Rassismus-Eklat überschattet Pokalkrimi
Nach Beleidigung von Herthas Jordan Torunarigha steht auch der Schiedsrichter im Fokus
(SID/dpa/sz) - Affenlaute in Italien, Hitlergrüße bei Englands Länderspiel, „Judensau“Rufe in der 3. Liga – rassistische Ausfälle häufen sich im Fußball.
Seit dem Pokal-Achtelfinale auf Schalke ist klar: Das üble Thema Rassismus betrifft nicht nur die anderen, sondern auch die Bundesliga. Denn nach dem hochspannenden Pokalkrimi mit Überlänge, dem 3:2 (2:2) nach Verlängerung des FC Schalke 04 gegen Hertha BSC wollte niemand mehr über Fußball reden. Die Affenlaute und rassistischen Beleidigungen, die Hertha-Verteidiger Jordan Torunarigha aus der Schalker Kurve gehört hatte und die ihm die Tränen in die Augen getrieben hatten, lösten Entsetzen aus. „Mir fehlt jegliches Verständnis für Vollidioten dieser Art“, sagte Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider und erntete Zustimmung von allen Seiten. „Wir werden alles dafür tun, dass wir diejenigen, die dafür verantwortlich sind, ausfindig machen und mit Konsequenzen belegen. Wir werden mit Sanktionen reagieren und die Vorfälle auch entsprechend zur Anzeige bringen“, ergänzte er.
Wieso griff Osmers nicht ein?
Der Berliner Nationalspieler Niklas Stark forderte ein Signal des deutschen Fußballs: „So was geht gar nicht. Da müssen wir als Mannschaft, als Verein, eigentlich die ganze Bundesliga, hinter ihm stehen.“Nach Jahren, in denen vor allem andere Ligen in Europa und untere Klassen mit derartigen Auswüchsen zu kämpfen hatten, rückt der Rassismus auch im deutschen Oberhaus wieder in den Fokus. Ausgerechnet bei den Königsblauen, die sich den Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung mit ihrer Kampagne „#stehtauf“in dieser Woche besonders auf die Fahnen geschrieben haben – bei denen aber auch im vergangenem Jahr Aufsichtsratschef Clemens Tönnies drei Monate seine Ämter ruhen ließ, nachdem er zumindest pauschalierende und veruteilenswerte Aussagen über das Fortpflanzungsverhalten von Afrikanern getätigt hatte.
Ein solches Verhalten verstoße nicht nur gegen Stadionordnung,
Leitbild und Satzung des Clubs, sondern widerspreche auch „all unseren Werten“, teilte Schalke mit. Trainer David Wagner war ebenfalls entsetzt: „Das geht nicht, das brauchen wir nicht, das wollen wir nicht“, sagte er. „Wenn so was aufkommt, ist da in der Regel auch was dran. So etwas gehört sich nicht.“Herthas Trainer Jürgen Klinsmann sah seinen Spieler nicht ausreichend geschützt durch das Schiedsrichtergespann um Harm Osmers. „Da braucht man dann Fingerspitzengefühl, muss den Jungen schützen, ihn beruhigen und ihm nicht später noch die zweite Gelbe Karte geben.“Torunarigha, dessen aus Nigeria stammender Vater einst von Rechtsradikalen mit Messern angegriffen wurde, habe „auf dem Platz geweint und wollte aufhören“, berichtete Schalkes Siegtorschütze Benito Raman: „Ich habe ihm gesagt: Du darfst sie nicht gewinnen lassen, du musst weiterspielen.“
Etwas unklar blieb, warum Osmers nicht eingriff und – wie in solchen Fällen empfohlen – eine Durchsage über das Stadionmikrofon veranlasste. Immerhin sei er von ihnen auf die Affenlaute aus dem Zuschauerbereich aufmerksam gemacht worden, betonten die Berliner. „Wenn das Signal gekommen wäre, wäre ich ganz klar mitmarschiert“, sagte Stark. Und Wagner erklärte: „Wenn wir sagen, wir kicken nicht weiter, dann kicken wir nicht weiter. Damit hätte ich überhaupt kein Problem. Dafür hätte jeder Verständnis, der einigermaßen klar denken kann.“
Laut Peter Sippel, beim DFB als Leiter Training und Qualifizierung der Schiedsrichter tätig, erfuhr Osmers „erstmals nach der regulären Spielzeit und vor der Verlängerung von dem Vorfall“. Das sagte er im Gespräch mit sportschau.de. HerthaSportdirektor Michael Preetz bestätigte am Mittwoch in einer Mitteilung, dass er die Unparteiiischen über den Vorfall informiert habe, „mit der Bitte versehen, unseren Spieler zu schützen“. Da sich der
Vorfall laut Osmers schon etwa in der 70. Minute ereignet hatte, wäre bei einer Durchsage „der Kontext nicht mehr herzustellen gewesen“, sagte Sippel.
In der Verlängerung sah der ehemalige deutsche U21-Nationalspieler mit nigerianischen Wurzeln für eine Unbeherrschtheit die Gelb-Rote Karte (100.) – ein anderer großer Aufreger des Spiels: Nach einer Attacke von Omar Mascarell warf Torunarigha eine Getränkekiste wütend auf den Boden. Schalke-Trainer David Wagner, der Torunarigha wieder auf die Beine geholfen hatte, wurde von Osmers sogar vom Platz gestellt – beim Ansehen der Videobilder wollte Osmers eine Tätlichkeit des Trainers festgestellt haben. Eine exklusive Interpretation der Szene. „Ich habe null Erklärung für die Rote Karte“, sagte Wagner. „Der Schiedsrichter hat mir erklärt, dass ich den Spieler am Nacken gepackt habe. Aber ich wollte ihm nur auf die Beine helfen und ihn beruhigen.“