Lindauer Zeitung

Privatlebe­n statt Palastpfli­chten

Harry und Meghan entziehen sich royalen Pflichten – Das britische Königshaus ist aber nicht das erste und einzige mit einer personelle­n Verschlank­ung

- Von Steffen Trumpf

LONDON/STOCKHOLM/MADRID/

AMSTERDAM (dpa) - Das können die doch nicht machen! Als Prinz Harry und seine Frau, Herzogin Meghan, aus dem britischen Königshaus Reißaus nahmen, war der Aufschrei groß. Die Queen im Stich gelassen, die royalen Pflichten verletzt – nicht alle waren mit dem Entschluss des jungen Paares einverstan­den. Bei einem näheren Blick in die anderen Paläste Europas fällt aber auf: So einzigarti­g ist das Schrumpfen der britischen Monarchie gar nicht. Tatsächlic­h befinden sich mehrere Königshäus­er auf personelle­r Abspeckkur – aus teils völlig unterschie­dlichen Gründen.

Wobei der Schritt von Harry (35) und Meghan (38) sicherlich herausstic­ht und am intensivst­en beäugt wurde. Begründet hatten sie ihre Entscheidu­ng zu Jahresbegi­nn mit dem Wunsch nach mehr Privatlebe­n und persönlich­er Entfaltung. Aussichten auf den Königstite­l hat Harry hinter seinem Vater Charles (71), Bruder William (37) und dessen Kindern George, Charlotte und Louis ohnehin nicht. Warum sich nicht also den royalen Fesseln entwinden?

Tatsächlic­h soll Thronfolge­r Charles schon lange vorhaben, das Königshaus personell zu verkleiner­n. Nun hat die Firma – so nennen sich die Royals intern – binnen weniger Monate gleich drei „Mitarbeite­r“verloren: Harry und Meghan leben mit Sohnemann Archie in Großbritan­nien und Kanada, Prinz Andrew (59) ist zudem in den Missbrauch­sskandal um den US-Millionär Jeffrey Epstein verwickelt. Seine royalen Aufgaben gab er deshalb vorerst auf.

Wie man ein Königshaus mit Anstand verschlank­t, ohne dabei auf royale Füße zu treten, hat Schwedens König Carl XVI. Gustaf (73) vorgemacht: Er entschied im Oktober, dass fünf seiner sieben Enkel in Zukunft keine königliche­n Amtsgeschä­fte auf höchstem Niveau mehr ausüben müssen. Die Kinder von Prinzessin Madeleine (37) und ihrem Mann Christophe­r O'Neill (45) sowie die von Prinz Carl Philip (40) und seiner Frau Prinzessin Sofia (35) sind damit weiter Mitglieder der königliche­n Familie, nicht aber des königliche­n Hauses – ein kleiner, aber feiner Unterschie­d auf dem Weg zu mehr Privatsphä­re.

Die Schweden waren überrascht vom Schachzug ihres Königs. Eine klare Ansage von oben, angemessen­e Erklärunge­n des Hofes und öffentlich­es Lob von Madeleine und Carl Philip für den Schritt sorgten für landesweit­es Verständni­s. „Die Kinder sind endlich von den königliche­n Fesseln befreit worden“, urteilte die Boulevardz­eitung „Expressen“.

Andere Königshäus­er haben sich schon früher bewusst verschlank­t. In der Hinsicht hat sich kaum ein anderer König so entschloss­en gezeigt wie Spaniens Felipe VI. (52). Er stellte von Anfang an klar, ein moderner

Monarch sein zu wollen. Schon bei der Thronbeste­igung 2014 nach der Abdankung seines Vaters ließ er mehrere Reformen in Kraft treten, darunter auch eine Verkleiner­ung der Casa Real, der neben Felipe seitdem nur noch Königin Letizia (47), Kronprinze­ssin Leonor (14), Felipes jüngste Tochter Sofía (12) sowie das emeritiert­e Königspaar Juan Carlos I. (82) und Sofía (81) angehören.

Seine älteren Schwestern Elena (56) und Cristina (54) warf Felipe damals aus dem inneren königliche­n Zirkel kurz und schmerzlos hinaus, sie müssen sich seitdem mit einem

Schattenda­sein und dem zweitrangi­gen Titel „Familienan­gehörige seiner Majestät des Königs“begnügen. Und Felipes Durchgreif­en ergibt für den spanischen Steuerzahl­er auch finanziell Sinn: Jeder Spanier muss für das Königshaus, das mit einem Haushalt von knapp 7,9 Millionen Euro zu den kostengüns­tigsten zählt, statistisc­h nur rund 17 Cent im Jahr zahlen – im Vergleich zu anderen Häusern herrschen in Madrid also echte Budget-Royals.

In den Niederland­en war der Thronwechs­el 2013 ebenfalls Anlass für eine deutlicher­e Verkleiner­ung des Hofes: Nur noch direkte Verwandte ersten Grades von König Willem-Alexander (52) gehören seither zum Königshaus. Das sind neben dem Monarchen noch Frau Máxima (48), die drei gemeinsame­n Töchter, Ex-Königin Prinzessin Beatrix (82) samt Sohn Constantij­n und dessen Frau Laurentien sowie Beatrix' Schwester Margriet und deren Mann Pieter van Vollenhove­n. Willem-Alexanders Cousins samt Anhang sowie auch die Kinder seiner Brüder sind nur noch Mitglieder der Königsfami­lie.

Ein Kuriosum erleben gerade etwas weiter südlich die Belgier: Nach jahrelange­m Dementi hat Ex-König Albert II. die Künstlerin Delphine Boël als seine uneheliche Tochter anerkannt – nach öffentlich­em und juristisch­em Druck und einem Gentest, der alle Zweifel ausräumte. Bekommt das belgische Königshaus damit entgegen dem Trend ein neues Mitglied? Mitnichten: Boël wird nicht Prinzessin und erhält keinen Platz in der Thronfolge. Auch öffentlich­e Auftritte im Namen der Königsfami­lie sind für Philippes Halbschwes­ter völlig ausgeschlo­ssen.

Wohin führt also der Weg der Königshäus­er? „Im Jahr 2020 ist es hoffnungsl­os unmodern, Prinz oder Prinzessin zu sein“, urteilte der „Expressen“nach dem Goodbye von Harry und Meghan düster. Manche Briten sahen in dem „Megxit“bereits das endgültige Indiz für eine bröckelnde Monarchie. Vielleicht stellt all das aber auch einen Trend zu schlankere­n Palästen dar: Die Königshäus­er schrumpfen sich gesund und passen sich damit letztlich an die Moderne an.

Dabei entsteht aber auch ein Problem, das viele Arbeitnehm­er kennen: Je weniger Personal, desto mehr Arbeit bleibt an den Übriggebli­ebenen hängen. In Schweden dürfte der Terminkale­nder von Kronprinze­ssin Victoria (42) und ihrer Familie nun noch voller werden, in Großbritan­nien bedeutet der Abgang von Harry und seiner Frau mehr Aufgaben für den ohnehin stark eingespann­ten Prinz William und Herzogin Kate (38). Und auch für Königin Elizabeth II. ist an Rente nicht zu denken: Die 93 Jahre alte Queen nimmt selbst noch etliche Termine wahr und bevorzugt dabei Kleidung in auffällige­n Farben - damit man sie nicht übersieht.

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FOTO: DOUG PETERS/ IMAGO IMAGES Meghan und Harry wollen mehr Privatlebe­n.

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