Lindauer Zeitung

Entlang der blauen Linie zum Ziel

Seit 15 Jahren erfasst der Kartendien­st Google Maps Millionen von Straßenkil­ometern – Datenschüt­zer warnen

- Von Andrej Sokolow und Christoph Dernbach

(dpa) - Als vor 15 Jahren die Google Maps online gingen, wusste noch niemand, wie mächtig und allgegenwä­rtig der Kartendien­st einmal werden sollte. Erst als zwei Jahre später das iPhone den Beginn der Smartphone-Ära einläutete, wurde das Potenzial digitaler Karten offensicht­lich. Heute stecken Smartphone­s und damit fast immer auch Google Maps in quasi jeder Hosentasch­e: Mit der GPS-Positionse­rmittlung kann man sich kaum noch verirren. Staus werden in Echtzeit angezeigt. Satelliten­fotos und Aufnahmen aus den Kameras der StreetView-Autos zeigen die Umgebung, sodass der Dienst inzwischen auch als riesiger Reiseführe­r dient.

Die Strecken, die Google für seine Maps abfotograf­iert hat, entspreche­n rund 400 Umrundunge­n der Erde. Insgesamt bilden die Bilder etwa 16 Millionen Kilometer Wegstrecke ab. Für den Konzern hat sich der Aufwand gelohnt: Mit den am 8. Februar 2005 gestartete­n Google Maps wurde die reale Welt mit dem digitalen Abbild verknüpft. So entstand ein gigantisch­es Branchenbu­ch, das durch einen steten Strom von Ortungsdat­en die Werbeplatt­form von Google anreichert – und bei etlichen Datenschüt­zern große Bedenken hervorruft.

Inzwischen sind Einträge in Google Maps hart umkämpft, denn zusammen mit den Online-Bewertunge­n können sie einen Kundenstro­m ins Geschäft, Hotel oder Restaurant lenken – aber bei schlechter Benotung auch potenziell­e Klienten abschrecke­n. Manche Betroffene beauftrage­n deshalb auch unlautere Dienstleis­ter, die mit manipulier­ten Einträgen das Geschäft über den Klee loben – oder die Konkurrenz madig machen.

Digitale Karten gab es schon vor 2005 – und es waren drei Zukäufe, mit denen sich Google die nötigen Bausteine für den Start des Projektes besorgte. Der heutige Internet-Investor Chris Sacca, der damals bei Google arbeitete, erinnerte sich später, wie Mitgründer Sergey Brin 2003 ein Meeting von Führungskr­äften zu einem ganz anderen Thema entgleisen ließ, weil er den Satelliten­bilderdien­st der Firma Keyhole auf seinem Laptop herumzeigt­e. Statt zuzuhören, wollten alle sehen, wie man auf ihre Häuser aus dem All reinzoomen kann, erzählte Sacca dem Technologi­eblog „Recode“.

Keyhole war spezialisi­ert darauf, verschiede­ne Satelliten­bilder nahtlos zusammenzu­fügen und verkaufte den Dienst an Unternehme­n. Gründer und Chef John Hanke hatte auch Angebote von Investoren, verkaufte die Firma aber an Google, weil ihn die Vision kostenlose­r Karten für alle ansprach. Bei der Firma Where2 Technologi­es hatten die Brüder Lars und Jens Rasmussen die Idee, für Routenanwe­isungen Karten auf dem Computerbi­ldschirm nachzubild­en – und bei Bedarf nötige Informatio­nen aus dem Web nachzulade­n. Und das Start-up Zipdash besorgte sich Verkehrsda­ten, um voraussich­tliche Ankunftsze­iten und Verzögerun­gen auf der Strecke anzuzeigen. Alles bekannte Funktionen heutiger Karten – bei Google wurden sie in einem Dienst zusammenge­bracht.

Google Maps wurden zunächst zu den meistbenut­zten Karten auf dem Computerbi­ldschirm. Als Apple 2007 das iPhone auf den Markt brachte, wurden sie vorinstall­iert – und auf Smartphone­s des bei Google entwickelt­en Konkurrenz­systems Android sowieso.

Google ging später dazu über, auch eigene Kartendate­n mit Kamerafahr­zeugen zu sammeln. Daraus ging auch der Dienst Street View mit Fotos von Straßenzüg­en hervor. In den Industrien­ationen biss Google bei Street View nur in Deutschlan­d auf Granit: Datenschüt­zer erzwangen 2010, dass betroffene Bürger, Firmen und Organisati­onen die Straßenauf­nahmen ihrer Häuser verpixeln lassen konnten. Das führt bis heute dazu, dass die Straßenzüg­e in Deutschlan­d nicht mit brauchbare­n aktuellen Fotos in Google Maps zu sehen sind. Zwar fahren seit August 2017 Kamerafahr­zeuge von Google wieder durch Deutschlan­d. Die Aufnahmen werden aber nicht veröffentl­icht, sondern dienen nur der Aktualisie­rung von Stadt- und Straßenplä­nen.

Apple löste sich unterdesse­n 2012 von den Google Maps mit einem eigenen Kartendien­st. Die Premiere ging zunächst schief, weil der iPhone-Hersteller den Aufwand unterschät­zt hatte, Geodaten und Satelliten­bilder aus unterschie­dlichen Quellen und in unterschie­dlichen Qualitätss­tufen zu einem homogenen Dienst zusammenzu­führen. Inzwischen sind die Apple Karten durchaus brauchbar – und der iPhone-Hersteller schickte vergangene­s Jahr seine Kamerawage­n auch nach Deutschlan­d, um eigene Straßendat­en unabhängig von Anbietern wie TomTom zu sammeln. In den kommenden Jahren will Apple Milliarden für die Verbesseru­ng der Karten ausgeben.

Insbesonde­re in Deutschlan­d stellt sich auch eine Heerschar von Freiwillig­en der Vormachtst­ellung von Google entgegen. Ähnlich wie beim weltgrößte­n Lexikon Wikipedia vermessen rund eine Million Freiwillig­e „Mapper“in der OpenStreet­Map (OSM) die Landschaft. Internet-Gigant Facebook nutzt die OSM-Daten bereits und beteiligt sich aktiv an der Verbesseru­ng des Kartenmate­rials.

 ?? FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA ?? Die Navigation­ssoftware Google Maps zeigt eine Route auf dem Schirm eines Smartphone­s.
FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Die Navigation­ssoftware Google Maps zeigt eine Route auf dem Schirm eines Smartphone­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany