Flughafen: Verdi schließt weiteren Streik nicht aus
Gewerkschaft fordert höhere Löhne – Geschäftsleitung will bis zur dritten Tarifrunde ein neues Angebot vorlegen
- Die Gewerkschaft Verdi übt weiter Druck auf die Geschäftsleitung des Bodensee-Airports in Friedrichshafen aus. „Ich kann nicht ausschließen, dass wir die Beschäftigten zum zweiten Mal zum Streik aufrufen“, sagt Verdi-Verhandlungsführer Andreas Schackert. Vor gut zwei Wochen mussten aufgrund eines dreistündigen Warnstreiks zwei Flugzeuge umgeleitet und ein Flug nach Frankfurt gestrichen werden.
Die Geschäftsleitung zeigt sich nach dem ersten Streik in der Geschichte des Flughafens irritiert. „Solche Aktionen sind nicht angemessen“, sagt Geschäftsführer Claus-Dieter Wehr über das Vorgehen von Verdi. Er kritisiert nicht nur den dreistündigen Warnstreik an sich, sondern insbesondere die Rhetorik der Gewerkschaft. Dennoch betont Wehr, dass die Geschäftsleitung weiterhin auf die laufenden Tarifverhandlungen setzt.
„Wir wurden vollkommen überrascht. Eigentlich befinden wir uns mitten im Verhandlungsprozess“, sagt er. „Die zweite Tarifrunde am 17. Januar haben wir eindeutig im gegenseitigen Einvernehmen beendet und einen dritten Termin für den 13. Februar vereinbart.“Dabei sei seitens Verdi weder von einer festgefahrenen Situation noch vom Abbruch der Verhandlungen die Rede gewesen.
Die Gewerkschaft sandte direkt nach dem Warnstreik einen Brief an die Geschäftsleitung der Flughafen Friedrichshafen GmbH. Darin forderte sie das Unternehmen auf, bis Mittwoch, 20 Uhr, der Tarifkommission ein angemessenes Angebot zu unterbreiten.
In Wehrs Augen ist das ein Indiz dafür, dass der Flughafen wohl mit weiteren Aktionen rechnen müsse. Diese Frist fiel ausgerechnet in den Zeitraum, in dem mehr Flugzeuge als üblich in Friedrichshafen landen und starten: zur An- und Abreise für das Weltwirtschaftsforum in Davos. Unter den Fluggästen war auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in Friedrichshafen umstieg.
Innerhalb der von Verdi gesetzten Frist antwortete die Geschäftsleitung zwar, gab aber kein konkretes Angebot ab. „Wir werden es sauber abarbeiten und halten uns an die Vereinbarung, die wir mit Verdi getroffen haben“, sagt Wehr. Wie abgesprochen werde das Unternehmen im Vorfeld der dritten Tarifrunde am 13. Februar ein Angebot vorlegen. „Offenbar ist der Arbeitgeber der
Meinung, er könne uns noch länger hinhalten“, sagt Andreas Schackert. Deshalb denke die Tarifkommission darüber nach, wie sie damit umgehen soll. Derzeit würden unter anderem Gespräche mit Beschäftigten geführt, um zu ermitteln, wie sie zu einem weiteren Streik stehen. Dieser könnte möglicherweise sowohl schon vor der nächsten Verhandlungsrunde am 13. Februar stattfinden als auch danach, falls die Tarifkommission das Angebot wieder als nicht verhandlungsfähig einstufen würde, signalisiert Schackert im Gespräch mit der SZ.
„Wir sind ein Unternehmen mit 80 Mitarbeitern. Das ist anders als in einem großen Unternehmen, wo es eher anonym zugeht“, sagt Wehr. Am Flughafen kenne jeder jeden, die Türen seien immer offen: „Aktionen wie der Warnstreik führen zu einer Spaltung der Belegschaft.“Dass nach Ablauf der Frist trotzdem keine weitere Aktion folgte, führt die Geschäftsleitung des Flughafens aber nicht auf die Strategie von Verdi zurück. Vielmehr meinen Geschäftsführer Claus-Dieter Wehr und Personalchefin Susanne Schaugg herauszuhören, dass nun Diskussionen in der Belegschaft darüber geführt werden, ob solche Aktionen überhaupt sinnvoll sind. „Die Loyalität der Belegschaft gegenüber dem Flughafen und das Bewusstsein für die wirtschaftliche Situation scheint durchaus größer zu sein als Verdi wahrscheinlich vermutet“, sagt
Wehr.
Im Verlauf der Tarifverhandlungen sei das Unternehmen bereits von einigen Forderungen zurückgewichen, etwa der Erfolgsabhängigkeit, die während der zweiten Tarifrunde gestrichen worden sei. Trotzdem habe die Gewerkschaft den Punkt später noch kritisiert und im Streikaufruf erwähnt. „Alles soll aber vom Wirtschaftsergebnis abhängig sein“, heißt es darin. Und: „Mit etwas Pech gibt’s gar nichts!“Obwohl die Geschäftsführung von dieser Forderung zurückgewichen ist, verteidigt Wehr sie. „Für uns ist es überlebensnotwendig,
„Wenn wir überziehen, gefährden wir die Arbeitsplätze.“
Claus-Dieter Wehr, Geschäftsführer der Flughafen Friedrichshafen GmbH
den Flugbetrieb rentabel und wirtschaftlich zu halten“, sagt er. „Wenn er nicht rentabel wäre, würde die politische Akzeptanz sinken.“Denn der Flughafen habe zwar öffentliche Gesellschafter (Stadt Friedrichshafen und Landkreis Bodenseekreis halten jeweils knapp 40 Prozent), sei aber kein staatliches Unternehmen.
Vielmehr sei der Flughafen ein Wirtschaftsunternehmen und könne nur so viel Geld ausgeben, wie er im Betrieb einnehme. Darüber hinaus dürften öffentliche Gesellschafter nicht einfach Geld zuschießen. „Da spielt das EU-Beihilferecht rein“, sagt Wehr. Dies sei außerdem geändert worden, sodass ab 2024 gewisse Zuschüsse gar nicht mehr erlaubt sind. Der Flughafen Friedrichshafen habe in seinem über hundertjährigen Bestehen aber ohnehin keine Zuschüsse erhalten, um die Betriebskosten zu decken. „Deshalb ist es unser oberstes Ziel, das weiterhin zu vermeiden“, sagt Wehr. Zuschüsse flössen zwar an den Flughafen, seien aber beispielsweise für Investitionen und Tilgungen bestimmt. „Wenn wir überziehen, gefährden wir die Arbeitsplätze“, sagt Wehr.
Dieses Argument will Verdi-Verhandlungsführer Andreas Schackert aber nicht gelten lassen. „In den vergangenen 16 Jahren gab es am Flughafen vier Lohnerhöhungen. Da kann wirklich niemand behaupten, dass die Beschäftigten sich über Gebühr bedient hätten“, sagt er. Im Gegenteil: In der Vergangenheit sei seitens der Arbeitnehmer stets Zurückhaltung geübt worden. Die Lohnentwicklung liege hinter der durchschnittlichen Lohnentwicklung, hinter der Mietentwicklung und hinter der Inflation zurück. „Wenn ich ein wirtschaftliches Unternehmen habe, muss ich schauen, dass ich es so führe, dass ich die Beschäftigten ordentlich bezahlen kann“, sagt Schackert. Und: „Wenn die Kommunen einen Flughafen wollen, müssen sie schauen, wie sie das machen – und das nicht nur auf dem Rücken der Beschäftigten.“
Der Flughafen befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Das liegt an verschiedenen Faktoren. Zum einen spielen Insolvenzen von Fluggesellschaften, die Friedrichshafen anfliegen, eine Rolle. Aber auch die Probleme bei Boeing und das Flugverbot für die Maschinen des Typs 737 Max wirken sich aus. Denn die Gesellschaften, die diese Flugzeuge besitzen, dürfen sie nicht nutzen – und fliegen weniger. Dementsprechend sinkt der Umsatz des Flughafens.