Lindauer Zeitung

CDU vor Zerreißpro­be

- Von Hendrik Groth

Wer auch immer sich in naher Zukunft auserkoren fühlt, die CDU zu führen: Der künftige CDU-Vorsitzend­e – Stand heute wird nur über Männer spekuliert – muss aufpassen, dass aus dem Richtungss­treit zwischen Merkeliane­rn und Konservati­ven nicht ein Kulturkamp­f wird, der die Christdemo­kraten zu zerreißen droht. Denn Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist es in der kurzen Zeit ihres Parteivors­itzes nicht gelungen, beide Lager so einzuhegen, dass es der Öffentlich­keit klar wurde, wofür die oftmals als Kanzlerwah­lverein verspottet­e Partei überhaupt steht. So wird selbst nach dem Thüringen-Debakel die von der Bundespart­ei verordnete klare Abgrenzung zur AfD von einigen ostdeutsch­en Funktionär­en unterschie­dlich ausgelegt. Sie ließen ihre Vorsitzend­e bei ihrem Feuerwehr-Einsatz in der vergangene­n Woche in Erfurt auflaufen und unverricht­eter Dinge wieder abreisen.

Für Kramp-Karrenbaue­r kam aber noch ein wesentlich­er Punkt dazu. Für sie bedeutete die Trennung von Parteiführ­ung und Kanzleramt nicht eine Chance, sondern eine Hypothek. Die wahre Chefin blieb Angela Merkel, und schon verbreiten ganz Unerschroc­kene, dass die Regierungs­chefin darüber sinniere, eventuell zum fünften Mal antreten zu wollen. Kramp-Karrenbaue­r ist an dieser auf Merkel zugeschnit­tenen Doppelspit­zen-Konstrukti­on gescheiter­t, auch wenn letztendli­ch der Auslöser für ihr Aufgeben der Machtkampf in Thüringen war.

Dass erst Anfang Dezember ein Bundespart­eitag in Stuttgart über die Parteispit­ze entscheide­t, mag der Wunsch von Kramp-Karrenbaue­r sein, realistisc­h ist das aber nicht. Denn die CDU muss sich schnell darüber klar werden, was sie wem zutraut. Und für was diese Person dann steht, hinter die sich die verschiede­nen Parteiflüg­el in einer Vorwahlkam­pfzeit geschlosse­n stellen müssen. Ganz konkret: Soll die CDU Wähler von der AfD oder den Grünen zurückgewi­nnen, um bundesweit die bestimmend­e Partei zu bleiben? Beides wird gleichzeit­ig nicht funktionie­ren.

h.groth@schwaebisc­he.de

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