Mangelerscheinung
Warum 2019 Hunderte Kontrollen von Lebensmittelbetrieben im Allgäu ausfielen
- Wer im Supermarkt einkauft oder ein Menü im Restaurant bestellt, verlässt sich darauf, dass die Produkte eine gute Qualität haben und in einem sauberen Umfeld verarbeitet wurden. Denn hierzulande wird alles bestens überwacht – oder? Etwa jede dritte Kontrolle von Lebensmittelbetrieben ist 2018 in Deutschland ausgefallen. Diese Zahl hat die Verbraucherorganisation „Foodwatch“kürzlich veröffentlicht. Auch im Allgäu haben vergangenes Jahr Hunderte vorgesehene Kontrollen nicht stattgefunden.
„Mit der aktuellen Personalstärke können wir die vorgesehenen Frequenzen nicht einhalten“, sagt Thomas Simon. Er leitet die Lebensmittelüberwachung im Landratsamt Unterallgäu. 2019 sollten die Mitarbeiter dort 2550 Betriebe überwachen, 366 vorgesehene Kontrollen fanden nicht statt. Sechs Kontrolleure wären für den Kreis notwendig – derzeit sind es nur fünf. Noch gravierender ist die Lage im Ostallgäu: Dort bräuchte man laut Thomas Brandl vom Landratsamt acht Stellen, derzeit gebe es aber nur sechs – und gerade einmal 3,25 Stellen seien tatsächlich besetzt. Auch der Kreis Lindau möchte mehr Personal. 2019 fanden dort 119 Kontrollen gar nicht oder nicht fristgerecht statt.
Wie viele Beamte zugeteilt werden, richtet sich nach einem Personalschlüssel des Innenministeriums und der Regierung von Schwaben, sagt Pressesprecherin Sibylle Ehreiser vom Lindauer Landratsamt. Bereits im August 2019 hatten sich die Allgäuer Landräte mit einem Brief an Umweltminister Thorsten Glauber gewandt und mehr Personal gefordert. Für mehr Mitarbeiter kämpft auch Thomas Simon im Unterallgäu. Die Regierung von Schwaben hat einen Auszubildenden ab dem Frühjahr zugesagt. Die Ausbildung dauert zwei Jahre, die Lebensmittelkontrolle bleibt also bis 2022 unterbesetzt. Dabei stoßen die Kontrolleure in manchen Fällen auf Zustände, die Simon als „erschreckend“bezeichnet.
Zwei Betriebe ließ die Unterallgäuer Lebensmittelüberwachung 2019 vorübergehend schließen. Grund seien jeweils unzumutbare hygienische Bedingungen gewesen. In Kempten, wo insgesamt etwa 1110 Betriebe überwacht werden, traf es fünf Betriebe. Die Stadt hat derzeit drei Kontrolleure, vergangenes Jahr seien keine Überprüfungen ausgefallen, sagt Sprecher Andreas Weber. Auch in Kaufbeuren wurde das Pensum erfüllt.
Die zunehmende Bürokratie mache vielen Betrieben zu schaffen, sagt Simon: „Die kommen irgendwann nicht mehr hinterher.“Mit immer mehr Bürokratie müssen sich aber auch die Kontrolleure auseinandersetzen: Früher hätten er und seine Kollegen 90 Prozent der Arbeitszeit im Außendienst verbracht, zehn mit administrativen Aufgaben, sagt Simon.
Inzwischen liege das Verhältnis bei 50:50. Grundsätzlich gelte: Je mehr seine Mitarbeiter draußen seien, desto besser. Einen Vorstoß des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), nach dem weniger, dafür aber gezieltere Lebensmittelkontrollen stattfinden sollen, hält Simon deshalb für den falschen Ansatz. „Kontrollen haben die größte Wirkung, das ist Fakt.“
Mit personeller Entlastung ist es laut Simon nicht getan, wenn die Zahl der Mängel verringert werden soll. Er fordert eine Qualifikationspflicht für die Betreiber von Lokalen. „Momentan kann jeder eine Gaststätte betreiben, egal ob er Vorkenntnisse hat oder nicht.“