Am Ende doch noch turbulent
Bayern präsentiert sich beim 4:3 gegen Hoffenheim 72 Minuten lang bereit für das Gipfelspiel
- Zwei Phrasen sind in der Kommunikation modernder Fußballvereine heute unumstößlich: 1. „Wir schauen nur auf uns.“– und 2.: „Wir denken nur bis zum nächsten Spiel“. Lange schienen die Spieler des FC Bayern sich dies während des 4:3 (3:1) im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen die TSG Hoffenheim auch zu beherzigen. Sie schienen nur auf dieses Spiel, auf diesen Gegner fokussiert, schienen das anstehende Bundesliga-Gipfeltreffen gegen RB Leipzig am Sonntag ausgeblendet zu haben. Nur in den letzten 18 Minuten geriet der Sieg gegen Hoffenheim doch noch wacklig. Jedoch: Im Gegensatz zu Leipzig und Dortmund am Vortag starb der FC Bayern nicht den Favoritentod im Pokal.
Denn Hoffenheim hatte sich durchaus vorgenommen, mehr zu sein als ein Pausenfüller. Noch den ersten vorschnellen bayerischen Torjubler auf den Lippen – Robert Lewandowski hatte in der fünften Minute lässig eingeschoben, Thomas Müller jedoch im Abseits gestanden –, war es auf einmal die Elf von Trainer Alfred Schreuder, die in Führung ging. Winterzugang Jacob Bruun Larsen zog aus 25 Metern ab, Manuel Neuer parierte, Florian Grillitsch gab den Abpraller zu Ihlas Bebou (8.) und drin war das Ding. Verkehrte Welt in der Allianz Arena.
Aber nicht lange. Bayern ist unter Trainer Hansi Flick nicht nur zurück in die Spur, sondern direkt auf die Überholspur gewechselt. Der wieder einmal omnipräsente Alphonso Davies kratzte die Kugel nur vier Minuten später von der Grundlinie und brachte sie flach vors Tor, Hoffenheims Benjamin Hübner leistete Schützenhilfe – 1:1. In der 20. Minute dann die nächste Herrlichkeit. David Alaba brachte den Ball Richtung Elfmeterpunkt, wo noch so ein FlickGewinner – Thomas Müller – wartete, abzog und die Anzeigetafel auf 2:1 stellte.
Hätte Hoffenheim nicht diese glückliche Führung erzielt und zumindest gute drei Anfangsminuten gehabt, man hätte ab hier der Mannschaft auch nicht mehr als die nun eine Stunde lang auftretenden Auflösungserscheinungen zugetraut. Die kurze und doch ansehnliche zu späte
Drangphase mit guten Chancen für Stefen Zuber (71.), Benjamin Hüber (72./Tor nach Handspiel aberkannt), Christioph Baumgartner (75.) sowie die beiden Tore durch Munas Dabbur (82. und 90+2) reichten nicht. Denn Lewandowski, wer sonst, hatte was dagegen, traf in der 36. und 80. Wenn man bei den Münchnern etwas kritisieren wollte, dann war es lange die fahrlässige Chancenauswertung, auch wenn die etwas nachlässige Schlussphase ebenfalls aufzuarbeiten ist. „In der zweiten Halbzeit hatten wir zu viele einfache Ballverluste, da haben wir nachgelassen und sie ins Spiel zurückkommen lassen. Das müssen wir in den Griff kriegen. Offensiv hat es dagegen viel Spaß gemacht“, sagte Nationalspieler Serge Gnabry hinterher. „Wenn man drei Tore in München
Chancenauswertung als Manko
Trotzdem stellt sich die Frage, wie die rechtzeitig vor dem Gipfel in eine Formkrise geratenen Leipziger diesen Münchnern, wenn sie wirklich Ernst machen, ein Bein stellen wollen am Sonntag. Zu abgezockt agieren die Bayern derzeit. Zu viele Spieler scheinen ihre Topform gefunden zu haben unter dem Mentalitäts-Verbesserer Hansi Flick. Der unter Vorgänger Niko Kovac noch mit Abwanderungsgedanken spielende Thomas Müller ist neben Immer-Torschütze Lewandowski der Offernsivmotor. Dass Davies nicht nur mit sich selbst im Quartett meisterhaft die Backstreet Boys nachsingen kann, wie jüngst sein Social-Media-Video bewies, sondern auch auf dem Platz wöchentlich Überleistungen anbietet, ist nicht zuletzt Flick zu verdanken, der mit Jupp-Heynckes-hafter Verve zwischenmenschlich jeden Ton trifft und dadurch kontinuierlich spielerisch Klasse abruft.
Eher stellt sich derzeit die Frage, ob der FC Bayern, noch in der Hinrunde mit zeitweise großem Rückstand auf die Spitze, es nicht sogar schafft, im Ziel sogar mit einem richtigen Vorsprung einzutrudeln. Im Pokal zumindest blieb es, trotz des am Ende knappen und torreichen Ergebnisses, ein Rennen zweier ungleicher Gegner. „Wenn man drei Tore in München schießt und verliert, ist das sehr bitter“, sagte Hoffenheims Mittelfeldspieler Steven Zuber zwar.
Doch die Bayern müssen nach so einer Leistung auf niemand anderen als auf sich selbst schauen und dürfen nun immerhin offen über das anstehende Bundesliga-Spitzenspiel sprechen.
München: Neuer – Pavard, Jerome Boateng (83. Odriozola), Alaba, Davies – Tolisso, Kimmich – Gnabry, Müller (81. Cuisance), Coutinho – Lewandowski (81. Zirkzee). – Tore: 0:1 Boateng (8., Eigentor), 1:1 Hübner (13., Eigentor), 2:1 Müller (20.), 3:1 Lewandowski (36.), 4:1 Lewandowski (80.), 4:2 Dabbur (82.), 4:3 Dabbur (90.+2). – Zuschauer: 71 500.