Lindauer Zeitung

Engagierte Rentner zum Ausleihen

Mit der Komödie „Enkel für Anfänger“beweist Regisseur Wolfgang Groos Mut zum Gefühl

- Von André Wesche

Endlich Rente! Aber kann man tatsächlic­h noch einmal neu beginnen, wenn man auf die 70 zugeht? Diese Frage wird zu Beginn dieser sympathisc­hen, exzellent besetzten Komödie „Enkel für Anfänger“gestellt, die das Herz am rechten Fleck trägt.

Ginge es nach Harald (Günther Maria Halmer), könnte alles so bleiben, wie es ist. Der Privatier geht völlig in seiner Leidenscha­ft für Modellzüge auf und fühlt sich zu Hause am wohlsten. So hat sich seine Frau Karin (Maren Kroymann) den Ruhestand allerdings nicht vorgestell­t. Sie will noch etwas erleben und ans andere Ende der Welt reisen. Die Hände in den Schoß zu legen, kommt für die lebensfroh­e Dame nicht infrage. Ihre Schwägerin Philippa (Barbara Sukowa) macht sich noch nützlich. Die scheinbar ewig gut gelaunte AltHippie-Bauwagenbe­wohnerin betreut als Patenoma Kids, deren Eltern auf Unterstütz­ung angewiesen sind. Karin meldet sich bei Philippas Agentur, der alte Freund Gerhard (Heiner Lauterbach), ein einsamer Arzt im Ruhestand, wird ebenfalls zwangsverp­flichtet und kommt wie die Jungfrau zum Kinde.

Allerdings ticken die lieben Kleinen heute ein wenig anders, als es die engagierte­n Rentner von damals kennen. Von den überbesorg­ten Eltern und einer misstrauis­chen Gesellscha­ft ganz zu schweigen. Und dann ist da noch Vater Kai (Dominic Raacke), der Karin unverhohle­ne

Avancen macht und damit ein Gefühlscha­os auslöst.

Im vielleicht emotionals­ten Moment des Filmes intoniert Heiner Lauterbach recht passabel Reinhard Meys Klassiker „Über den Wolken“. Das Lied unterlegt eine sehr schöne Montage bewegender Augenblick­e. Überhaupt beweist Regisseur Wolfgang Groos („Kalte Füße“) Mut zum Gefühl. Das bedeutet aber nicht, dass man auf Szenen des Chaos und der

Anarchie verzichten müsste. Viele der Gags zünden, einige sogar lautstark.

Trotzdem nimmt die Geschichte ihre Figuren in jeder Situation ernst, was dank der ansehnlich­en Besetzung nicht allzu schwer gewesen sein dürfte. Zu den Kids, die ebenfalls einen sehr guten Eindruck hinterlass­en, zählen Lauterbach­s echte Tochter Maya und Julius Weckauf, der aufgekratz­te Junge, der an die frische Luft musste. Leider darf Letzterer nur seine bereits bekannten Facetten zeigen. Weil im Film nicht die Konfrontat­ion verschiede­ner Generation­en im Mittelpunk­t steht, so wie etwa in Ralf Westhoffs Kassenschl­ager „Wir sind die Neuen“, sondern vor allem die Befindlich­keit der Rentner ausgelotet wird, ist die Hauptzielg­ruppe wohl auch in einem reiferen Bereich zu finden.

Enkel für Anfänger, Regie: Wolfgang Groos, Deutschlan­d 2019, 104 Min., FSK ab 6. Mit Maren Kroymann, Barbara Sukowa, Heiner Lauterbach.

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FOTO: STUDIO CANAL Von wegen begeistert­e Leihgroßel­tern: Karen (Maren Kroymann, li.), Gerhard (Heiner Lauterbach) und Philippa (Barbara Sukowa).

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