CDU vor Zerreißprobe
Wer auch immer sich in naher Zukunft auserkoren fühlt, die CDU zu führen: Der künftige CDU-Vorsitzende – Stand heute wird nur über Männer spekuliert – muss aufpassen, dass aus dem Richtungsstreit zwischen Merkelianern und Konservativen nicht ein Kulturkampf wird, der die Christdemokraten zu zerreißen droht. Denn Annegret Kramp-Karrenbauer ist es in der kurzen Zeit ihres Parteivorsitzes nicht gelungen, beide Lager so einzuhegen, dass es der Öffentlichkeit klar wurde, wofür die oftmals als Kanzlerwahlverein verspottete Partei überhaupt steht. So wird selbst nach dem Thüringen-Debakel die von der Bundespartei verordnete klare Abgrenzung zur AfD von einigen ostdeutschen Funktionären unterschiedlich ausgelegt. Sie ließen ihre Vorsitzende bei ihrem Feuerwehr-Einsatz in der vergangenen Woche in Erfurt auflaufen und unverrichteter Dinge wieder abreisen.
Für Kramp-Karrenbauer kam aber noch ein wesentlicher Punkt dazu. Für sie bedeutete die Trennung von Parteiführung und Kanzleramt nicht eine Chance, sondern eine Hypothek. Die wahre Chefin blieb Angela Merkel, und schon verbreiten ganz Unerschrockene, dass die Regierungschefin darüber sinniere, eventuell zum fünften Mal antreten zu wollen. Kramp-Karrenbauer ist an dieser auf Merkel zugeschnittenen Doppelspitzen-Konstruktion gescheitert, auch wenn letztendlich der Auslöser für ihr Aufgeben der Machtkampf in Thüringen war.
Dass erst Anfang Dezember ein Bundesparteitag in Stuttgart über die Parteispitze entscheidet, mag der Wunsch von Kramp-Karrenbauer sein, realistisch ist das aber nicht. Denn die CDU muss sich schnell darüber klar werden, was sie wem zutraut. Und für was diese Person dann steht, hinter die sich die verschiedenen Parteiflügel in einer Vorwahlkampfzeit geschlossen stellen müssen. Ganz konkret: Soll die CDU Wähler von der AfD oder den Grünen zurückgewinnen, um bundesweit die bestimmende Partei zu bleiben? Beides wird gleichzeitig nicht funktionieren.
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