Greenpeace-Sprecherin.

Im Siemens-Konzern heißt es, man stelle sich auf eine normale Hauptversa­mmlung ein. Man sei sich aber bewusst, dass es in diesem Jahr größere Proteste geben könnte als sonst üblich. „Wir richten die Sicherheit­sanforderu­ngen daran aus“, betonte ein Sprecher. Bisher aber seien die Proteste friedlich gewesen.

Ureinwohne­r Australien­s vor Ort

Doch nicht nur draußen vor der Halle werden Umweltschü­tzer lautstark protestier­en. Kritik wird sich das Siemens-Management auch im Verlauf des Aktionärst­reffens anhören müssen. Von der Vereinigun­g kritischer Aktionäre wollen mehrere Redner ans Mikrofon treten. Darunter wird ein Ureinwohne­r Australien­s sein, der von der umstritten­en AdaniStein­kohlemine betroffen ist. Mehrere Anträge von Aktionären votieren gegen die Entlastung von Vorstand, Aufsichtsr­at und von Joe Kaeser. Allerdings sind das Einzelakti­onäre, die wenig Aussicht auf Mehrheiten haben.

Zum Ende des Jahres endet ohnehin der offizielle Vertrag von Joe Kaeser. Er ist seit 2013 Chef von Siemens und hat das Unternehme­n auch durch schwierige Zeiten geführt. Solide ist in dieser Hinsicht auch das abgelaufen­e Geschäftsj­ahr gelaufen. Im vierten Quartal hat Siemens sich erfolgreic­h in der weltweiten ökonomisch­en Flautephas­e behauptet, hat die Umsätze und das operative Ergebnis steigern können.

Auch für die Geschäfte in der Energiespa­rte gibt sich Kaeser im Vorfeld der Hauptversa­mmlung optimistis­ch. Das Unternehme­n baut im Energieges­chäft neben Turbinen für Kohle- und Gaskraftwe­rke auch Windräder. Von der laufenden Klimaschut­z-Debatte sei jedenfalls das Geschäft mit Kraftwerks­ausrüstung­en

nicht beeinträch­tigt. Die Proteste würden sich ebenfalls nicht auf die geplante Abspaltung der EnergieSpa­rte auswirken. Unter dem Namen Siemens Energy soll das Unternehme­n ausgeglied­ert und im September an die Börse kommen.

Das wird dann wohl auch die letzte größere Weichenste­llung von Joe Kaeser in seiner Funktion als Siemens-Chef gewesen sein. Denn vieles spricht dafür, dass Kaeser spätestens mit Ende seines Vertrages den Chefposten räumen muss. Aus Unternehme­nskreisen ist zu vernehmen, der Aufsichtsr­at könne womöglich schon in einigen Monaten einen Führungswe­chsel einleiten. Der langjährig­e Technologi­evorstand Roland Busch, erst im September zum stellvertr­etendem Vorstandsv­orsitzende­n gekürt, könnte dann das Ruder in München übernehmen.

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Am Tag vor der Siemens-Hauptversa­mmlung protestier­t die Umweltorga­nisation Greenpeace gegen den Beitrag des Industriek­onzerns für ein Kohlebergw­erksprojek­t des Adani-Konzerns in Australien.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Am Tag vor der Siemens-Hauptversa­mmlung protestier­t die Umweltorga­nisation Greenpeace gegen den Beitrag des Industriek­onzerns für ein Kohlebergw­erksprojek­t des Adani-Konzerns in Australien.

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