Die „grünen Engel“sind immer zur Stelle
260 Ehrenamtliche engagieren sich bei der Vesperkirche in Memmingen – Warum das Angebot so gut ankommt
- Normalerweise isst Regina mit ihren zwei Kindern allein zu Hause. Doch an diesem Mittag sitzt die kleine Familie an einer großen gedeckten Tafel in der Vesperkirche in Memmingen. Es gibt Bratwürste mit Kartoffelsalat, Gemüsemaultaschen mit Tomatensoße, Kaffee und Kuchen. Lachende Gesichter sind zu sehen, Gespräche schallen durch den Raum und der Duft von Essen liegt in der Luft. „Das ist für mich Kirche“, sagt die junge Frau und lässt ihren Blick durch den vollen Saal schweifen. „Nicht nur still dasitzen und beten, sondern Gemeinschaft leben.“
Es ist einer von 14 Tagen, in denen sich die evangelische Christuskirche zur Vesperkirche verwandelt und „die grünen Engel im Einsatz sind“, wie Organisatorin Margit Pschorn sagt. Damit meint sie die jeweils 60 Ehrenamtlichen, die in ihren grünen Schürzen dazu beitragen, dass die erste Vesperkirche in Südbayern zu etwas Besonderem wird. Einer von ihnen ist Karl Wägele aus Aitrach nahe Memmingen. Bereits um acht Uhr morgens war er vor Ort und stellte die Tische und Stühle auf. „Ich habe Zeit und kann helfen“, sagt Wägele. Und die Vesperkirche sei eine gute Sache. Mehr als eine Stunde benötige er, bis die 160 Stühle an der richtigen Stelle stehen und alles dekoriert sei: „Heute Morgen haben mir Schüler geholfen.“
„Unsere Ehrenamtlichen kommen nicht nur aus Memmingen, sondern aus der gesamten Region“, sagt Pschorn. Die Resonanz sei gewaltig gewesen, so viele hätten sich gemeldet. „Wir wussten gar nicht, wie wir alle unterbringen sollen“, erzählt Pschorn. Mehr als 260 Helfer sind über die zwei Wochen verteilt im Einsatz. Von der Begrüßung über den Bon-Verkauf bis hin zur Essensausgabe: Die „grünen Engel“sind überall zur Stelle, wo man sie braucht.
„Schön, dass Sie da sind“: Walter Wiblishauser steht an der Kirchentür und begrüßt jeden Gast persönlich mit einem Lächeln und einem
Handschlag. Eigentlich komme er „aus einer Nachbargemeinde“, erzählt der 66-Jährige. Aber das spiele überhaupt keine Rolle: „Als ich von der Vesperkirche hörte, wollte ich sie unbedingt kennenlernen.“Fünf Tage ist er mit seiner Frau im Einsatz und hilft den Besuchern, sich zurechtzufinden. Viele bekannte Gesichter sind darunter. Es kommen aber auch Menschen, die sonst nicht in die Kirche gehen. „Unser Konzept ist es, dass sich ganz unterschiedliche Menschen treffen“, sagt Pschorn. Am ersten Tag der Memminger Vesperkirche wurden 360 Essen verkauft.
An einem der Tische sitzt eine Familie und genießt Bratwürste mit Kartoffelsalat. Ein paar Plätze weiter unterhalten sich Seniorinnen bei einer Tasse Kaffee. Mittendrin ist Rupert Wagner vom sozialpsychiatrischen Zentrum in Memmingen und spielt Karten mit anderen Gästen. Das Projekt unterstütze er gerne: „Ich finde die Vesperkirche super, da sie sich an alle Menschen richtet.“Beeindruckt ist Wagner „von dem wertschätzenden Umgang, der in der heutigen Gesellschaft nicht selbstverständlich ist“.
Vesperkirche Memmingen: Bis zum 16. Februar wird in der Christuskirche Memmingen, Schweitzerstraße 19, täglich von 11.30 bis 13.30 Uhr Essen ausgegeben. Ein Mittagessen kostet zwei Euro inklusive Getränk und Vesperpaket. Die Bezahlung basiert auf freiwilliger Basis.