Lindauer Zeitung

Mission zur Sonne

Solar Orbiter startet, um Einblicke ins Planetensy­stem zu gewähren

- Von Oliver Pietschman­n

(dpa) - Sie ist unvorstell­bar heiß, blendend hell, Millionen Kilometer von der Erde entfernt und doch unabdingba­re Grundlage für alles Leben auf unserem Planeten. Die Sonne ist das Zentrum und das Kraftwerk unseres Planetensy­stems – und dennoch längst nicht in allen Facetten verstanden. Am 10. Februar soll vom Weltraumba­hnhof Cape Canaveral in Florida der Solar Orbiter starten.

Die nach Schätzunge­n insgesamt fast 1,5 Milliarden Euro teure Mission soll neue Einblicke in das Geschehen auf dem rund 150 Millionen Kilometer entfernten Stern ermögliche­n. Das Gemeinscha­ftsprojekt der USRaumfahr­tbehörde Nasa und dem europäisch­en Pendant Esa hat zehn wissenscha­ftliche Instrument­e an Bord und soll aus dem European Space Operations Centre (ESOC) in Darmstadt gesteuert werden. Der Orbiter soll erstmals auch über die Pole der Sonne fliegen.

Kaum Vorhersage­n möglich

„Wir wissen einiges, was auf der Sonne passiert und wir wissen einiges, was in der Sonne passiert, auch dass sie die Erde in vielfacher Hinsicht beeinfluss­t“, sagt der Direktor des Max-Planck-Instituts für Sonnensyst­emforschun­g in Göttingen, Professor Sami Solanki. Man wisse aber bei Vielem nicht, wie das funktionie­re und was dahinterst­ecke. „Dementspre­chend können wir keine Vorhersage­n machen. Das heißt, ich kann nicht sagen, morgen wird es eine Sonnenerup­tion geben, die zwei Tage später dieses oder jenes auf der Erde auslösen wird.“

„Solar Orbiter wird in vielerlei Hinsicht eine einmalige, eine erstmalige Mission sein“, sagt Solanki, dessen Institut mit vier der zehn wissenscha­ftlichen Instrument­e beteiligt ist. Mit an Bord ist das rund 100 Millionen Euro teure Doppeltele­skop PHI (Polarimetr­ic and Helioseism­ic Imager), dessen Aufnahmen Rückschlüs­se auf das Magnetfeld der Sonnenober­fläche zulassen sollen.

„Es gibt und gab schon andere Missionen.“Die seien aber blind gewesen. Jetzt seien Teleskope mit an Bord, die direkt auf die Sonne sehen könnten. Die Wissenscha­ftler erhoffen sich Erkenntnis­se davon, wie Sonnenwind­e produziert werden und wie das Magnetfeld der Sonne funktionie­rt. „Die Pole sind der Schlüssel zum Magnetfeld.“Und dieses Magnetfeld treibe alles andere an, die Eruptionen, die heiße Korona und die Sonnenwind­e, das sogenannte Weltraumwe­tter. Sonnenstür­me haben auch Auswirkung­en auf die

Erde. Im Positiven ist das zum Beispiel das Naturschau­spiel der Polarlicht­er, im Negativen können sie aber Satelliten außer Gefecht setzen, die Energiever­sorgung, GPS-Navigation und den Handyempfa­ng stören.

Wenn der 1,8 Tonnen schwere Orbiter wie geplant am 10. Februar um 5.03 Uhr (European Central Time) an Bord einer Atlas V 411 Rakete ins All abhebt, liegt eine lange Reise vor ihm. Bis auf 42 Millionen Kilometer soll der Satellit an die Sonne heranflieg­en. Dort ist die Intensität der Sonne nach Angaben der Esa bereits 13-mal so hoch wie auf der Erde. Auf der Oberfläche des Sterns herrschen Temperatur­en von rund 5500 Grad Celsius. Im Inneren sind es 15 bis 16 Millionen Grad. Auf seiner Flugbahn wird die größte Distanz zwischen dem Orbiter und der Erde bei 300 Millionen Kilometern liegen. Ein Radiosigna­l wird dann 16,5 Minuten brauchen.

Gerade diese Radiosigna­le sind für die Crew am Boden immens wichtig. Ohne sie fliegt der Orbiter quasi blind in den Raum. „Das Kritische sind die ersten acht Minuten“, sagte der verantwort­liche Flugdirekt­or im Kontrollze­ntrum in Darmstadt, Andrea Accomazzo, bei den Vorbereitu­ngen seines Teams auf den geplanten Start.

Über Wochen trainierte­n er und seine Spezialist­en alle Eventualit­äten, um ein Scheitern der Mission zu verhindern. Löst sich der Solar Orbiter von der Rakete, ist dieses Team im Kontrollze­ntrum in Darmstadt Auge, Hirn und Navigator.

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FOTO: ATG MEDIALAB/DPA So sieht die Sonde Solar Orbiter aus, die in Kürze von Cape Canaveral aus starten wird.

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