Plötzlich Chef
Als charismatischen Politiker, ein Stück weit aber auch als Dickschädel, beschreiben Weggefährten Thomas Kemmerich. Der gebürtige Aachener, der in zwei Wochen seinen 55. Geburtstag feiert, gilt als sehr geradlinig. Ein zupackender liberal-konservativer Mittelständler, der eigentlich mit der AfD nichts am Hut hat, auch wenn er mit deren Stimmen zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt wurde.
Parallel zum Jurastudium absolvierte Kemmerich eine kaufmännische Lehre im Großund Einzelhandel. Nach der Wende machte er sich in Erfurt als Unternehmensberater selbstständig. 1991 übernahm er Teile des Kombinats „Friseur & Kosmetik“und der Produktionsgenossenschaft des Friseurhandwerks. Heute hat sein Unternehmen „Masson Friseure“Salons in acht ostdeutschen Städten von Erfurt bis Berlin. Kemmerich ist verheiratet und Vater von sechs Kindern.
Schon bald stieg der Mann mit dem markanten Glatzkopf, der sich im Karneval regelmäßig die Narrenkappe aufsetzt, für die Liberalen in die Kommunalpolitik ein. 2009 führte er die FDP in den Stadtrat von Erfurt zurück. Drei Jahre danach kandidierte er erfolglos bei der Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt von Thüringen.
Bei der Wahl 2009 zog Kemmerich für die FDP in den Landtag ein und wurde wirtschaftspolitischer Sprecher. Fünf Jahre danach scheiterten die Liberalen an der Fünfprozenthürde. 2017 gelang ihm als Spitzenkandidat der Thüringer FDP der Einzug in den Bundestag. Auch dort profilierte er sich als Wirtschaftspolitiker. Nachdem er bereits vier Jahre zuvor den FDP-Landesvorsitz übernommen hatte, trat er bei der Landtagswahl 2019 als Spitzenkandidat an. Hier habe er einen klaren Wahlkampf gegen die AfD geführt, betonen Liberale.
Die Rückkehr in den Landtag schaffte die FDP nur sehr knapp mit 73 Stimmen über der Fünfprozenthürde. Als Kemmerich am Mittwoch zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, rang er sichtlich um Fassung. Doch nach einer Schrecksekunde zögerte er nicht, die Wahl anzunehmen. Dieter Keller