Lindauer Zeitung

Erfurter Schande, Berliner Problem

- Von Klaus Wieschemey­er k.wieschemey­er@schwaebisc­he.de

Thomas Kemmerich hat viel geschafft. Der Mann mit dem Spitznamen „Cowboy“hat eine Friseurket­te geleitet, Thüringens FDP im Oktober mit hauchdünne­m Abstand zur Fünf-Prozent-Hürde zurück in den Landtag gehievt und es zum ersten FDP-Ministerpr­äsidenten seit Reinhold Maier in den frühen 1950ern gebracht.

Zudem hat er der FDP, der CDU und der parlamenta­rischen Demokratie in Deutschlan­d einen rabenschwa­rzen Tag beschert. Der AfD hat er einen Riesengefa­llen getan.

Dass sich Kemmerich mit den Stimmen der völkischen Höcke-AfD wählen ließ, ist sowohl Tabubruch als auch Riesendumm­heit. Denn die Finte der Rechtsradi­kalen, den eigenen Strohmann-Kandidaten hängen zu lassen, war ebenso parlaments­verachtend wie durchsicht­ig.

Nun bringt der Erfurter Fünf-Prozent-Ministerpr­äsident von Höckes Gnaden und ohne Regierungs­mehrheit Christian Lindners FDP in Erklärungs­not. Wie war das noch mit dem „Lieber nicht als schlecht regieren“und der Distanz zur AfD?

Dass die CDU in Thüringen beim schändlich­en Tabubruch willig mitgemacht hat, bringt auch die Bundespart­eichefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r in Bedrängnis. Will sie ihre Glaubwürdi­gkeit in Sachen AfD sowie die Große Koalition retten, muss sie eine Brandmauer zu den Thüringer AfD-Verstehern in den eigenen Reihen hochziehen. Lässt sie es, muss die SPD die Koalition aufkündige­n. Tut sie es, riskiert sie Spaltungen in ostdeutsch­en Landesverb­änden. So oder so steht sie hinter CSUChef Markus Söder zurück, der sofort klare Kante gegen die AfD gezeigt hat.

Für Thüringen bleibt wohl nur ein Weg zurück in die Regierbark­eit: schnelle Neuwahlen. Die dürften nach dem jetzigen Hickhack zu Politikver­drossenhei­t und einem erneuten Triumph der AfD führen. Für die CDU wird es schwierig. Und der FDP droht eine derbe Klatsche.

Insofern könnte der Cowboy Kemmerich bald noch etwas erreicht haben: Die Landes-FDP vom Landtag in die politische Bedeutungs­losigkeit gestürzt zu haben.

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