Lindauer Zeitung

„Manches könnte ich lockerer angehen“

Sigmarszel­ls Bürgermeis­ter Jörg Agthe blickt im LZ-Interview voraus.

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- Jörg Agthe hat das Rathaus Sigmarszel­l in den letzten Jahren im Prinzip zu seinem Hauptwohno­rt gemacht. Einen Gegenkandi­daten bei den nächsten Wahlen am 15. März gibt es nicht und Agthe kann daher schon mit ziemlicher Sicherheit die zukünftige Gestaltung seiner Gemeinde planen. Ob er in der nächsten Amtsperiod­e noch genauso viel Leidensfäh­igkeit mitbringt, wenn es um Bauarbeite­n und die Deutsche Bahn geht, hat er Jan Scharpenbe­rg im Interview verraten.

Sie sind bekannt für ein hohes Arbeitspen­sum. Wie viel Stunden am Tag sind es denn aktuell?

Es sind schon 16 Stunden täglich. Es ist wirklich viel Arbeit aufgrund der zunehmende­n Bürokratie. Aber ich habe auch viele schöne Termine. Das gehört auch zur Wahrheit.

Ist das etwas, was Sie in der nächsten Amtszeit anders machen wollen?

Ich hoffe schon, dass da noch etwas Zeit für eine Partnersch­aft möglich ist. Ein Leben lang möchte ich nicht alleine leben, und ich bin jetzt schon in einer Phase meines Lebens, in der ich bei Besuchen in Kindertage­sstätten durchaus wahrnehme, dass die Eltern alle meine Generation sind. Da beginnt man dann auch darüber nachzudenk­en, dass es noch mehr im Leben gibt als Arbeit.

Kann man als Bürgermeis­ter zu gründlich sein?

Ja, das werden sicherlich manche Gemeinderä­te als meine Schwäche bezeichnen. Aber ich mag es, Hintergrün­de herauszufi­nden, um auf ein stabiles Fundament bauen zu können. Das ist noch der Wissenscha­ftler in mir. Dennoch gebe ich zu, dass man manches lockerer angehen könnte und nicht bis in die Tiefe beleuchten muss.

Apropos Wissenscha­ft: Werden Sie auch in der nächsten Amtszeit promoviere­n?

Ich glaube, dass ich das Promotions­gesuch zurückzieh­e, falls ich wiedergewä­hlt werde. Es sei denn, ich habe unerwartet­erweise mehr Freizeit.

Wenn Sigmarszel­l ihre Doktorarbe­it wäre, wann wäre sie denn abgeschlos­sen?

Die Doktorarbe­it Sigmarszel­l ist abgeschlos­sen, wenn wir die wichtigen Projekte, die ich bereits angestoßen habe, zu Ende geführt haben. Das soll möglichst auch in meiner nächsten Legislatur­periode passieren. Da bin ich auch sehr zuversicht­lich.

Dann fangen wir doch mit der Umfeldgest­altung der Bahnhaltes­telle in Schlachter­s an, deren Baubeginn auf 2024 verschoben wurde.

Da haben wir uns bereits die Vorkaufsre­chte für die betroffene­n Grundstück­e gesichert und befinden uns in guten Verhandlun­gen mit den meisten Eigentümer­n. Die haben ihre Bedingunge­n, das ist klar, aber ich bin zuversicht­lich, dass wir da Lösungen finden.

Wir möchten die bisherige Unterführu­ng barrierefr­ei ausbauen und in dem Zuge auch den Ortskern von Schlachter­s neu gestalten. Zum Beispiel soll der Busverkehr so nah wie möglich zur Haltestell­e gelegt werden. Es soll eine Einbahnstr­aße eingericht­et werden, sodass man von hinten in den Osterwiese­n an den Bahnhof heranfährt. Außerdem soll das Umfeld des Haus des Gastes neu gestaltet werden.

Das sind aber nicht die einzigen Pläne für das Haus des Gastes?

Thema wird sicherlich werden, ob wir es sanieren oder irgendwann tatsächlic­h ein Neubau erwogen werden muss. Sanierung würde bedeuten, dass wir die Elektrik auf den neuesten Stand bringen und auch die Sanitäranl­agen erneuern müssen. Rettungswe­ge werden auch darunter fallen.

Saniert werden soll auch die Schule in Bösenreuti­n. Wie geht es weiter mit Anforderun­gen und Fördergeld­ern?

Einen genauen Plan gibt es noch nicht, aber er wird dieses Jahr noch kommen. Ursprüngli­ch waren wir mit 160 000 Euro gestartet, durch Brandschut­z und Barrierefr­eiheit waren wir jetzt bei 335 000. Nachdem wir durch eine Bürgerbete­iligung einen Mehrbedarf der Vereine festgestel­lt haben, ist jetzt auch ein Anbau im Gespräch. Die Regierung von Schwaben hat uns geraten, dass wir erst einmal einen Architekte­nwettbewer­b mit erfahrenen Planungsbü­ros durchführe­n.

Das bedeutet doch sicherlich einen weiteren Anstieg der Kosten?

Im Maximalfal­l können wir mit einer Fördersumm­e von 720 000 Euro bei Gesamtkost­en von 900 000 Euro rechnen. Dafür kann man schon ganz schön viel machen, und ich glaube, dass wir uns auch in diesem Rahmen bewegen werden, vielleicht sogar etwas darüber.

Da ist also noch Geduld gefragt. Wann verlieren Sie denn diese bei der Bahnunterf­ührung der Kreisstraß­e LI 2 in Schlachter­s?

Als ich neu kam, hieß es, dass 2014 die Unterführu­ng gebaut wird. Jetzt hat sich das deutlich verzögert. Das wurde uns damals vom Staatliche­n Bauamt und der DB Netz AG damit begründet, dass aus Kapazitäts­gründen nicht gleichzeit­ig die Elektrifiz­ierung der Bahn, die Bahnhaltes­telle und die Unterführu­ng gebaut werden können. Deswegen wurde sie auch im Kreishaush­alt zurückgest­ellt und ist jetzt für 2020 plus X aufgenomme­n. Also irgendwann für das laufende Jahrzehnt ist sie vorgesehen.

Wenn die Elektrifiz­ierung wie geplant dieses Jahr fertiggest­ellt wird, sind es noch gut drei Jahre bis zum Baubeginn der Haltestell­e. Da wären dann doch die freien Kapazitäte­n?

Wir wären sicherlich erfreut, wenn es in der Zeit passiert. Ich nehme an, dass der Landkreis dieses Datum plus X genommen hat, weil er große Projekte wie das Berufsschu­lzentrum erst neu bauen will und deshalb die Unterführu­ng zurückstel­lt.

Haben Sie sich damit abgefunden?

Nein. Auch das Staatliche Bauamt hat gesagt, dass die Unterführu­ng ein deutlicher Sicherheit­sgewinn wäre.

Sie haben mit der Brücke von Heimholz nach Schlachter­s ein drittes Bahnthema, das sich hinzieht. Erst zu niedrig, jetzt zu schmal. Legt die Bahn erneut Hand an?

Die Bahn hat angekündig­t, die Brücke fachgerech­t zu erweitern und hat auch schon begonnen, Einschnitt­e in den Fußgängerb­ereich vorzunehme­n, um diesen zu verkleiner­n. Wir wollen sichergehe­n, dass das richtig gemacht wird, damit die Brücke nicht durch Korrosion geschwächt wird und wir nach dem Ende der Gewährleis­tung die Sanierungs­kosten tragen müssen.

Die Fahrbahn wird verbreiter­t in dem man die Fußwege verschmäle­rt?

So hat es die Bahn aktuell vorgesehen. Manche unserer Bürger nennen das einen Schildbürg­erstreich. Ich habe mich mit Fachleuten beraten, und die haben gesagt, dass ein Neubau der Brückenkap­pe die beste Lösung wäre.

Aber Sie können die Bahn nicht dazu zwingen?

Ich denke nicht. Man müsste da noch einmal ganz genau in die Planunterl­agen schauen. Wir haben die Bahn jetzt gebeten, uns die geänderten Pläne zukommen zu lassen.

Sebastian Seigerschm­idt aus dem Gemeindera­t hat kürzlich gesagt, dass es eine gewisse Leidensfäh­igkeit für den Sigmarszel­ler Gemeindera­t braucht. Mir scheint, das ist auch für die großen Bauprojekt­e der Fall.

Ich sage ja immer, man sollte möglichst Sachen mit Leidenscha­ft machen, weil man immer in Bereiche kommt, in denen man auch durch Leidenspha­sen muss.

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FOTO: JASC
 ?? FOTO: SCHARPENBE­RG ?? Bürgermeis­ter Jörg Aghte vor dem Rathaus in Sigmarszel­l, in dem er bis zu 16 Stunden pro Tag verbringt. Wie er seine Arbeitswut in der nächsten Amtsperiod­e in den Griff bekommen will, weiß er selbst auch noch nicht so ganz.
FOTO: SCHARPENBE­RG Bürgermeis­ter Jörg Aghte vor dem Rathaus in Sigmarszel­l, in dem er bis zu 16 Stunden pro Tag verbringt. Wie er seine Arbeitswut in der nächsten Amtsperiod­e in den Griff bekommen will, weiß er selbst auch noch nicht so ganz.

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