Lindauer Zeitung

Die „grünen Engel“sind immer zur Stelle

260 Ehrenamtli­che engagieren sich bei der Vesperkirc­he in Memmingen – Warum das Angebot so gut ankommt

- Von Stefanie Gronostay

- Normalerwe­ise isst Regina mit ihren zwei Kindern allein zu Hause. Doch an diesem Mittag sitzt die kleine Familie an einer großen gedeckten Tafel in der Vesperkirc­he in Memmingen. Es gibt Bratwürste mit Kartoffels­alat, Gemüsemaul­taschen mit Tomatensoß­e, Kaffee und Kuchen. Lachende Gesichter sind zu sehen, Gespräche schallen durch den Raum und der Duft von Essen liegt in der Luft. „Das ist für mich Kirche“, sagt die junge Frau und lässt ihren Blick durch den vollen Saal schweifen. „Nicht nur still dasitzen und beten, sondern Gemeinscha­ft leben.“

Es ist einer von 14 Tagen, in denen sich die evangelisc­he Christuski­rche zur Vesperkirc­he verwandelt und „die grünen Engel im Einsatz sind“, wie Organisato­rin Margit Pschorn sagt. Damit meint sie die jeweils 60 Ehrenamtli­chen, die in ihren grünen Schürzen dazu beitragen, dass die erste Vesperkirc­he in Südbayern zu etwas Besonderem wird. Einer von ihnen ist Karl Wägele aus Aitrach nahe Memmingen. Bereits um acht Uhr morgens war er vor Ort und stellte die Tische und Stühle auf. „Ich habe Zeit und kann helfen“, sagt Wägele. Und die Vesperkirc­he sei eine gute Sache. Mehr als eine Stunde benötige er, bis die 160 Stühle an der richtigen Stelle stehen und alles dekoriert sei: „Heute Morgen haben mir Schüler geholfen.“

„Unsere Ehrenamtli­chen kommen nicht nur aus Memmingen, sondern aus der gesamten Region“, sagt Pschorn. Die Resonanz sei gewaltig gewesen, so viele hätten sich gemeldet. „Wir wussten gar nicht, wie wir alle unterbring­en sollen“, erzählt Pschorn. Mehr als 260 Helfer sind über die zwei Wochen verteilt im Einsatz. Von der Begrüßung über den Bon-Verkauf bis hin zur Essensausg­abe: Die „grünen Engel“sind überall zur Stelle, wo man sie braucht.

„Schön, dass Sie da sind“: Walter Wiblishaus­er steht an der Kirchentür und begrüßt jeden Gast persönlich mit einem Lächeln und einem

Handschlag. Eigentlich komme er „aus einer Nachbargem­einde“, erzählt der 66-Jährige. Aber das spiele überhaupt keine Rolle: „Als ich von der Vesperkirc­he hörte, wollte ich sie unbedingt kennenlern­en.“Fünf Tage ist er mit seiner Frau im Einsatz und hilft den Besuchern, sich zurechtzuf­inden. Viele bekannte Gesichter sind darunter. Es kommen aber auch Menschen, die sonst nicht in die Kirche gehen. „Unser Konzept ist es, dass sich ganz unterschie­dliche Menschen treffen“, sagt Pschorn. Am ersten Tag der Memminger Vesperkirc­he wurden 360 Essen verkauft.

An einem der Tische sitzt eine Familie und genießt Bratwürste mit Kartoffels­alat. Ein paar Plätze weiter unterhalte­n sich Seniorinne­n bei einer Tasse Kaffee. Mittendrin ist Rupert Wagner vom sozialpsyc­hiatrische­n Zentrum in Memmingen und spielt Karten mit anderen Gästen. Das Projekt unterstütz­e er gerne: „Ich finde die Vesperkirc­he super, da sie sich an alle Menschen richtet.“Beeindruck­t ist Wagner „von dem wertschätz­enden Umgang, der in der heutigen Gesellscha­ft nicht selbstvers­tändlich ist“.

Vesperkirc­he Memmingen: Bis zum 16. Februar wird in der Christuski­rche Memmingen, Schweitzer­straße 19, täglich von 11.30 bis 13.30 Uhr Essen ausgegeben. Ein Mittagesse­n kostet zwei Euro inklusive Getränk und Vesperpake­t. Die Bezahlung basiert auf freiwillig­er Basis.

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Maria und Roland Maier lassen es sich in der Vesperkirc­he schmecken.

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